Kommunikationskosten steigen rasant

Mobile Data macht arm

12.12.2013
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Dr. Carlo Velten schreibt als Experte zu den Themen Cloud-Platforms und -Developers, Enterprise Cloud Management und Digital Business. Dr. Carlo Velten ist CEO des IT-Research- und Beratungsunternehmens Crisp Research AG. Seit über 15 Jahren berät Carlo Velten als IT-Analyst namhafte Technologieunternehmen in Marketing- und Strategiefragen.
Die zunehmende Mobilität der Mitarbeiter lässt die Kommunikationskosten explodieren. Vor allem Roaming-Gebühren im Ausland schlagen enorm zu Buche. Lösungen zur Kostenkontrolle können helfen.
Foto: fotolia.com/Sergej Khackimullin

Endlich sind wir angekommen. Im mobilen Zeitalter. iPhone, Tablets & Co haben in kurzer Zeit eine neue Arbeitswelt und einen neuen mobilen Lebens- und Arbeitsstil entstehen lassen. Fast vergessen sind die Zeiten, als man in San Franciscos Mission District noch als Hipster galt, wenn man Samstag Morgens vor der Tartine Bakery nach einem Kaffee anstand, um stolz sein erstes iPhone und die ersten Apps zu präsentieren.

Mittlerweile gehört Nokia zu Microsoft, iPhones werden als Massenware im Mediamarkt angeboten und Tablets zählen zur Grundausstattung mobiler Arbeiter - egal ob als Vertriebsmitarbeiter, Service-Techniker oder Facharzt in der Klinik. In den Unternehmen haben die mobilen Endgeräte unter dem Schlagwort "ByoD" (Bring your own Device) Einzug gehalten. Keine Dienstreise mehr ohne Tablet und Smartphone. Die Anzahl der privaten und Business-Apps steigt ständig. Mit performanten mobilen Browsern und großen Displays macht das Surfen unterwegs erstmals richtig Spaß. Video-basierte Collaboration per Tablet bringt die Mitarbeiter näher zusammen. Und lässt sich viele Controller in den Unternehmen am Ende des Monats die Haare raufen. "Bill Shock" nennen die Amerikaner diesen Moment. Auch in mittelständischen und großen Unternehmen in Deutschland realisiert man langsam, dass die schöne mobile Arbeitswelt auch ihre Schattenseiten hat. Neben Security-Herausforderungen explodieren in vielen Branchen und Unternehmen derzeit die Kosten für die mobile Datennutzung.

Woran liegt das, wenn doch Mobilfunkverträge tendenziell günstiger werden? Und wie schafft man in Unternehmen die richtige Balance aus mobiler Freiheit und dem trotzdem notwendigen Kostenbewusstsein?

TABV? - Tablets, Apps, BYOD, Video

Nach Einschätzungen von Crisp Research wird sich das mobile Datenvolumen im Unternehmenskontext in den kommenden drei Jahren mehr als verdoppeln. Derzeit steigt das Datenvolumen in deutschen Unternehmen um rund 24 Prozent pro Jahr. Die wesentlichen Treiber sind:

• Steigende Verbreitung von Tablets im Außendienst beziehungsweise "off campus". Unternehmenseigene WLAN-Netze werden nicht genutzt, sondern die Daten über den Mobilfunkbetreiber abgerechnet.

• Über unternehmenseigene App-Stores werden verstärkt Business-Apps zur Verfügung gestellt und auch genutzt. Hinzu kommt die Nutzung privater und semi-privater Apps (etwa Xing, Linkedin etc.) auf dem Firmen-Device sofern diese zugelassen sind.

• Die Anzahl von mobilen Endgeräten und deren Vielfalt steigt weiterhin durch die Umsetzung des ByoD-Trends, der in vielen Unternehmen Einzug hält.

• Nicht in allen Unternehmen sind Video-Streaming-Dienste wie Youtube gesperrt oder beschränkt. Die Umsetzung von Collaboration-Strategien kann ebenfalls sehr datenintensiv sein, wenn viele Mitarbeiter Video-Conferencing mobil unterwegs nutzen.

All diese Trends lassen das mobile Datenvolumen steigen. Befinden sich die Mitarbeiter im Inland halten sich die Kosten für ein Überschreiten des vertraglich definierten Datenlimits noch im Rahmen. Doch wie sieht das bei vielreisenden Mitarbeitern aus, die als Ingenieure, Vertriebsmitarbeiter oder Manager viel im Ausland unterwegs sind?

Mobile Roaming Kosten explodieren! Was tun?

In den letzten 24 Monaten war die Debatte um das "mobile Unternehmen" maßgeblich von der Frage nach dem Management und der Absicherung der mobilen Endgeräte dominiert. Mobile Device Management (MDM) hat sich als eine der zentralen Produktkategorien beziehungsweise als eine der neuen IT-Management-Disziplinen etabliert. Die Frage nach der Überwachung und Optimierung der Kosten für die steigenden mobilen Datenmengen geriet dabei leicht aus dem Blick. Speziell wenn es um die Einsätze im Ausland geht, wo immer noch teils horrende Roaming-Kosten anfallen.

