Heißer Sommer: Deklassiert Jakarta Java zum kalten Kaffee?

Microsofts Teched stand im Zeichen des Internet

28.06.1996

In Nizza drehte sich die Teched vor allem um das Internet sowie seinen firmeninternen Vetter, das Intranet. Dementsprechend hätte die Veranstaltung auch "Internet/Intranet-Ed" heißen können: Nicht nur knapp 40 Veranstaltungen aus dem zugehörigen Teil, sondern auch die übrigen rund 160 Vorträge aus den Bereichen Enterprise, OLE und Distributed Component Object Model (vormals Network OLE), Messaging, Networking, Office sowie Visual Basic streiften das Netz der Netze, das Microsoft, wenn auch mit einiger Verspätung, voll und ganz entdeckt hat.

Entsprechend kämpferisch gab sich Bernard Vergnes, Senior Vice- President bei Microsoft Europe. Der Softwareriese will seinen Worten zufolge demnächst mit dem "Internet Explorer 3.0" zur ungeliebten Netscape-Konkurrenz aufschließen, um dann mit der Version 4.0 "noch einen Schritt weiter zu gehen". Eine Erklärung, wie dieses Überholmanöver in der Praxis aussehen soll, blieb der Manager schuldig.

Darüber hinaus versprach Vergnes, daß die Company innerhalb der nächsten 100 Tage ein wahres Feuerwerk an Internet-Add-ons abbrennen werde. Binnen dieser Frist sollen zahlreiche Zusatzprodukte wie verbesserte Mail- und News-Unterstützung, Telefonieren über das Internet und Whiteboard-Funktionalität ê la Intels Proshare in der Endfassung auf den Markt kommen.

Digitale Signaturen für alle Produkte

Derzeit sind sie noch als Betaversionen im Internet unter den Adressen " http://www.microsoft.com" sowie " http://www.microsoft.de" zu finden. Zudem halten digitale Signaturen bei allen Produkten Einzug, die Informationen über das Internet beziehen.

In Sachen Java bläst die Gates-Company, nachdem ihr Sun in den letzten Monaten die PR-Show gestohlen hatte, ebenfalls zum Angriff: Noch im August soll zu einem Kampfpreis der Java-Compiler "Jakarta" auf den Markt kommen, der neben der Entwicklung von Applets auch die Erstellung "normaler" Applikationen gestattet. Allerdings markiert der Runtime-Compiler gleichzeitig einen Wendepunkt in der Microsoft-Politik - die Zeit der kostenlosen Internet-"Giveaways" scheint sich dem Ende zuzuneigen. Das Tool, das die Geschwindigkeit der auf einem Client ablaufenden Java- Applets erheblich zu steigern vermag, wird voraussichtlich nur kostenpflichtig zu erwerben sein.

Angesichts der geballten Microsoft-Bemühungen, im Internet- Geschäft wieder die Oberhand zu gewinnen, zog ein Teched-Besucher, stellvertretend für viele, das Resümee: "Es ist wohl an der Zeit, Netscape-Aktien abzustoßen."

Ein Geheimnis anderer Art lüftete Brad Silverberg, Senior Vice- President Internet Platforms and Tools Division, in Nizza. Silverberg offenbarte erste Details in puncto Windows NT 5.0, besser bekannt unter dem Codenamen "Cairo". Verzeichnisse und Dateien werden in der nächsten Version als Objekte behandelt, denen sich ähnlich wie beim heutigen Exchange-Server detaillierte Eigenschaften zuweisen lassen. Die Unterstützung verbreiteter Namenskonventionen wie zum Beispiel X.500 erleichtere die Integration in vorhandene Umgebungen. Eventuell unterstützt der Neuling auch erweiterte Internet Directory Services, um die Nutzung populärer, derzeit über verschiedenartige Notationen ansprechbarer Dienste (FTP, WWW etc.) zu vereinfachen.