Electronic Mail für Führungskräfte

Mit weniger Schulung wollen die Manager zum Ziel gelangen

19.04.1991

Unternehmen steigen erst zögernd von den klassischen Formen der Informationsübertragung wie Brief, Telex und Fax auf E-Mail und Online-Datenbanken um. Bereits jetzt ist das Angebot an Telekommunikations-Dienstleistungen vielfältig, doch nur wenige Führungskräfte setzen nach Auffassung von Susanne Schall* in der Praxis ihre PCs oder vernetzten Rechner für Kommunikationszwecke ein.

Trotz beachtlicher technischer Möglichkeiten fehlen Entscheidern häufig die Informationen, die sie gerade brauchen. Zudem ist der Informationsfluß im Unternehmen zwischen Zulieferern oder Kooperationspartnern oft umständlich und langwierig. Und nur für einige "Pioniere" im Management sind Kommunikationsanwendungen am PC schon genauso selbstverständlich wie Telefon und Fax.

Allerdings lassen überdurchschnittliche Wachstumsraten im Datenbankbereich und das immer breiter werdende Angebot an Telekommunikations-Dienstleistungen vermuten, daß künftig Manager in der Bundesrepublik vermehrt diese Möglichkeiten nutzen.

Information für Manager

Allen Hallberg, verantwortlich für Netzwerke bei 22 europäischen BBDO -Werbeagenturen (internationaler Agentur Id), sieht gerade im Management vielfältige Einsatzmöglichkeiten für E-Mail-Dienste. "Unsere Manager tauschen seit der Installation von Connect viel mehr Informationen aus und kooperieren ohne Zeitverlust" beschreibt Hallberg den entscheidenden Vorteil elektronischer Datenfernübertragung. "Die europäischen BBDO-Agenturen arbeiten mit E-Mail intensiver zusammen, und jedem Entscheider sind wichtige Informationen schnell zugänglich. "

Zusammenarbeit ohne Zeitverlust

BBDO betreut vor allem die Werbeetats international tätiger Unternehmen und startet zahlreiche länderübergreifende Werbekampagnen. Über 100 Führungskräfte nutzen bei diesem europäischen Agenturverbund das Connect Telekommunikationssystem. Über E-Mail halten die Manager und Etat-Direktoren länderübergreifende, "elektronische Konferenzen" ab und tauschen Informationen über aktuelle Planungen aus. Auf eine elektronische, agenturinterne Bibliothek, kann ein Etat-Direktor in Spanien genauso zugreifen wie ein Mediaplaner in Deutschland, um aktualisierte Planungen oder Adressen abzufragen. Allen Hallberg betont: "Spezialisten, die an ähnlichen Aufgaben arbeiten, lernen sich über E-Mail kennen und tauschen Informationen aus. Wenn mehrere Agenturen in Frankreich, Deutschland und Spanien an demselben Projekt arbeiten, können die zuständigen Mitarbeiter ohne Zeitverlust auf aktuelle Informationen zugreifen. Keine Arbeit wird gleichzeitig in mehreren Ländern doppelt getan."

Via E-Mail lassen sich ganze Konzeptionen oder Druckunterlagen, beispielsweise von Paris nach Frankfurt schicken, die dann vor Ort sofort weiterbearbeitet werden. Die Verbesserung des Informationsflusses auf Management-Ebene ist auch für Klaus Steinmetz, Systemingenieur bei EDS, Electronic Data Systems in Rüsselsheim, das wichtigste Ziel elektronischer Datenfernübertragung. Im Rahmen eines Pilotprojektes betreut Steinmetz für EDS derzeit 60 Nutzer seines an 30 Standorten in Europa tätigen Unternehmens.

Bei der von EDS betreuten PiIotinstallation nutzen in erster Linie die verantwortlichen Führungskräfte von ihrem PC oder Laptop aus das Telekommunikations -System. DV-Experte Steinmetz begründet das EDS-Engagement folgendermaßen: "Heutige Kommunikationsanwendungen wie Telefon, Fax und Telex sollen auf ein Minimum reduziert werden."

Mehr Information, mehr Kooperation

Doch damit sind die Einsatzmöglichkeiten des Dienstes bei weitem noch nicht ausgeschöpft. Steinmetz weiter: "Bereits jetzt werden Kalkulationen direkt als Dateninformationen via E-Mail verschickt. Und jedem Nutzer ist am jeweiligen Standort eine Vielzahl von Informationen auf entsprechenden Datenformaten zugänglich."

In einer weiteren Ausbaustufe ist geplant, auch Zulieferer zu integrieren. Darüber hinaus soll der Telecom-Dienst künftig beim Material-Management zum Einsatz kommen. Informationen über Einkaufskonditionen für verschiedene Produktgruppen stehen auf einem elektronischen Forum allen europäischen Managern dieses Unternehmens zur Verfügung. Entscheidungen, wo und zu welchen Bedingungen eingekauft wird, werden so für alle Beteiligten, von Stockholm bis Rom, transparent.