Beispielfall: Bei einem mittelständischen Fertigungsunternehmen mit 1.200 Mitarbeitern müssen rund 100 Manager, Account Manager, Fertigungsleiter und Ingenieure mehrfach im Monat ins außereuropäische Ausland reisen. Dabei erhöhen sich die Kosten für die mobile Datennutzung von rund 60 Euro pro Mitarbeiter ohne weiteres leicht auf 600-800 Euro pro Monat. Allein in einem Quartal fallen somit knapp 250.000 Euro für die Nutzung von E-Mail, Apps und Web-Browsing an - kein Pappenstiel! Doch wie reagieren? Eine restriktivere Mobile Policy kann schnell zu geringerer Produktivität und sinkender Mitarbeiterzufriedenheit führen - was gerade bei anstrengenden Auslandsreisen keine ausreichende Lösung ist. Welche zusätzlichen Lösungsmöglichkeiten gibt es auf der Technologieseite?

Mobile Data Management beziehungsweise Mobile Data Optimization

Komprimierung, Caching und Policy-Management sind die Stichwörter, wenn es darum geht dem steigenden mobilen Datenvolumen technologieseitig Herr zu werden. So bieten mittlerweile einige Technologie-Startups Lösungen an, die Unternehmen und Privatnutzern helfen, die Kosten für ihre mobile Datennutzung besser zu kontrollieren und zu reduzieren. Während das auf den Privatnutzer ausgerichtete Startup Onavo im Oktober von Facebook gekauft wurde, fokussiert sich Wandera dagegen auf Unternehmenskunden. Das von Bessemer Ventures finanzierte Startup aus London verfügt nicht nur über ein erfahrenes Gründerteam, sondern auch über eigene Kompressionsalgorithmen, Monitoring Features sowie eine einfach zu einzuführende Lösung. Während die Implementierung einer klassischen "Telecom Expense Management" Software (TEM) meist ein aufwendiges Projekt darstellt, müssen bei Wandera nur eine App auf die mobilen Geräte aufgespielt und ein Account angelegt werden. Der Rest läuft als cloud-basierter Service im Hintergrund ab, bei dem der Traffic durch die Wandera-Infrastruktur geschleust und komprimiert wird. Diese kann für große Konzernanwender alternativ auch in deren Rechenzentren betrieben werden.

Blackberrys Abgang - Das Vermächtnis auf der Telefonrechnung

Wenn ein treuer Freund verloren geht, tut dies meist weh. Im Falle Blackberry halten sich die Treuebekundungen allerdings in Grenzen. Ein Großteil der ehemals treuen Business-Nutzer hat den Umstieg auf iPhone oder die neue Generation an Windows Phones gut verkraftet. Doch auf den Telefonabrechnungen der Unternehmen hat Blackberry ein Vermächtnis hinterlassen. Denn der Umstieg auf die neuen Plattformen bedeutet gleichzeitig einen deutlichen Anstieg beim Datenvolumen, da bei iPhone & Co keine Datenkompression und Protokolloptimierung á la Blackberry mehr stattfindet. Crisp Research schätzt den Anstieg beim mobilen Datenvolumen auf den Faktor drei bis vier je nach Zielplattform.

Cloud Connectivity - Viele Wege führen in die Cloud

Crisp Research geht davon aus, dass Wandera und ähnliche Services in den kommenden Jahren an Gewicht gewinnen. Denn selbst im Fall sinkender Preise bei klassischen Inlandstarifen und der politisch angeordneten Absenkung europäischer Roaming-Kosten, steigt das mobile Datenvolumen derzeit schneller als die Preise fallen. Hinzu kommt, dass die exportstarke deutsche Wirtschaft immer stärker mit ihren ausländischen Produktionsstandorten und Dependancen vernetzt sein wird. Von einer Reduzierung der reisebedingten Roaming-Kosten ist also derzeit nicht auszugehen.

Nachdem Cloud Computing langsam erwachsen geworden ist und immer mehr Business Applikationen und Services aus der Cloud bereitgestellt werden, stellen sich nun Fragen hinsichtlich einer kosten-, performance- und sicherheitsoptimierten Access- beziehungsweise Cloud-Connectivity-Strategie für die Unternehmen. Nach Einschätzungen von Crisp Research werden sich in den kommenden 24 Monaten vollkommen neue Konstellationen im Markt für "Cloud Connectivity" ergeben. Neben dem Key-Player Deutschen Telekom werden innovative Akteure, wie beispielsweise Akamai, neue Wege in und durch die Cloud bereitstellen. Gute Zeiten also für kreative IT-Manager aus Mittelstand und Großunternehmen, die diese Wege richtig zu nutzen wissen. (jha)