Midrange-Rechner stehen vor Technologiewechsel Die Zukunft der AS/400-Linie scheint nicht mehr sicher zu sein

23.07.1993

MUENCHEN (CW) - Big Blues AS/400-Bestseller steht nach Meinung von Brancheninsidern vor einer ungewissen Zukunft. Einerseits erfreuen sich im Zuge des Schwenks zu Client-Server-Topologien Unix-Systeme zunehmender Beliebtheit, andererseits erscheint vielen Anwendern IBMs AS/400-Strategie nicht klar, zudem wenig ueberzeugend.

Im Juni 1988 hob die IBM ihre AS/400-Rechnerlinie aus der Taufe. Seitdem hat sie nach eigenen Angaben weltweit etwa 225 000 Systeme ausliefern koennen. 1992 hielten die blauen

Midrange-Rechner nach einer Studie des Marktforschungsinstituts International Data Systems (IDC) in puncto ausgelieferte Einheiten im Bereich "Small and Medium Size Systems" einen Marktanteil von 22 Prozent - mehr als die Digital Equipment Corp. (DEC) und die Hewlett-Packard Corp. (HP) mit ihrem Konkurrenzangebot zusammen.

Doch die Glanzzeiten scheinen fuer AS/400-Rechner vorbei: Die mit den Midrange-System erzielten Umsaetze fielen 1992 laut der IBM um zwei Prozent. Fuer 1993 erwartet Big Blue ein Nullwachstum.

Kratzer in der Politur des Topsellers resultieren - abgesehen von der allgemein rezessiven Stimmung in der Wirtschaft - vor allem aus dem Image mangelnder Zugaenglichkeit: Fuer viele Analysten ist die Offenheit der Unix-Systeme ausgemachte Sache, bei AS/400- Rechnern hingegen sehen diesbezueglich auch Anwender Defizite.

Jim Matsey etwa, IS-Direktor bei der Reynolds Metals Corp. in Richmond, Virginia, ist hinsichtlich IBMs Versprechungen zur Offenheit und zu den Client-Server-Faehigkeiten der AS/400 eher skeptisch: "Die IBM hat sich dieser Themen sehr spaet angenommen. Und bevor sie mir nicht konkrete Strategien statt Marketing- Versprechungen ueber die AS/400 vorlegt, bin ich im Zweifel ueber deren Client-Server- und Open-Systems-Vorstellungen."

Im September will Big Blue sich zu den angemahnten Punkten in einer AS/400-Ankuendigung aeussern. Offensichtlich scheinen sogar eingeschworene AS/400-Benutzer der Attraktivitaet von Unix verfallen zu sein: So zitiert die IBM in einem Werbevideo zwar die Litton Industries Inc. als ueberzeugten

AS/400-Anwender, der gerade von einem B50- auf ein F50-Modell hochruestet. Doch IS-Managerin Sue Cochran konzedierte, dass, koennte Litton noch einmal von vorne beginnen, man "wahrscheinlich" auf die Unix-Karte setzen wuerde.

Im Blickpunkt scheint fuer Anwender vor allem die relationale Datenbank der AS/400 zu stehen. Meint ein anderer US-Anwender: "Hier hat die IBM bislang immer ihren Know-how-Vorsprung ins Feld fuehren koennen. Aber mittlerweile haben sie gegenueber anderen Datenbankanbietern bezueglich neuer Features drei Jahre verloren."

Wuenschenswert sei, dass die AS/400 ueber referentielle Integritaet sowie Stored-procedures- und Trigger-Funktionalitaet verfuege. Nach Aussagen von Dick Kiscaden, bei IBMs Application-Business-Systems- Einheit (ABSfuer Client-Server-Loesungen zustaendig, sollen diese Charakteristika - die Oracle 7.0 bereits heute anbietet - im Lauf der kommenden 12 bis 18 Monate auch fuer die AS/400- Datenbankmaschine verfuegbar sein.

Verstaerkt werden die Unsicherheiten ueber die Zukunft der AS/400 durch Geruechte und Aussagen ueber technologische Wendemanoever zu neuen, erfolgversprechenden Architekturkonzepten: Nach Aussagen von Senior Vice-President John Thompson, dem General Manager der ABS-Geschaeftseinheit, soll der Sprung auf eine 64-Bit-Architektur vollzogen werden. "Ein Mikroprozessor, "so IBM-O-Ton, "der auf der Power-PC-Architektur beruht, wird fuer kommerzielle Anwendungen fuenffache Rechengeschwindigkeit bringen." Das hiesse ein Wechsel von der bisherigen 48-Bit- auf eine 64-Bit-Architektur.

Um die AS/400-Welt zudem fuer OS/2- und Windows-Applikationen empfaenglich zu machen, plane die IBM ferner, in zukuenftigen AS/400-Modellen Software-Emulationen einzusetzen.