Netzwerk-Trends

Netze für Cloud und Co. fit machen

09.11.2011
Von 
Jürgen Hill ist Chefreporter Future Technologies bei der COMPUTERWOCHE. Thematisch befasst sich der studierte Diplom-Journalist und Informatiker derzeit mit aktuellen IT-Trendthemen wie KI, Quantencomputing, Digital Twins, IoT, Digitalisierung etc. Zudem verfügt er über einen langjährigen Background im Bereich Communications mit all seinen Facetten (TK, Mobile, LAN, WAN). 

Flache Hierarchien

Die Attraktivität von Cloud-Services und Virtualisierung liegt unter anderem darin begründet, dass Unternehmen dynamisch IT-Leistungen bestellen und verlagern können. Dazu passen aber die meisten Netze nicht, die noch im Zuge des Internet-Booms aufgebaut wurden. Damals standen Fragen wie die nach einem zuverlässigen Routing im Vordergrund, was zu den heute eher statischen Netzen auf Layer-3-Ebene führte.

In der virtuellen Welt zählen nun aber andere Werte: Virtuelle Maschinen und Instanzen müssen nicht nur innerhalb eines Blades oder Rechenzentrums, sondern auch über große Instanzen schnell verlagert werden. Und am neuen Ort müssen die alten Beziehungen und Abhängigkeiten (Rechte, Daten- und Anwendungszugriffe) wieder sofort funktionieren beziehungsweise an die neuen Gegebenheiten angepasst werden. Das verlangt nach einem hohen Automatisierungsgrad, bei dem Port-Zuweisungen, Provisioning etc. ohne Eingriff des Users von selbst funktionieren.

Um dies zu realisieren, gelten nun flache Netze, bei denen möglichst viel Funktionalität auf Layer-2-Ebene abgewickelt wird, als State of the Art. "Gleichzeitig", so Brocade-Direktor Frank Koelmel, "versucht man das Netz als eine logische Einheit darzustellen." Eine Einheit, die das Kunstwort "Fabric" beschreibt. In einer solchen Fabric wird nicht mehr der einzelne Switch administriert, sondern die Datenströme in ihrer Gesamtheit. Die Switches selbst tauschen dann die entsprechenden Konfigurationsinformationen automatisch untereinander aus. Letztlich ist die Fabric, so Olaf Hagemann, Techniker bei Extreme Networks, "der Versuch, ein Netz nur noch als einen Hop darzustellen".

Schnellere Netze

Das Cloud-Computing hat laut Enterasys-Technikspezialist Markus Nispel noch eine andere Konsequenz: "Die Datenströme verlagern sich von den P2P-Client-Server-Beziehungen in Workgroups hin zu direkten Verbindungen zwischen Arbeitsplatz-PC und Server im Rechenzentrum beziehungsweise in der Cloud." Diese Veränderungen haben direkte Auswirkungen auf die benötigten Bandbreiten. 10 Gigabit Ethernet scheint an seine Grenzen zu stoßen, und mit 40 und 100 Gigabit Ethernet (GbE) stehen bereits die Nachfolger in den Startlöchern.

Leistungsfähigere Switches

Der Wechsel zu 40 oder 100 GbE betrifft aber auch die Switches selbst. Heute im Einsatz befindliche Switches mit 160 bis 240 Gbit/s schnellen Slots verfügen nicht über die für 100 GbE nötige Performance. Deshalb sieht Nispel in naher Zukunft bereits Chassis-Switches mit 500 Gigabit/s bis 1 Tbit/s. Der schnelle, non-blocking Weitertransport der Daten ist aber nur eine der Herausforderungen, die mit der Geschwindigkeitssteigerung auf die Switch-Bauer zukommen.

Gleichzeitig muss die Leistung der auf den Slot-Karten verbauten Prozessoren enorm gesteigert werden, wenn QoS- oder VLAN-Funktionen in Leitungsgeschwindigkeit arbeiten sollen. "Deshalb liegt die Frage nahe, ob es nicht Sinn gibt, ähnlich wie im RZ, Data- und Controlplane zu trennen", so Mathias Wietrychowski, System Engineer bei Cisco.

Denkt man diesen Gedanken zu Ende, könnte dies dazu führen, dass etwa Workgroup-Switches nur noch die Aufgabe eines "dummen" Pipe-Aggregators zukommt, vergleichbar mit den Multiplexern der 90er Jahre. Die eigentliche Intelligenz sitzt dann im Netz beziehungsweise in wenigen zentralen Switches, die gleichzeitig Controller-Aufgaben übernehmen. Ein Gedankenkonstrukt, mit dem fast alle Hersteller liebäugeln. Eher mittelstandsorientierte Produzenten wie Netgear oder D-Link fragen zudem, ob diese Zentralisierung für ihre Zielgruppe Sinn hat oder es nicht doch sinnvoller ist, Funktionen im Workgroup-Switch zu belassen.