Neue Tools von Big Blue auf der Internet World '95 Online- und Internet-Plaene von IBM bringen Prodigy in Zugzwang

05.05.1995

SAN JOSE (jha) - Den Anspruch, Marktfuehrer im Internet-Geschaeft zu sein, untermauerte die IBM Corp. auf der Internet World '95 in San Jose. Damit sich die Online-Surfer in den mit Internet-Zugriffen ausgestatteten Netzen IBM Global Network und Prodigy wohl fuehlen, lockt Big Blue mit neuen Tools, Dienstleistungen und dem technischen Ausbau der Infrastruktur.

Angesichts von immer mehr WWW-Servern und Home-Pages, die dem Online-Anwender ein nicht zu ueberschauendes Informationsangebot offerieren, wird die Suche nach verwertbaren Daten im Internet zum Gang durch ein Labyrinth. Als Antwort auf diese Entwicklung praesentierte die IBM mit ihrem Softwarepaket "Infosearch Market" die ueberarbeitete Version einer Such- und Retrieval-Software, die bereits bei verschiedenen staatlichen Behoerden im Einsatz ist.

Das Programm sucht als Agent in heterogenen Datenbanken multimediale Informationen. Den Datenanbietern verschafft die Loesung die Moeglichkeit, ueber verschiedene Plattformen oder Standorte verteilte Inhalte als einen virtuellen Dienst im Internet darzustellen. Die Datensuchenden mit Apple-, Windows und Unix-Plattformen hingegen koennen mit der Software die benoetigten Informationen erhalten, ohne etwas ueber die Form der Daten wissen zu muessen.

IBM Global Network kuenftig mit ISDN- und ATM-Zugang

Je nach Art der Daten sind Sicherheitsverfahren notwendig. Neben der Investition in den Sicherheitsspezialisten Terisa System Inc. wurde bei IBM an einem Sicherheitsprotokoll gearbeitet, das die Kommunikation von mehr als zwei Partnern im Internet und anderen oeffentlichen Netzen schuetzen soll. "IKP" ist vor allem fuer die Transaktionen kritischer Daten wie Kreditkartennummern vorgesehen und wurde den Normungsgremien World Wide Web Consortium (W3C) und der Internet Engineering Task Force (IETF) zur Anerkennung als Industrie-Standard vorgelegt.

Fuer den Datenverkehr dieser Klientel offeriert Big Blue seit Sommer letzten Jahres das IBM Global Network, das kuenftig ausgebaut werden soll. Derzeit sind mehr als 170 Zugangsknoten in Betrieb, sechs davon stehen in Deutschland. Bis Ende naechsten Jahres wird die Anzahl der weltweiten Zugangspunkte laut Plan um mehr als das Doppelte auf 450 anwachsen, hierzulande verfuenffacht IBM sogar die Server-Standorte auf 30 Knoten. Auch die Geschwindigkeit, mit der Anwender durch das Netz surfen koennen, wird sich erhoehen. Das derzeit maximale Transfertempo von 14,4 Kbit/s verdoppelt IBM auf 28,8 Kbit/s, zudem ist die Implementation von ISDN- und ATM-Knoten geplant.

Von dem rascheren Zugriff werden auch OS/2-Anwender profitieren. Ihnen bietet IBM das PC-Betriebssystem inklusive Internet-Zugang via IBM-Global-Network-Knoten an. Fuer eine Grundgebuehr von 26 Mark und einen Stundenpreis von sieben Mark kann der Home-User mit IBM- Plattform die weltweit verstreuten Datenbanken zu Hause nutzen. Doch nicht nur OS/2-Anwender hat der Computergigant im Auge, die eigenen Web-Server sollen darueber hinaus unter AIX, OS/400 und MVS laufen, wobei als Hardwareplattformen die skalierbaren Parallelsysteme SP2 sowie RS/6000-, AS/400- und S/390-Rechner verwendet werden.

Fuer den Zugriff auf Datenbanken aelterer Rechnergenerationen praesentierte IBM auf der Messe erstmals "DBS/WWW", einen WWW- Server mit Sicherheitstechniken und Zugangsfunktionen zu DB2- Systemen. "Unser Ziel war es", erklaerte John Patrick, Vice- President bei dem IBM-Geschaeftsbereich Internet Applications, "eine Verbindung zwischen Web-Server und den Informationen des Kerngeschaefts herzustellen."

Die Verknuepfung des DB2-, SNA- und Online-Geschaefts ist traditionell eine Aufgabe der IBM-Tochter Prodigy mit ihrem gleichnamigen Netz. Der anhaltende Boom des Internet und der Ausbau des IBM Global Network zeigt auch Auswirkung auf diese proprietaere Infrastruktur. Dort lautet die neue Marschrichtung: Offener werden und geradewegs auf das Internet-Protokoll zu, mit SNA im Schlepptau. Innerhalb von sechzig Tagen soll Prodigy Multimedia-Funktionen in den Standarddienstleistungen aufnehmen und eine Windows-3.1-Version implementieren.

Die IBM-Strategie bleibt insgesamt allerdings etwas undurchschaubar. Prodigy oeffnet sich dem Industriestandard des Internet-Protokolls und schlaegt aggressive Marketing-Toene an: Die Nutzung des eigenen Online-Dienstes inklusive Internet-Zugang koennen Anwender kuenftig 30 Online-Stunden lang zu einem Preis von 30 Dollar in Anspruch nehmen. Damit tastet sich die IBM-Tochter allerdings in einen Markt vor, der bisher vom IBM Global Network bedient wird.