Offshore-Services: Russland bietet sich an

06.10.2003
Von Matthias Weber

Die Chancen, die sich in der Zusammenarbeit mit Russlands Softwareindustrie bieten, wollen auch vermehrt deutsche Firmen nutzen. So hielt beispielsweise Herbert Lechner, beim Münchner Siemens-Konzern zuständiger Direktor für den Bereich Procurement Software Development, auf der Konferenz Ausschau nach potenziellen Geschäftspartnern. "Siemens erwirtschaftet in Russland mit rund 1500 Mitarbeitern einen Umsatz von gut 800 Millionen Euro - Tendenz steigend. Das ist für den gesamten Konzern ein wichtiger Markt. Allein St. Petersburg verfügt über 4000 Softwareentwickler und zählt damit zu den wichtigen Standorten der globalen Softwareentwicklung", betont Lechner. Aus Meetings hat der Siemens-Manager überwiegend positive Eindrücke mitgenommen. Ihm sei ein hohes Maß an unternehmerischer Professionalität mit einer beeindruckenden "Value Proposition" einzelner Firmen begegnet. Russlands Vorzug sieht Lechner in den "ausgezeichneten Softwareingenieuren, die für schwierige Problemlösungen einsetzbar sind". Zugleich pocht er auf die hohen Erwartungen seines Unternehmens als Auftraggeber: "Entwicklung im Hightech-Bereich ist Vertrauenssache. Die Basis hierfür muss durch erhöhte Prozessreife in den Firmen und durch konsequente Umsetzung der Kundenanforderungen an den Schutz ihres "Intellectual Property" erarbeitet werden."

Die Qualität ist gestiegen

Den Markterfordernissen folgend, "haben russische Unternehmen in den letzten Jahren erhebliche Fortschritte bei der Einführung und Zertifizierung von QM-Systemen erzielt", konstatiert Andrey Fedorov. Sein Unternehmen Digital Design ließ sich kürzlich als eines der ersten Unternehmen in Europa nach dem Standard CMM Integrated zertifizieren und errang den Russian National Quality Award. "Wir arbeiten erfolgreich für einen der größten deutschen Systemintegratoren und wissen, wie wichtig QM ist", ergänzt der Digital-Design-Chef, und verweist auch auf Erfolge im QM-Bereich bei Telma, einer Softwareschmiede, die im Mobilfunksektor tätig ist. 1991 gegründet, ist Telma die erste russische nach CMM Level 5 zertifizierte Firma. Bereits seit 1992 entwickelt das Unternehmen für Motorola.

Ähnlich beschreibt Annegret Fiebig von der Pro-Sieben Information Service GmbH ihre Erfahrungen. Die Zusammenarbeit mit einem Minsker Unternehmen war anfänglich durch "extremen Ressourcenmangel" motiviert, wenig später hatte sich die finanzielle Situation in der Medienindustrie und damit auch ihrer Company so dramatisch verändert, dass die Kooperation vorrangig "finanzielle und strategische Bedeutung" erhielt und nun massiv ausgebaut werden soll. Die IT-Managerin verweist auch auf indirekte Effekte für ihre Firma: "Die Integration des Partners in die Softwareentwicklung dient gleichzeitig als Indikator für Prozess-Schwächen im eigenen Unternehmen." Als notwendige Voraussetzungen für das Outsourcing benennt sie allerdings "einen definierten Entwicklungsprozess im deutschen Unternehmen, gutes Projekt-Management, enge Führung, Controlling und ausgereiftes Qualitäts-Management."

Beziehungen noch ausbaufähig

Trotz aller Lobeshymnen und objektiv guter Standortfaktoren sind Russlands Offshore-Anbieter mit ihren Erfolgen im für sie strategisch wichtigen Zielmarkt Deutschland derzeit aber noch alles andere als zufrieden. "Vorerst kooperieren nur wenige deutsche Unternehmen mit russischen Partnern", konstatiert Egorov. Deutsche Auftraggeber sollten ihr Geschäftsmodell überdenken. "Bisher werden die russischen IT-Ressourcen vorrangig als Arbeitskräfte für einfache Codierung angesehen." Er wirbt dafür, "Russland als geradezu idealen Markt für Forschung und Entwicklung, gemeinsame Produktentwicklung und Consulting" zu sehen. Um richtig ins Geschäft zu kommen, könnten deutsche Firmen mit russischen Partnern den Vertrieb ihrer Produkte in Russland beginnen, um dann auf dieser Basis Kompetenzzentren zu entwickeln, die die russischen Ressourcen als "Brand Ambassadors" auf Drittmärkten einsetzen.

Weitere Informationen zu russischen Offshore-Partnern bietet neben dem Bitkom (http://www.bitkom.org/) der russische IT-Verband Russoft (www.russoft.org) oder die Initiative Fort-Ross (www.fort-ross.ru).