Netzgiganten blicken auf den Kompass

04.12.2002
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Gerhard Holzwart begann 1990 als Redakteur der COMPUTERWOCHE und leitete dort ab 1996 das Ressort Unternehmen & Märkte.  Ab 2005 verantwortete er den Bereich Kongresse und Fachveranstaltungen der IDG Business Media GmbH und baute „IDG Events“ mit jährlich rund 80 Konferenzen zu einem der führenden Anbieter von ITK-Fachveranstaltungen in Deutschland aus. Seit 2010 ist Gerhard Holzwart geschäftsführender Gesellschafter der h&g Editors GmbH und ist in dieser Funktion als Event Producer, Direktmarketingspezialist und ITK-Fachredakteur tätig.        

Jetzt schlägt in fast allen Konzernen die Stunde der Sanierer, die vor allem eines tun müssen: Die Kosten dramatisch senken. Und sie brauchen Antworten auf ein paar unangenehme Fragen: Lassen sich die ehrgeizigen Globalisierungspläne weiterverfolgen? Wie kann der anhaltende Preisverfall gestoppt werden? Werden sich die teuer ersteigerten UMTS-Lizenzen jemals amortisieren? Die wahrscheinlich wichtigste Frage dürfte jedoch sein: Was gehört künftig zum unverzichtbaren Kerngeschäft eines Carriers?

Zwei namhafte Telcos haben diese Frage für sich längst schon beantwortet: AT&T und British Telecom (BT). Auch das ist Übrigens ein Beleg für die Annahme, dass die derzeit zu beobachtende Misere ungeachtet des Platzens der Internet-Blase und dem vermutlichen Rohrkrepierer UMTS eine Krise mit Ansage war. Denn schon im Jahr 2000 hatte beispielsweise AT&T mehr als 56 Milliarden Dollar Schulden angehäuft, worauf CEO Michael Armstrong die Notbremse zog. Der seit 1996 verfolgte Kurs, das Unternehmen zu einem integrierten Multimedia-Konzern umzubauen, wurde aufgegeben; wesentliche Teile der Gesellschaft wie das Mobilfunk-Business (AT&T Wireless) sind abgespalten beziehungsweise im Falle der besonders verlustträchtigen Kabelfernsehsparte verkauft worden. Heute ist die verbliebene AT&T Corp. ein Anbieter mit nur noch zwei sehr traditionellen Geschäftsfeldern: Festnetztelefonie für private Konsumenten in den USA sowie weltweite Datendienste für

Geschäftskunden. Weitgehend identisch war die Entwicklung bei BT, wo man mit MmO2 die Mobilfunksparte als eigenständiges Unternehmen vom Konzern abgetrennt und mit BT Ignite einen auf Europa fokussierten Anbieter von Mehrwertdiensten für Geschäftskunden gegründet hat. Beide Carrier konnten in der Folge ihre Schulden deutlich reduzieren, spielen aber als Vollsortimenter keine Rolle mehr.

Den Vollsortimenter alter Prägung scheint es ohnehin mittelfristig nicht mehr zu geben. Diese Lesart kristallisiert sich jedenfalls zunehmend bei Experten heraus. Derzeit halten nur Deutsche Telekom und France Télécom mit Mühe ihren Anspruch aufrecht, Festnetz- und Mobilfunkdienste, Internet-Services sowie IT-Lösungen aus einer Hand anzubieten.

Wertschöpfung verändert sich

Die Abspaltung einer oder mehrerer Units dürfte aber bei den großen Telcos nur der Anfang einer völlig neuen Entwicklung sein. Julian Hewett, Chief Analyst des britischen Marktforschungsunternehmens Ovum, skizzierte unlängst die absehbaren Trends mit plakativen Worten: Der TK-Konzern der Zukunft werde eine Art „Supermarkt“ sein, dessen Kernkompetenz im „Marketing und der Paketierung von Services“ liegt, der aber die Produkte in seinem Regal nicht immer selbst herstellt.