Intranet/Von der Verwaltung zur Produktion

Mit Internet-Techniken gegen die Brüche in der CAx-Welt

30.08.1996

In der Regel sind bestehende DV-Landschaften noch von einer Trennung in technische und kaufmännische DV geprägt. Innerhalb der technischen DV sind unterschiedliche Einzellösungen verschiedener Systemhäuser auf heterogenen Plattformen realisiert. Das Ergebnis sind funktionsspezifische Einzellösungen, die ein Mehrfaches des Standardpaketpreises kosten, sobald sie in ein Gesamtsystem integriert werden sollen.

Solche Einzellösungen behindern eine Funktionsintegration. Zu jedem System gehören spezifische Benutzeroberflächen, Dialogstrukturen und Endgeräte. Jedes einzelne erfordert Lern- und Qualifikationsaufwand. Sinnvoll kombinierbare Tätigkeiten wie die gemeinsame Erstellung von Arbeits- und Prüfplänen werden so erschwert.

Zusatzinformationen, die nicht direkt zur Leistungserstellung zählen, werden nicht informationstechnisch unterstützt. Sie liegen in der Regel in Papierform vor und werden durch einen Verteiler aktuell gehalten. Beispiele sind Firmennormen, zu verwendende geometrische Elemente bei der Konstruktion, Einkaufspreislisten, Briefvorlagen, die dem firmeneigenen Corporate-Design entsprechen etc. Verteilt vorliegende Dokumente bedürfen eines großen Aktualisierungsaufwandes, den viele Firmen durch aufwendige, zeitraubende und hauspostbasierte Verteilerstrukturen realisieren.

Im Moment versuchen einzelne Unternehmen, sich im Bereich Marketing und Vertrieb durch Online-Präsenz Wettbewerbsvorteile zu verschaffen. Doch auch in der Produktion entstehen rudimentäre Intranet-Anwendungen. Eine neue Möglichkeit zum Aufbau eines Unternehmens-Intranet, das bestehende Systeme einbindet, ist die Kombination von Intranet-Kommunikation und Architektur auf Basis des objektorientierten Standards Corba.

Bestehende Systeme und Netze lassen sich weiter verwenden. Eine Migration zu einem System verteilter Objekte fällt leichter. Der Ersatz von integrierten Altsystemen kann durch den Corba-Ansatz planvoll und schrittweise erfolgen.

Das Concurrent Engineering und die Einbindung der Zulieferer in die Produktentwicklung kann so einen bedeutenden Aufschwung erfahren. Ferner lassen sich der kaufmännische und der technische Bereich einfacher integrieren. Es können logische Verknüpfungen von technischen und kaufmännischen Daten vorgenommen werden.

Die indirekt produktiven Bereiche wie Engineering und die Produktionsplanung können unternehmensspezifisch neu zusammengesetzt werden und miteinander interagieren. So kann beispielsweise ein Arbeitsplan den Zugriff auf die zugehörige aktuelle Zeichnung und auf den entsprechenden Prüfplan erhalten. Im Bereich der Fertigung gilt dies auch für eine offene Steuerung, die auf NC-Daten, Arbeits- und Prüfpläne sowie Auftragsdaten zugreifen kann.

Wartungsarme Endgeräte im Preisrahmen von unter 1000 Mark sind momentan in der Entwicklung. Sie eröffnen die Möglichkeit, jene Bereiche der Produktion (Montage, Wareneingang, Versand), die bislang ohne PC und ohne Netzwerk arbeiten mußten, mit den Informationssystemen des Unternehmens zu verbinden.

Zum Aufbau eines integrierten Informationssystems im Unternehmen kommen bislang Methoden zum Einsatz, die darauf abzielen, ein Unternehmensdatenmodell zu erstellen. Die Problematik liegt in der Komplexität der Daten und in deren Zusammenhängen über miteinander verknüpfte Funktionen und Prozesse.

