Kolumne

"Microsoft kauft sich neue Märkte"

01.10.2004
Heinrich Vaske Chefredakteur CW

Sich Bill Gates und Steve Ballmer mit Sorgenfalten auf der Stirn vorzustellen fällt schwer. Gerade erst hat das Magazin "Forbes" Gates als reichsten US-Bürger bestätigt, Ballmer besetzt immerhin Rang elf. Und doch haben die beiden dominierenden Figuren im weltweiten IT-Markt handfeste Probleme - die Rede ist nicht vom EU-Kartellprozess, der Open-Source-Herausforderung oder den andauernden Sicherheitspannen.

Es ist der Finanzmarkt, der dem Duo im Nacken sitzt. Seit mehr als zwei Jahren ging es mit der Microsoft-Aktie nicht mehr aufwärts. An der Wallstreet wächst die Ungeduld mit dem Konzern, der so viele Menschen reich gemacht hat. Ein milliardenschweres Sparprogramm und die Ausschüttung einer ungewöhnlich großzügigen Dividende konnten daran nichts ändern. Aus dem Titel ist jegliche Phantasie gewichen.

Sicher, der Office-Markt ist und bleibt für Gates 38; Co. ein Selbstläufer, auch das Windows- und Server-Geschäft hat der Softwareriese im Griff - aber das war vor fünf Jahren nicht anders. Das Erobern neuer Märkte ist dem Gespann an der Konzernspitze hingegen nicht besonders gut geglückt.

Etliche Milliarden hat Microsoft in seine Online-Sparte MSN, den Geschäftssoftware-Bereich Microsoft Business Solutions, den Sektor Mobile and Embedded Devices sowie die Xbox-Sparte Home and Entertainment gesteckt. Herausgekommen ist bislang wenig - zumindest gemessen an den hohen Ansprüchen, die das Unternehmen und seine Aktionäre an die Profitabilität stellen. Das letzte Quartalsergebnis fiel denn auch für Microsoft-Verhältnisse enttäuschend aus, noch schockierender wirkte für viele die Warnung vor weiterhin mäßigen Zahlen.

Für Microsoft gäbe es sicher genügend Möglichkeiten, die internen Probleme zu lösen. Denkbar wäre es beispielsweise, einzelne Geschäftsbereiche auszugliedern und mit entsprechender Liquidität an die Börse zu führen. Doch ein solcher Schritt würde das bisherige Erfolgsmodell auf den Kopf stellen: Seit Jahrzehnten kalkuliert Microsoft damit, in allen Bereichen die Vorteile der Integration seiner Technologien nutzen und so den Marktanteil ausweiten zu können. Je größer der Konzern jedoch wird, desto schwerfälliger und langsamer bewegt er sich mit dieser Philosophie.

Nun sollen offenbar Impulse von außen für Abhilfe sorgen. Übernahmen im großen Stil sind geplant, angesichts einer mit über 60 Milliarden Dollar gefüllten Kasse und einem Börsenwert von fast 300 Milliarden Dollar ist künftig niemand vor dem Softwaregiganten sicher. Microsofts Akquisitionshunger, den Finanzchef John Connors vor wenigen Tagen noch einmal kräftig unterstrich, könnte den Markt verändern.

Spätestens seitdem bekannt ist, dass Microsoft versucht hat, die Walldorfer SAP AG zu schlucken, dürfte klar geworden sein, dass auch die Anwender auf alles vorbereitet sein sollten. Eine Vielzahl von Great-Plains- und Navision-Kunden können ein Lied davon singen.