Diebold Technologieforum '97

NC-Einsatz wird teilweise zu einer Rezentralisierung führen

19.12.1997

Seit der Begriff Total Cost of Ownership (TCO) durch die Unternehmen geistert, sind zunehmend die Kosten von Desktop-Arbeitsplätzen in den Mittelpunkt der Betrachtungen gerückt. Untersuchungen von Marktforschern wie Diebold und Gartner Group haben ergeben, daß nicht nur die Ausgaben für die Beschaffung von Hard- und Software steigen, sondern noch stärker die Kosten für Betreuung und Service. Ihre Folgerung: Einsparpotentiale können sich ergeben, wenn man die Freiheit des PC-Anwenders eingrenzt, sprich: die individuellen Erweiterungen unterbindet und die Betriebssystem- sowie Applikations-Updates zentralisiert.

In diese Richtung - Zentralisierung der Datenhaltung und Administration - zielen bekanntlich die Konzepte der NC- und der Net-PC-Anbieter. Allerdings sind die Vertreter der beiden rivalisierenden Gruppen - auf der einen Seite die Oracle/Sun/Netscape-Clique als Verfechter der betriebssystem- und prozessorunabhängigen Java-basierenden NCs, auf der anderen Seite Microsoft und Intel mit ihrer abgespeckten PC-Version, dem Net PC - mit ihren Aussagen zur TCO-Thematik in jüngster Vergangenheit in die Kritik geraten. Sie würden, so die Marktforscher von Forrester Research, mangels klarer TCO-Definition den Anwender irritieren und wollten ihm nur das Geld aus der Tasche ziehen wollten (siehe CW Nr. 39 vom 26. September 1997, Seite 55: "TCO-Diskussion ist wegen diffuser Definition wenig ergiebig").

Laut Diebold-Senior-Berater Dieter Sinn ist aber vielen Unternehmen sehr wohl bewußt, was sich hinter der TCO-Problematik verbirgt. Daß nämlich, so der Consultant, beispielsweise ein Mitarbeiter im Benutzerservice 30 Anwender betreut, was viel zuwenig sei: Das Ziel müsse "100 heißen". Die Konzerne hätten diese alarmierende Situation mittlerweile erkannt. Gleichwohl, räumt Sinn ein, würden die NC- ebenso wie die Net-PC-Anbieter die Debatten um die hohen Betreuungskosten von PC-Arbeitsplätzen tatsächlich zur Werbung für ihre jeweilige Produktstrategie nutzen.

Marketing-Geplänkel hin oder her - laut Sinn werden zur Zeit "erstaunlich viele NCs in deutschen Unternehmen getestet". Der Grund: Die IT-Abteilungen scheinen den NC als Terminalersatz angesichts der intensiveren Nutzung vor allem in bezug auf die stärkere Nutzung der unternehmensinternen Kommunikation via Intranets in Betracht zu ziehen. Nach Diebold-Erhebungen sind derzeit mehr als fünf Prozent aller Arbeitsplätze in Deutschland mit Terminals ausgestattet. Dies entspricht etwa 1,75 Millionen Geräten und bildet damit laut Sinn das Grundpotential für den NC. Würde er sich zudem gegen einen Teil der in den Unternehmen dominierenden PCs durchsetzen (laut Diebold nutzen etwa zehn Millionen Beschäftigte einen oder mehrere PCs), wären in Deutschland mittelfristig etwa drei Millionen installierte PCs realistisch.

Der Entscheider hat bei den NCs mittlerweile die Qual der Wahl. Das Angebot ist kaum mehr überschaubar und kein Standard zeichnet sich ab. Weder Sun mit der Javastation noch IBM mit der Netstation noch Oracle mit dem Network-in-a-box-Server haben bisher entscheidende Pluspunkte erringen können. Dabei sieht Sinn für den IBM-Ansatz "eine interessante Chance" - und dies nicht nur, weil er die 327x- und 52xx-Terminals ablösen könnte: "Wenn ein Großer sich mit einem Thema befaßt, dann hat das Signalwirkung." Zwar biete dieser meist nicht die fortschrittlichste Lösung, schaffe aber Sicherheit. Suns Javastation wiederum habe den Vorteil, die Anforderungen von zehn bis 30 Prozent aller Arbeitsplätze zu erfüllen, im besonderen monofunktionale und sicherheitssensible Aufgaben, und die einfache Fernversorgung mit Software spare Geld. Nachteil aller NC-Konzepte indes sei: Da auch weiterhin zumindest teilweise Microsoft-Programme benötigt werden, komme es zu Hilfslösungen - und so gegebenenfalls zur Rückkehr des komplexen Verwaltungsaufwands. Dennoch erscheint es Sinn trotz der noch mangelhaften Normierung bei NCs sinnvoll, das Network-Computing in die Architekturkonzepte einzuplanen. Allerdings sei damit zu rechnen, daß der breite Einsatz von NCs erst in zwei Jahren beginnt.

Dem Net-PC-Konzept von Microsoft und Intel hält der Diebold-Berater vor allem die direkte Ablauffähigkeit der Microsoft-Applikationen zugute. Basierend auf einem Microsoft-Betriebssystem und einem Intel-Prozessor seien Standards gesetzt, und mit dem Zero Administration Kit (ZAK) auf Windows NT biete Microsoft ein Softwarepaket an, bei dem Software und Daten zentralisiert werden und sich die Zugriffe auf das lokale System in verschiedenen Stufen für den Nutzer einschränken ließen. Allerdings, merkt Sinn an, sei die Komplexität nach wie vor vorhanden, wenn auch versteckt in einer "Verpackung". Und die Gefahr sei groß, daß der Anwender wieder zu abhängig von der zentralen DV werde. Deshalb sei ZAK allenfalls ein erster Wurf.

Ohnehin aber scheinen deutsche IT-Manager vom Konzept des Net PCs nicht sonderlich angetan zu sein (siehe CW Nr. 43 vom 24. Oktober 1997, Seite 47: "Die Seifenblase Net PC scheint zu zerplatzen"). Der Einsatz von Windows-basierten Terminals gewinnt zunehmend an Bedeutung, zumal nicht zuletzt die Citrix-Software Winframe, die auf dem Kommunikationsprotokoll ICA basiert, Windows NT endlich zur langersehnten Multiuser-Fähigkeit verhilft. Im Mai erwarb Microsoft die Lizenzrechte. Allerdings, schränkt Sinn ein, sei hier noch viel Entwicklungsarbeit nötig. Auch hinter die Performance müsse man ein Fragezeichen setzen. Die Reaktionszeiten seien teilweise schlecht.

Der PC wird nicht obsolet

Was immer aber auch an Konzepten in den Unternehmen realisiert wird, um durch eine verstärkte Rezentralisierung die Autonomie des End-Users gezielt einzuschränken und so zu Kosten- und damit Wettbewerbsvorteilen zu gelangen, der PC wird auch weiterhin seine Daseinsberechtigung haben. Wenngleich die Dezentralisierung eine unübersichtliche Heterogenität ausgelöst habe, der es nun wieder gegenzusteuern gelte, so seien die Unternehmen durch den Einsatz der PCs flexibler geworden, könnten Abläufe schneller ändern und individueller auf Kundenanforderungen eingehen. Deshalb müsse jeder Arbeitsplatz ebenso wie die verschiedenen Konzepte genauestens betrachtet werden. "Letztendlich", so das Fazit des Diebold-Beraters, "kommt es auf die richtige Balance an.

*Beate Kneuse ist freie Fachjournalistin in München.