Versuchskaninchen im eigenen Haus

Microsoft stellt Smartcard-OS vor

15.10.1999
MÜNCHEN (CW) - Microsoft wird Berichten zufolge noch im November ein Windows-Betriebssystem für Smartcards auf den Markt bringen. Firmenchef Bill Gates sieht in den Plastikkarten einen gewaltigen Zukunftsmarkt.

Die Prognosen und Hoffnungen von Gates decken sich mit Aussagen der Analysten von Ovum, die eine Steigerung um den Faktor 15 in den nächsten fünf Jahren erwarten. Gegenwärtig seien rund 400 Millionen Smartcards im Umlauf, 2004 sollen es bereits sechs Milliarden sein. Da die Mikrochips auf den Karten ein abgespecktes Betriebssystem benötigen, will Gates mit einer neuen Windows-Variante den Markt angreifen, der von proprietären Systemen der Hersteller sowie Sun Microsystems ("Java Card") angeführt wird.

"Die Zeit für Smartcards ist gekommen", so Gates gegenüber 200 Managern aus der Branche. Geht es nach dem Microsoft-Chef, werden die Karten künftig beim Booten der PCs oder zum Speichern von Krankheitsinformationen genutzt. Und während in Europa die Kärtchen zumindest stellenweise bereits verwendet werden, biete der nahezu unbestellte amerikanische Markt große Expansionsmöglichkeiten.

Einer der Vorteile von Microsoft-Smartcards sind nach Aussage des Marketing-Managers Mike Dusche die niedrigen Kosten: Während eine Java-basierte Karte gegenwärtig mit rund 20 Dollar für den Herausgeber zu Buche schlägt, sei eine Redmonder Version bereits für zwei bis fünf Dollar zu haben. "Ein paar Pennies davon werden für das Microsoft-Betriebs-system gezahlt", so Dusche gegenüber der Zeitung "Seattle Times".

Den Presseberichten zufolge haben bereits diverse Unternehmen ihre Unterstützung zugesagt. Im Gespräch sind Chiphersteller wie Infineon Technologies, Kartenunternehmen wie Proton und Schlumberger sowie die British Telecom. Mit Gemplus will Microsoft Karten entwickeln, die sich in Mobiltelefonen einsetzen lassen. Erste Tests finden allerdings bei Microsoft selber statt: "Wir sind unsere eigenen Versuchskaninchen", so Bill Gates.