Kunden-Management

Mit Customer Insights näher an den Kunden

03.11.2014
Von 
Reiko Schlager ist Unternehmensberater bei der Cintellic Consulting Group.
Der Kunde steht wieder einmal im Blickpunkt vieler Unternehmensverantwortlicher. Es geht darum, seine Wünsche und Bedürfnisse kennenzulernen und möglichst passgenau zu bedienen. Die Daten dafür sind zwar da, doch es hapert daran, daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen.

Um aktuellen und künftigen Wettbewerbsanforderungen Stand halten zu können, müssen sich Unternehmen häufig noch stärker kundenorientiert ausrichten. Zwar verfügen sie heutzutage in der Regel über große Datenmengen an Kundeninformationen, diese zu analysieren und daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen, unterbleibt jedoch viel zu oft oder wird nur rudimentär betrieben.

Der Kunde steht wieder einmal im Blickpunkt vieler Unternehmensverantwortlicher.
Der Kunde steht wieder einmal im Blickpunkt vieler Unternehmensverantwortlicher.
Foto: vege - Fotolia.com

Customer Analytics schließt diese Lücke und bildet damit eine der wichtigsten Kernkompetenzen im wertorientierten Kundenmanagement. Dabei werden, überwiegend basierend auf dem bisherigen Kundenverhalten, wichtige Erkenntnisse für zukünftige Interaktionen mit dem Kunden generiert. Diese können Antworten auf vielfältige Fragestellungen liefern - sei es zu den Themen Kundenbindung, Cross-/Up-Selling, aber auch zu Kündigungs-Prävention, um nur einige zu nennen.

Customer Analytics im CRM-Kontext

Der Aufbau wertorientierter Kundenprozesse impliziert, dass das Verständnis vom Kunden für das jeweilige Unternehmen eine wesentliche Voraussetzung für eine erfolgreiche Kundenansprache darstellt. Die dafür notwendigen, sogenannten Customer Insights zu generieren, ist die Aufgabe von Customer Analytics. Im Sinne eines erfolgreichen Customer Relationship Management (CRM) schafft die Analyse - in einem steten und sich immer wieder erneuernden Kreislauf - die Voraussetzung für die Interaktion (Interaction) mit dem Kunden beziehungsweise dessen Weiterentwicklung (Improve). Für eine funktionierende Customer Analytics benötigen Unternehmen unterschiedliche Bausteine:

Die verschiedenen Bausteine von Customer Analytics
Die verschiedenen Bausteine von Customer Analytics
Foto: Cintellic Consultuing Group

Customer Analytics benötigt Daten

Ausgangspunkt einer jeden Analyse sollte sein, das vorhandene Datenmaterial zu sichten, um sich so einen Eindruck vom Datenhaushalt und dessen Qualität zu verschaffen. Bei dieser Datenanalyse werden mit statistischen Methoden aus vorliegenden Einzeldaten verwertbare Informationen gewonnen und tabellarisch oder grafisch dokumentiert. Die Datenanalyse beschränkt sich darauf, die in den Einzeldaten enthaltenen Informationen mit geeigneten Methoden zu straffen und zu verdichten. Sie hat daher ausschließlich beschreibenden Charakter und sorgt hauptsächlich für ein tieferes Kundenverständnis. Beispiele dieses deskriptiven Vorgehens sind die Auszählung von Kundendaten hinsichtlich einer Zielvariablen (z. B. Kündigung) oder die Beschreibung von Kundenprofilen. Die Datenanalyse schafft somit auch die Voraussetzungen, um Kundensegmente zu identifizieren, Data Mining Modelle zu entwickeln oder den Kundenwert zu berechnen.

Besondere Beachtung sollten an dieser Stelle Social-Media-Daten finden. Doch viele Unternehmen behandeln diese Datengattung immer noch viel zu stiefmütterlich. Der Grund: Offenbar unterschätzen viele Verantwortliche den Wert dieser Social-Media-Daten. Die allgegenwärtigen sozialen Netzwerke verändern die öffentliche Kommunikation gravierend und generieren gleichzeitig riesige Datenmengen, beziehungsweise in der Folge wertvolle Informationen, da sie einen Einblick in die kundeneigene Welt gewähren. Sogar die öffentliche Wahrnehmung von Produkten oder Dienstleistungen wird mittlerweile zu einem großen Teil von Tweets, Statusmeldungen und Co. beeinflusst.

Social Media Analytics hilft also dabei, das Verhalten und die Interessen der Kunden - auch fernab des eigenen Produktes - aus einem "ganz persönlichen Blickwinkel" kennenzulernen. Die Verfügbarkeit der Daten ist heutzutage gewährleistet über verschiedene Dienstleister oder eigene Tools zur Sentiment-Analyse - einem Verfahren zur vollautomatischen Auswertung von Texten nach Urhebern, Wertungen und Themen. Schließlich durchlaufen die so erhobenen Daten den bereits einleitend skizzierten Weg der Aufbereitung und Auswertung, bevor sie - angereichert zu den 'klassischen Daten' - helfen, mittels den nachfolgend beschriebenen Methoden, Segmente zu bilden oder bereits bestehende Scoring-Modelle zu verfeinern.

