"Der Browser-Krieg ist vorüber"

Netscape: Groupware und E-Mail sind die Killer-Apps

03.01.1997

"Der Browser-Krieg ist vorüber." Mit dieser Behauptung sorgte Shader, seines Zeichens Vice-President for Industry & Developer Relations bei Netscape, in der Stadt der Grachten für Stirnrunzeln und versuchte damit gleichzeitig, jegliche Diskussion über das monatelange Tauziehen um Marktanteile mit der Gates-Company zu verhindern. Auch das kürzlich noch von Netscape als "unfairer Wettbewerb" bezeichnete Bestreben des Quasi-Monopolisten, den "Internet Explorer" in das kommende Betriebssystem-Release von Windows zu integrieren, sei kein Thema mehr.

Nicht die Aktivitäten des "Wettbewerbers aus dem Norden" (Microsoft, Anm. d. Red.) beschäftigten derzeit die Netscape-Strategen aus dem kalifornischen Mountain View. Was 1997 wirklich zähle, seien die Killerapplikationen für das Intranet: E-Mail und Groupware.

Shader: "1995 war das Jahr des Internet, 1996 das Jahr des Intranet und 1997 wird das Jahr des Extranet." Was zunächst wie eine Begriffshülse anmutet, scheint für Netscape Handfestes zu beinhalten: Unter Extranets verstehen die Kalifornier unter anderem die Verbindung existierender Unternehmens-Intranets, die die Kommunikation zwischen Firmennetzen mit Hilfe von E-Mail- und Groupware-Paketen komfortabler gestalten soll.

Bereits heute gebe es rund 75 Millionen Internet-Mail-Anwender. Das entspreche einem Wachstum im Vergleich zum Vorjahr von 50 Prozent, zitierte Shader eine Studie des Marktforschungsinstituts IDC. "Das Geschäft mit den Browsern ist geradezu winzig im Vergleich zum Business mit E-Mail-Systemen", skizzierte der Netscape-Manager auf der Veranstaltung am Ijsselmeer die neue Marschroute seiner Company.

Offensichtlich hat sich Net- scape bei seinen Überlegungen von dem rasanten Erfolg sogenannter Push-Dienste wie Pointcast Network inspirieren lassen. Dabei handelt es sich um einen bislang recht erfolgreichen Service, der Anwender mit Schlagzeilen oder Nachrichten rund um das Weltgeschehen versorgt. Die Informationen stammen hauptsächlich von Zeitungen wie etwa der "New York Times" oder dem "Time Magazine" und werden bei jedem Einwählvorgang aktualisiert. Bislang, so Shader weiter, mußte der Anwender nach Informationen suchen in Zukunft würden die Informationen den User finden. Vor diesem Hintergrund habe Netscape kürzlich neue Produkte beziehungsweise Konzepte im Bereich E-Mail- sowie Groupware vorgestellt. Mit "Inbox-Direct" offeriert Netscape eine Art Mail-Dienstleistung. Ein Abkommen mit verschiedenen Providern ermöglicht es künftig, daß Nachrichten zu ausgewählten Themen kostenlos abonniert werden können und anschließend kontinuierlich - seit der neuen Version des Mail-Clients auch im Hypertext-Markup-Language (HTML-)Format zum Adressaten gelangt.

Das Internet-Frontend "Communicator" wiederum diene der effektiveren Diskussion zwischen Anwendern oder ganzen Teams und unterstütze das Network News Transfer Protocol (NNTP). Dabei würden die Informationen nach Art der Newsgroups sortiert, mit Notizen versehen und nach Wichtigkeitsgrad an die Empfänger weitergeleitet. "Alles basiert auf offenen Standards", warb Shader und verpaßte den seines Erachtens proprietären Konkurrenzprodukten "cc:Mail" und "Notes" von Lotus sowie Microsofts "Exchange" einen Seitenhieb.