Notes 8: hybrid und aufgehübscht

07.11.2007
Von Michael Wagner
Die neue Version soll das gescheiterte "Workplace" beerben und auf Basis von Java alte Stärken mit modernerClient-Technik verbinden. Die Kombination bietet nicht immer das Beste aus beiden Welten.

Die IBM kündigte 2005 an, die portalbasierende Work-place-Technologie auch als Teil von Lotus Notes verfügbar zu machen. Die nach dem Ort der Ankündigung auf den Codenamen "Hannover" getaufte Kombination von Notes und Workplace sollte die Beschränkungen der traditionsreichen Groupware überwinden helfen. Die Version 8 muss nun dieses Versprechen einlösen.

Hier lesen Sie ...

welche Funktionen Notes 8 bietet;

welche neuen Features noch nicht reibungslos laufen;

welche Konfigurationen problematisch sind;

wie die neuen Composite Applications gebaut werden.

Fazit

Notes 8 überwindet zwar die Beschränkungen der in die Jahre gekommenen Benutzerschnittstelle, setzt aber für die Anwendungsentwicklung und Administration zusätzliche Java- beziehungsweise Eclipse-Kenntnisse sowie eine erweiterte Infrastruktur voraus.

Die hybride Technik, mit der IBM die Kompatibilität zu alten Notes-Anwendungen gewährleisten will, fordert ihren Preis. Dieser besteht nicht nur in hohen Hardwareanforderungen, sondern auch in enormer Komplexität des System und einer inkonsequent erneuerten Benutzerschnittstelle.

Auch wenn die Verschränkung von klassischem Client mit dem Eclipse-Framework als die wesentliche Neuerung der aktuellen Version gilt, erlaubt sie weiterhin alternativ die Installation des herkömmlichen Notes (als "Basic"-Variante bezeichnet). Der "Full"- Client hingegen bettet den bekannten Groupware-Client vollständig in die von IBM um Verwaltungsfunktionen erweiterte und "Expeditor" genannte Technologie des Eclipse-Frameworks ein. Dessen Java-basierende Benutzerschnittstelle ermöglicht dem Notes-8-Client die gleichzeitige Nutzung von bestehenden Notes-Anwendungen und neu entwickelten Java-Komponenten.

Hunger nach RAM

Obwohl man vor der Installation die Wahl zwischen Basic und Full treffen muss, so besteht doch nachträglich die Möglichkeit, nach einer vollen Installation nur den herkömmlichen Client zu starten. IBM rät allerdings von diesem Vorgehen ab, da vorgesehene Prüfungen dann nicht ablaufen. Der Trick ist also keine Dauerlösung.

Der Preis für das hybride Modell des vollständigen Clients ist indes hoch. Der Speicherbedarf verdoppelt sich gegenüber dem Basic Client knapp auf über 200 MB bereits gleich nach dem Start. Je nachdem, was an Zusatz-Tools geladen wird, kann der Hunger nach RAM noch weiter steigen. IBM gibt als minimalen Hauptspeicherausbau 512 MB an, empfiehlt aber 1GB.

Probleme mit Citrix

Für Anwender, die bislang Notes in einer Thin-Client-Lösung über Citrix zugänglich machten, gibt es derzeit keinen offiziell unterstützten Weg zu Notes 8. Man kann sich darüber streiten, ob ein Server-basierender Betrieb einer derart ressourcenintensiven Anwendung überhaupt sinnvoll ist. Eine für Citrix zertifizierte und von IBM unterstützte Version soll es erst mit einem der kommenden kleineren Releases geben.

Die Umstellung auf Java wollte die IBM nutzen, um die häufig kritisierte Benutzeroberfläche von Notes zu überarbeiten und ein ansprechendes neues Äußeres zu bieten. Der Mail-Client orientiert sich in vielerlei Hinsicht an Microsofts Outlook. Die E-Mail-Anwendung kann jetzt auf breiten Bildschirmen dreigeteilt dargestellt werden und bietet Operationen für ganze Mail-Konversationen wie zum Beispiel die Ablage der zusammenhängenden Nachrichten in Ordnern oder die Markierung ganzer Threads als gelesen. Terminvorschläge werden im Kalender grau dargestellt, und die Suche nach freier Zeit für einen Termin kann als "Was-wäre-wenn"-Spiel betrieben werden. Die Kontakte erscheinen auf Wunsch als Visitenkarten mit Fotos und erlauben die Speicherung von deutlich mehr Daten, auch ohne die möglichen eigenen Erweiterungen.