Customer Analytics ermöglicht Individualität

Da Kunden beziehungsweise Kundengruppen unterschiedliche Bedürfnisse aufweisen, greift eine Ansprache nach dem "Gießkannenprinzip" häufig zu kurz. Eine systematische Kundensegmentierung bildet folglich die notwendige Basis für alle weiteren Prozesse des Kundenmanagements. Nur so lassen sich Kunden effektiv und bedarfsgerecht ansprechen und betreuen. Ziel des Verfahrens ist es, aus der Gesamtheit aller Kunden in sich homogene Gruppen zu identifizieren, deren Mitglieder beispielsweise das gleiche Kaufverhalten zeigen oder sich hinsichtlich soziodemografischer Merkmale ähneln.

Es liegt nahe, dass sich die Gruppen bezüglich dieser Beschreibungs- beziehungsweise Gruppierungsmerkmale unterscheiden müssen. Für einfache Modelle genügt die Analyse des RFM-Wertes (Recency, Frequency, Monetary beziehungsweise letzte Käufe, Kaufhäufigkeit, Umsatz). Für komplizierte Modelle werden dagegen Hilfsmittel von der univariaten Analyse über die Faktoren- und Clusteranalysen bis hin zur logistischen Regression eingesetzt. Die Ausrichtung der Unternehmensaktivitäten auf die einzelnen Segmente ermöglicht es den Unternehmen, Kundenbedürfnisse besser zu befriedigen, was schließlich in eine höhere Kundenbindung und somit verbesserte Wettbewerbsfähigkeit mündet. Langfristig führt dies zu einer Steigerung des Umsatzes, da durch die zielgerichtete Ansprache des Kunden Responsequoten erhöht und so zum Beispiel Cross-Selling Potenziale besser genutzt werden.

Eine spezielle Art der Segmentierung bildet die Unterscheidung nach dem Kundenwert. Nicht jeder Kunde ist für ein Unternehmen profitabel. Das Spektrum der Wertigkeit eines Kunden erstreckt sich von "maßgeblich werthaltig" bis hin zu "Verlustkunden". Erstere tragen mit hohem Umsatz und einer langen Kundenbeziehung überdurchschnittlich zum Unternehmenserfolg bei, während bei Letzteren allein für die Beziehungspflege mehr Geld ausgegeben wird, als man an ihnen verdient. Um Marketingmaßnahmen optimal steuern zu können, ist es essenziell, unterschiedliche Wertigkeiten der Kundengruppen differenzieren zu können. Mit diesem Wertverständnis können zahlreiche Ansatzpunkte gefunden werden, um aus dem Wissen um den Kunden unternehmerischen Nutzen zu ziehen, zum Beispiel hinsichtlich des Timings oder der Häufigkeit von Maßnahmen. Damit gelingt es, das Marketingbudget deutlich zielgerichteter einzusetzen, also in der Folge Ressourcen und Kosten zu sparen. Typische Methoden zur Bestimmung des Kundenwerts sind die Kundendeckungsbeitragsanalyse, die ABC-Kundenanalyse, der Customer- Lifetime-Ansatz, die bereits oben angesprochene RFM-Methode oder das im Folgenden erläuterte Verfahren des Scorings.

Beim Scoring werden zusätzlich zu den "harten" materiellen Werten aus dem gesamten Kundenlebenszyklus auch "weiche" Faktoren berücksichtigt, die den Wert des Kunden für das Unternehmen ausmachen, zum Beispiel Loyalität und Weiterempfehlungsmaßnahmen. Dabei kommen häufig Verfahren des Data Minings zum Einsatz, die es ermöglichen, Muster im Kundenbestand zu identifizieren. Das erlaubt den Verantwortlichen, Wahrscheinlichkeiten für zukünftige Ereignisse berechnen und Entscheidungen objektiv unterstützen zu können. Typische Fragestellungen bei der Bildung von Scores sind beispielsweise Produktaffinitäten beziehungsweise Next Best Offer (Produkt- Empfehlungen auf Basis bereits erfolgter Transaktionen), Churn/Kündiger- oder Besitzwahrscheinlichkeiten.

Neben den bereits bekannten Vorteilen der Kundensegmentierung oder des Kundenwerts ermöglichen Scoring-Modelle eine noch effizientere Steuerung, was beispielsweise bei der erfolgreichen Kündiger-Prävention dazu führt, dass ein Abschmelzen des Kundenbestandes vermieden wird und somit Einsparungen im Bereich der Neukundengewinnung erzielt werden können.