Ein neuer Ansatz verbindet Architektur und Kommunikation in einem Informations- und Kommunikationsmodell. Es beschreibt die im Unternehmen (langfristig) existierenden Business-Objekte und deren sinnvolle Abhängigkeiten. Ein Beispiel dafür sind Teilestammdaten, Auftrag, Arbeitsplan, Prüfplan etc. Die Business-Objekte müssen sauber abgegrenzte Datenobjekte sein, die bestehende Anwendungen verwalten und verwenden.

Wichtig hierbei ist, daß die Verknüpfungen (später realisiert über Hyperlinks) nicht auf Einzel-Objekt-, sondern auf Business-Objekt- Ebene beschrieben werden. Realisieren läßt sich eine solche Architektur mit einem Object Request Broker (ORB) als Manager und eingebundenen Altsystemen, die sich wie intelligente Agenten verhalten. Diese Agenten können als Zusatzapplikationen auf bestehenden Informationssystemen erstellt werden und bilden das "Gateway" zwischen Applikation und firmeninterner Kommunikation.

Die Realisierung eines Kommunikationssystems kann in folgenden Schritten geschehen:

-Business-Objekte bestimmen

-Kommunikationsmodell erstellen und logische Abhängigkeiten der Objekte sowie ihrer Services aufzeigen

-bestehende DV dem Kommunikationsmodell zuordnen

-Corba-konforme Architektur erstellen, welche die bestehende Unternehmens-DV integriert

-Browser-Oberflächen nach Unternehmens-Styleguide definieren

-Umsetzung der bestehenden Anwendungen in die Corba-Architektur sowie

-Erweiterung der Anwendungen über die logischen Zugriffe auf die Unternehmensdaten.

Die im Unternehmen auf Altsystemen laufenden Anwendungen werden zu intelligenten Agenten. Diese geben über die von ihnen verwalteten Datenobjekte Auskunft und administrieren ihre Datenbestände.

Mit der Entscheidung für den Aufbau eines Intranet werden neue Organisationseinheiten unverzichtbar. Das Aufbereiten, Verwalten und Pflegen von Informationen ist wohl einer der kritischsten und schwierigsten Aspekte im Intranet-Projekt. Es ergeben sich neue Aufgaben, die von Organisationseinheiten betreut und von einzelnen Personen gelöst werden müssen.

Wesentlich sind dabei die Bestimmung des Typs und der Quelle der Informationen, ihre Sammlung und Verdichtung sowie die Gestaltung einer Informations- und Dateistruktur mit vernetzenden Hyperlinks. Weitere Aufgaben umfassen das Editieren beziehungsweise Konvertieren in das Hypertext-Markup-Language- (HTML-)Format, die Anpassung an Veränderungen und Wachstum sowie die Sicherung der Ausgewogenheit zwischen Quantität und Qualität der dargestellten Informationen.

Die Gestaltung der Informationsstruktur ist wesentliche Voraussetzung für die spätere Skalierbarkeit bei Wachstum und die Anpassungsfähigkeit bei Änderungen. Die Strukturierung der Information verlangt Kenntnisse über Inhalt und Programmierung der HTML-Seiten sowie technische Gesichtspunkte wie Vergabe von Zugriffsrechten und Mißbrauchsschutz. Viele Organisationen beauftragen für diese Aufgabe sogenannte Web-Master.

Die Aktualität und Verfügbarkeit der Informationen muß regelmäßig überprüft werden. Diese Aufgabe fällt den sogenannten Gatekeepern zu. Sie überprüfen die einzelnen Inhalte und die diversen Hyperlinks auf jeder Seite. Diese Aufgabe darf nicht unterschätzt werden, denn sowohl falsche wie auch überholte Informationen wirken sich auf einem Online-Medium imagegefährdend aus.

Die Arbeit des Editierens oder Konvertierens der originären Informationen in das HTML-Format wird von den Docmastern geleistet. Layout und Art, in der die einzelnen Seiten aufbereitet werden, richten sich nach unternehmensspezifischen Richtlinien, die für alle ins Netz gestellten Seiten ein einheitliches Erscheinungsbild gewährleisten. Dieser Aspekt wird gemeinsam von der Web-Projektgruppe erarbeitet und dokumentiert (am besten gleich als Online-Styleguide in HTML). Der Erfolg des Projekts wird maßgeblich vom Zusammenspiel aller beteiligten Funktionsträger bestimmt und ist bei einem Web-Projekt durch Auswertungen der Zugriffsraten auf den Web-Servern direkt meßbar.