Im Zuge des großen Umbaus ging die IBM weitere längst überfällige Veränderungen an. So verfügt Lotus Notes nun über eine "Rückgängig"-Funktion für mehrere Schritte, die endlich auch für einige Tabellenoperationen funktioniert. Die Rechtschreibprüfung berücksichtigt nun auch die neue deutsche Rechtschreibung. Auch der Failover-Mechanismus verdient nun seinen Namen, da er beim Ausfall eines Servers die aktuellen Änderungen auf einem anderen Server speichern kann und nicht nur wie bisher für das Lesen des nächsten Dokuments den Server wechselt.

Inkonsequente Erneuerung

In einem Punkt stellt die Benutzerschnittstelle des vollen gegenüber dem Basic-Client einen Rückschritt dar. Das Expeditor Framework verhindert, eine Notes-Datenbank in einem separaten Fenster zu öffnen, wie dies bisher in Notes möglich war. Dies ist insbesondere hinderlich, wenn mit mehreren Anwendungen gearbeitet werden soll.

Von der überarbeiteten und hübscheren Oberfläche des Java-Frontends profitiert auch die Basis-Version. Da der Expeditor eine moderne Java-GUI bietet, entschloss sich die IBM, die bestehenden Datenbankschablonen optisch daran anzupassen. Allerdings blieb die IBM bei ihrer Verschönerungsaktion auf halbem Weg stehen. Selbst in der "Mutter aller Notes-Anwendungen", der Mail-Datenbank, blickt man trotz moderner Navigation unvermittelt in den "Aufgaben" auf Dokumente im alten Stil. Viele der seit Jahren mit Notes ausgelieferten Anwendungen, etwa für Diskussionen oder Dokumentenbliotheken, verharren auf dem Stand der Version 5. Ihr altertümliches Aussehen offenbart sich nicht nur im klassischen Client, sondern auch in der Eclipse-Umgebung.

Zu den Neuerungen der Benutzeroberfläche zählt beim Full Client der Bereich für Plug-ins auf der rechten Seite. Dort finden sich Zusatzprodukte wie der RSS-Reader, der "Activity Explorer" oder die Kontaktliste von Sametime. Die zusätzlichen Menüs der Komponenten nehmen allerdings eine Menge Platz am Bildschirm ein und können ungeübte Benutzer verwirren. Zu allem Überfluss änderte die IBM eine Reihe von gut eingeführten Bezeichnungen, verhielt sich aber auch dabei halbherzig. So werden "Datenbanken" nun "Anwendungen" genannt, im "Eigenschaften"-Dialog und in der Dokumentation ist aber nach wie vor von Datenbanken die Rede.

Composite Applications

Mit den Bordmitteln des vollen Notes 8 lassen sich "Composite Applications" zusammensetzen, die auch alte Notes-Anwendungen umfassen. Man muss dafür Web-Services-Definitionen (WSDL) erstellen. Über den aus Workplace übernommenen "Composite Application Editor" können dann einfache Komponenten zu komplexen Anwendungen kombiniert werden. Passende Web-Services-Schnittstellen lassen sich visuell durch das Ziehen von "Drähten" miteinander verbinden. Die Komponenten reagieren dann entsprechend aufeinander indem sie über den "Property Boker" Daten miteinander austauschen.

Portalartiges Frontend

Zum Beispiel wechselt bei der Auswahl eines Datums in einem Kalender die To-do-Liste in der benachbarten Komponente auf das entsprechende Datum. IBM nennt dies ebenfalls "Mashup", obwohl es mit Ajax- und Rest-basierenden Web-2.0-Anwendun-gen nichts zu tun hat.

Die Einbindung portalfähiger Java-Anwendungen ist ebenso einfach möglich, allerdings setzen sie einen Websphere Portal Server voraus. Für die Entwicklung von Java-Komponenten bietet auch Lotus Notes 8 kaum Unterstützung, sondern es muss auf klassische Entwicklungswerkzeuge zurückgegriffen werden. Im Gegensatz zu Notes-Anwendungen sind die Java-Komponenten nicht von Haus aus offline-fähig. Vielmehr muss diese Eigenschaft den Java-Komponenten bei Bedarf zum Beispiel auf Basis des Sync-ML-Standards einprogrammiert werden.