Doch kaum ein Manager hat Zeit, ein kompliziertes Programm zur Datenübertragung zu erlernen. Deshalb war für beide Unternehmen Benutzerfreundlichkeit und leichte Erlernbarkeit ein wichtiges Kriterium bei der Entscheidung für den neuen elektronischen Dienst.

Für Steinmetz stehen bei der Pilotinstallation die Bedürfnisse der Anwender im Vordergrund: "Die Benutzer wollen für alle Anwendungen eine grafische Benutzeroberfläche, die leicht zu bedienen ist."

Die Voraussetzung dafür ist jedoch, daß E-Mail und Datenbankanwendungen unter einer anwenderfreundlichen Benutzeroberfläche nach den gleichen Prinzipien bedient werden wie andere Programme auch. Connect gehört zu den Anbietern, die diese Anforderungen durch die PC-Version unter Windows und für Apple-Macintosh-Rechner ohne Abstriche erfüllt.

Kaum ein BBDO-Mitarbeiter, der das neue System benutzt, hat Schwierigkeiten, diese ungewöhnliche Art der Kommunikation zu akzeptieren. Es scheint, daß mit der aktiven Nutzung Vorbehalte schwinden. Zudem schätzen die Führungskräfte die Unabhängigkeit von Ort und Zeit beim Verschicken und Empfangen von E-Mail-Nachrichten und

- Informationen.

Wenn beispielsweise ein Mitarbeiter oder ein Zulieferer der Agentur schwer erreichbar ist, können ihm trotzdem Dokumente via E-Mail zugeschickt werden. Denn beim Versand ist nicht wichtig, wo der Empfänger sich aufhält, denn die elektronische Post wird erst einmal über den nächsten Datex-P-Knoten zum Connect-Zentralrechner in Kalifornien geschickt.

Der Empfänger kann dann diese Mitteilung jederzeit mit seiner ID, der persönlichen Benutzerkennung mit Zugangsberechtigung zum Netz, abrufen, egal ob er sich gerade in einer Telefonzelle in London, im Hotel in Madrid oder bei einem Kunden in einer hessischen Kleinstadt befindet. Er wählt lediglich mit Modem oder Akustikkoppler über das Telefon den nächsten Datex-P-Knoten an und kann dann zum Ortstarif die Mitteilung in seinen PC oder Laptop laden.

Keine hohen Anfangsinvestitionen

E-Mail bietet einem Unternehmen jedoch nicht nur Flexibilität im Sinne von Unabhängigkeit von Ort und Zeit, sondern auch Flexibilität bei der Investition für das Netz. Denn IDs werden ausschließlich nach dem aktuellen Bedarf erworben.

Steinmetz glaubt, daß besonders für mittelständische Unternehmen die Nutzung eines Telekommunikationsdienstes interessant sei, da hohe Anfangsinvestitionen entfielen. Die vorhandenen dezentralen Systeme könnten weiter genutzt werden, und mit Modem und Kommunikationssoftware läßt sich eine unternehmensweite oder gar weltweite Kommunikationsinfrastruktur aufbauen.

Schon mit einer Investition in Höhe von etwa 600 Mark für eine ID stehen einem Benutzer alle Dienstleistungen von E-Mail über Datenbankrecherche bis hin zur aktuellen Börseninformation zur Verfügung. Durch den Zukauf weiterer IDs kann er dieses Netzwerk jederzeit für eine größere Anzahl von Mitarbeitern ausbauen oder auch Lieferanten und Kooperationspartner ins Netz mit einbinden.

Ab zehn IDs für ein Unternehmen richtet Connect ein Forum mit Firmenlogo auf einer Partition des Zentralrechners ein. Dieses Forum kann dann zum weltweiten firmeninternen Informationsaustausch genutzt werden. Das Unternehmen entscheidet dann selbst, welche Informationen nur für Mitarbeiter zugänglich sind und welche Daten auch von anderen Benutzern abgefragt werden können. Im BBDO-Forum sind derzeit 100 Benutzer, bei dem von EDS betreuten Forum sind es etwa 60.

Information als Wettbewerbsfaktor

Im direkten Kostenvergleich mit traditionellen Diensten wie Briefe oder Telex und Fax schneidet E-Mail allemal besser ab. Da die empfangenen Dokumente sofort am PC weiterverarbeitet werden können, entfallen hohe Personalkosten für die erneute Dateneingabe.

Elektronische Kommunikation bietet auch dem Mittelstand zahlreiche Vorteile. DV -Experte Hallberg ist überzeugt: "Vor allem kleine und mittlere Unternehmen werden vom schnellen Informationsaustausch mit Kunden, Zulieferern und Kooperationspartnern

profitieren."