Microsoft entdeckt den schlanken Desktop

12.10.2009
Von Wolfgang Sommergut 
Windows Server 2008 R2, Windows 7 und MDOP enthalten alle Funktionen für einfache Installationen von virtuellen Desktops.

Microsoft entwickelte beziehungsweise kaufte im Lauf der letzten Jahre eine Reihe von Komponenten für sein Virtualisierungsportfolio. Bis dato verfügt das Unternehmen aber über keine vollständige VDI-Lösung. Dies soll sich mit der Einführung von Windows Server 2008 R2 ändern. Dieser enthält neben einem verbesserten Hypervisor auch einen Connection Broker. Kurz vor der Marktfreigabe des neuesten Windows-Servers schuf Microsoft zwei neue Lizenzpakete, die alle hauseigenen Produkte zum Aufbau einer VDI-Installation umfassen.

Aufgebohrte Terminaldienste

Den Kern der neuen VDI-Suites bilden die auf Remote Desktop Services (RDS) umbenannten und erweiterten Terminaldienste. Der schon bisher vorhandene Session-Broker, der Benutzer mit ihrer Sitzung auf dem Terminal-Server verbindet, ist nun auch in der Lage, als Connection Broker für virtuelle Desktops zu fungieren. Allerdings verfügt dieser nur über die Basisfunktionen, so dass für größere Installationen Produkte anderer Anbieter nötig sind. Microsoft empfiehlt bis dato XenDesktop, schloss aber auch eine Partnerschaft mit Quest. Das Unternehmen publizierte zudem ein API für den Connection Broker und lud Partner ein, dessen Funktionsumfang auf diesem Weg zu erweitern.

Wie schon bei den Terminaldiensten nutzt Microsoft das Remote Desktop Protocol (RDP), um Endgeräte mit dem zentralen Desktop kommunizieren zu lassen. Dieses wird zwar in der Version 7 aufgewertet, gilt aber speziell über schmalbandige Verbindungen als wenig leistungsfähig. Entgegen ursprünglicher Planungen steht RDP 7 nicht nur unter Windows 7 zur Verfügung, sondern erscheint im 4. Quartal 2009 auch für XP und Vista. Die mit der Übernahme von Calista Technologies erworbene Technik zur Virtualisierung des Grafiksystems soll in einer späteren Version von RDP zur Verfügung stehen. Auch hier springen derzeit Partner ein, um gerade die Multimedia-Fähigkeiten von RDP zu verbessern, beispielsweise Quest mit "EOP", Wyse mit "TCX" sowie Ericom mit "Blaze".

Nur Hyper-V unterstützt

Wie VMware unterstützt Microsoft mit seiner VDI-Software nur den eigenen Hypervisor, der mit Windows Server 2008 R2 in einer verbesserten Version ausgeliefert wird. Hyper-V erlaubt nun auch das Verschieben einer virtuellen Maschine auf einen anderen physikalischen Server während der Laufzeit ("Live Migration"). Allerdings reicht bei VDI nicht das manuelle Migrieren von Arbeitslasten, weil bei einer großen Zahl an zentralen Desktops die Anzahl der aktiven Benutzer stark fluktuieren kann, so dass die Virtualisierungssoftware selbst für eine optimale Auslastung der Ressourcen sorgen muss. Das als Add-on angebotene "Performance and Resource Optimization" ist indes kein vollwertiges Gegenstück zum "Distributed Resource Scheduler" von VMware. Hyper-V selbst setzt hier zudem noch einige Grenzen, etwa dadurch, dass pro physikalischem Host zu einem Zeitpunkt nur eine Live Migration ablaufen kann.

Zu den Nachteilen der Microsoft-Lösung zählen zudem, dass der Broker kein automatisches Provisioning von Desktops bietet, ältere Windows-Clients nur über das Web-Interface auf entfernte Desktops zugreifen können, ein eigener "Redirection Host" für die Zuteilung der virtuellen Rechner zu den Benutzern erforderlich und die Installation relativ umständlich ist.

Für die Trennung von Betriebssystem und Anwendungen, die Voraussetzung für ein von vielen Anwendern gemeinsam genutztes Windows-Image, bietet Microsoft App-V an, eine Software zur Anwendungsvirtualisierung. Außerdem besteht die Möglichkeit, ähnlich wie bei Citrix Programme über den Terminal-Server in den zentralen Desktop einzublenden.

Editionen

Die VDI-Suite gibt es in zwei Ausführungen, Standard und Premium. Beide sind nur über Volumenslizenzen zu beziehen.

Die Standard-Version enthält die folgenden Komponenten:

  • Hyper-V Server 2008 R2

  • System Center Virtual Machine Manager 2008 R2, System Center Operations Manager 2007 R2, und System Center Configuration Manager 2007 R2

  • Microsoft Desktop Optimization Pack (MDOP), das unter anderem App-V und MED-V enthält

  • Einen Connection Broker als Komponente von Windows Server 2008 R2 Remote Desktop Services

Die Premium-Edition enthält zusätzlich:

  • Die kompletten Remote Desktop Services, so dass neben zentralen Desktops auch Terminal-Sessions unterstützt werden.

  • App-V für Remote Desktop Services

Desktop-Virtualisierung

Der Begriff Virtual Desktop Infrastructure (VDI) beschreibt ein Konzept, bei dem die Client-Installation in virtuelle Maschinen auf dem Server verlagert wird. Der Benutzer greift von einem Endgerät (Thin Client, PC) auf seinen Desktop über ein Remote Display Protocol zu, wie es vom Terminal-Server bekannt ist. Die Beschränkungen dieser Protokolle bei grafisch anspruchsvollen Anwendungen sind derzeit eine der größten Schwächen von VDI. Neben dem Protokoll für die Interaktion mit dem entfernten Desktop gehören ein Hypervisor zur Bereitstellung der virtuellen Maschinen, ein Connection Broker, der Benutzer mit ihrem Desktop verbindet, sowie Management-Werkzeuge zu einer vollständigen VDI-Lösung.