Open Office integriert

Eine wesentliche Neuerung von Notes 8 sind die "Productivity Applications". Es handelt sich dabei um ältere Versionen von "Open Office" für Textverarbeitung, Tabellenkalkulation und Präsentationen. Auf Wunsch lassen sie sich auch mit dem Basic-Client installieren. Sie erlauben die Bearbeitung von Dateien, die mit Microsoft Office und IBM Lotus Smartsuite erstellt wurden, und unterstützen das Open Document Format (ODF). IBM bietet diese Software auch unter dem Namen "Symphony" als eigenständiges Produkt an.

Das Symphony-Paket wird allerdings nicht automatisch installiert, sondern muss eigens ausgewählt werden. Die fehlende Integration mit Notes dürfte den meisten Anwendern die Freude an den Tools trüben. Damit erstellte Dateien können bislang nur im Dateisystem abgelegt werden und müssen später von Hand in Notes-Dokumente eingebunden werden. Da bietet selbst die Notes-Schablone für MS-Office mehr Integration.

Lotus Domino 8

Auch wenn die wesentlichen Neuerungen den Client betreffen, so hat sich in der Version 8 auch auf der Server-Seite einiges getan. Neben der bereits erwähnten Implementierung der Eclipse Update Site, die eine Nutzung des Eclipse-Frameworks durch die Notes-Clients erst ermöglicht, sind dies Message Recall, DB2NFS sowie Mail-Authentifizierung, Erweiterungen des Domänen Monitorings und des Policy-Mechanismus.

Die Rückruffunktion für Mails kann bereits abgeschickte Nachrichten aus den Postfächern der Empfänger löschen. Das klappt nur, sofern es sich dabei um Notes-Postfächer in der eigenen Domäne handelt und die Benutzer diese Funktion zulassen. Mails, die fälschlicherweise an Kunden über das Internet geschickt werden, lassen sich damit nicht abfangen. Ebenso wenig können offline gelesene, kopierte oder weitergeleitete Nachrichten ungeschehen gemacht werden. Ob die Anwender das Feature überhaupt einsetzen, hängt zudem in Deutschland von der rechtlichen Situation ab.

DB2 statt NSF

Sofern Unternehmen private E-Mails zulassen, unterliegen sie nämlich dem Postgesetz, das die Nachricht in das Eigentum des Empfängers übergehen lässt, sobald sie eingeworfen, sprich verschickt wird. Ein Unternehmen, das trotzdem die Message-Recall- Funktion aktiviert, macht sich im Falle eines nachträglichen Löschens also strafbar.

Die schon für die Version 7 angekündigte Unterstützung für DB2 als relationale Alternative zur Notes-Datenbank (Notes File System = NSF) gehört nun zum Lieferumfang der aktuellen Ausführung. Allerdings bleiben trotz gegenteiliger Versprechen die Anwender von System i (ehemals AS/400) außen vor. DB2NFS beschränkt sich auf Windows, Linux und AIX, außerdem wirkt die DB2-Anbindung vergleichsweise langsam. Eine deutliche Leistungsverbesserung lässt IBM dagegen unter den Tisch fallen. Durch die neue On Disk Struktur (ODS) des NFS lässt sich eine Steigerung des I/O-Durchsatzes von 25 Prozent erreichen. Dieses Feature ist nach der Installation jedoch deaktiviert, und die Datenbanken müssen erst per Hand in das neue Format konvertiert werden.

Zusatzprodukte wie Sametime für Instant Messaging, das Dokumenten-Management-System "Quickr "und die Social-Networking-Software "Connections" lassen sich ebenfalls mit dem vollen Notes-8-Client nutzen. Die Integration setzt allerdings einen Websphere Application Server voraus. Doch selbst wenn dieser vorhanden ist, hapert es an der Verzeichnisintegration. Eine Unterstützung für das Domino Directory als natives Verzeichnis wird es wohl erst mit einer der kommenden Versionen geben, möglicherweise der für das Frühjahr vorgesehenen 8.0.1. (ws)