Für Planung und Aufbau der Web-Site bedarf es der Auswahl der Hardware für Server und Netzwerk sowie der Wahl der Softwarekomponenten für Betrieb und Online-Publishing. Folgende Optimierungskriterien müssen bei der Wahl von Server-Hardware und den Netzkomponenten berücksichtigt werden:

-Performance und Speicherkapazität

-Bandbreite entsprechend dem Datenaufkommen und der Nutzerdichte

-Überschaubarkeit der Administration sowie

-24-Stunden-Verfügbarkeit und Zuverlässigkeit des Supports.

Die Wahl der Software betrifft drei Komponenten - das Betriebssystem, den Web-Server und Publishing-Tools wie HTML- Editoren, Bildbearbeitungsprogramme und Konvertierprogramme. Die alles entscheidende Frage lautet: Auf welchem Betriebssystem wird der Server zukünftig laufen? Unix hält als Server-Betriebsystem den größten Marktanteil. Es gibt aber auch viele Server-Programme für Windows NT, Windows 95 und die Power-Macs.

Ist die Entscheidung zugunsten einer Plattform gefallen, folgt die Qual der Wahl einer Server-Software. Wesentliches Unterscheidungsmerkmal ist hier der Preis. Es hat wohl noch nie eine Zeit gegeben, in der so viel Business-Software kostenlos angeboten und genutzt wurde. Das heißt, man kann sich für frei verfügbare Server (zum Beispiel Apache, CERN, NCSA und viele andere) oder eine kommerziell vertriebene Anwendung entscheiden.

Um die heiß begehrten HTML-Seiten einstellen zu können, müssen diese Dokumente natürlich erst einmal gebaut werden. Dazu gibt es nützliche Tools, die das Editieren und Konvertieren der Seiten elegant ermöglichen.

Leider ändert sich der inoffizielle Standard des HTML schneller, als die Hersteller ihre Programme dementsprechend anpassen können. Andererseits ist dieses Phänomen genau der Erfolgsfaktor des Netzes: Die Entwicklungssprünge kommen quartalsweise, während sie früher nur alle drei bis vier Jahre zu erwarten waren. Laufende Neuerungen können Entwickler bei der koordinierenden Organisation für alle WWW-Standards online einsehen http://www.w3.org .

Das Modell

Am Fraunhofer-IAO entsteht bis Ende Oktober 1996 eine Modellfabrik zurProduktion von Elektrowerkzeugen. Darin unterstützt ein Intranet-basiertes Informationssystem den kompletten Montageprozeß. Besichtigungen und Veranstaltungen zum Thema Internet und Intranet finden vom 11. bis zum 14. November dieses Jahres statt. Nähere Informationen unter 0711/970 24 13.

Angeklickt

Trotz aller Bemühungen um standardisierte Schnittstellen sind die Gräben tief, die die Anwendungslandschaften in der kaufmännischen und der technischen DV trennen. Allein im CAx-Bereich existieren zahlreiche DV-Systeme nebeneinander, ohne wirklich in einem Maße integriert zu sein, wie es für die Entwicklungs- und Produktionskette wünschenswert wäre. Aus dem Internet stammende Techniken könnten in einem Produktions-Intranet einige Brücken bauen und auch die kaufmännischen Anwendungen enger einbinden. Doch die Crux einiger Internet-Techniken ist, daß sie nicht die Stabilität von Standards im herkömmlichen Sinne haben.

*Die Diplomingenieure Stephan Wilhelm und Thomas Linsenmaier sind Mitarbeiter des Fraunhofer-Instituts Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) in Stuttgart. Informationen zu Ihrem Arbeitsgebiet finden Sie auch im Internet http://fi.wop.iao.fhg.de ..