Thema der Woche/Analysten glauben:

Microsoft-Einstieg bei Apple schadet Netscape und Sun

15.08.1997

Außerdem wird Microsofts "Explorer"-Software standardmäßig als Browser auf Macintosh-Rechnern implementiert. Darüber hinaus wollen beide Unternehmen bei der Entwicklung von Java-Werkzeugen zusammenarbeiten. Gates versprach ferner, in den kommenden fünf Jahren werde Microsofts Office-Suite in ebenso regelmäßigen Abständen und zeitgleich für die Macintosh- wie für die Intel-PC-Plattform entwickelt.

Außerdem formierte Apple seinen Aufsichtsrat komplett um: Katherine Hudson, Bernard Goldstein, insbesondere aber Mike Markkula verließen das Gremium, nachdem zuvor schon Delano Lewis und Ex-CEO Gilbert Amelio aus dem Board of Directors ausgeschieden waren. Insbesondere Markkula war in der Vergangenheit heftig umstritten gewesen. Er hatte Apples Firmengründung als Risikokapitalist wesentlich gefördert und war seit 1976 in verschiedenen Management-Positionen und im Aufsichtsrat bei Apple vertreten. Neu sind Steve Jobs, Oracle-Chef Larry Ellison und Bill Campbell, President und CEO des Finanzsoftware-Herstellers Intuit, sowie IBMs früherer Finanzchef Jerome York.

Wie insbesondere das Abkommen zur jeweiligen Nutzung von Technologiepatenten genau aussieht, scheint noch nicht endgültig geklärt. Peter Dewald, Geschäftsführer Apple Deutschland GmbH, sagte gegenüber der CW, es handle sich um eine weitreichende Patent- und Lizenzvereinbarung, die beiden Firmen das Recht zur gegenseitigen Verwertung von Patenten einräumt. Microsoft bekomme auf diese Weise Zugriff auf Technologien wie beispielsweise "Quicktime", die es schon immer gerne gehabt hätte: "Wir erhalten dafür Lizenzgebühren. Außerdem wird Apple in die Lage versetzt, Technologien als Industriestandard durchzusetzen." (Siehe das Interview auf Seite 8.)

Microsoft-Sprecher Thomas Baumgärtner äußerte allerdings, die gegenseitige Technologievereinbarung sei mit heißer Nadel gestrickt worden, die Einzelheiten seien noch nicht ganz klar.

Eine wegen des scheinbaren Verrats an den Apple-Idealen zum Teil sichtlich empörte Macintosh-Entwicklergemeinde auf der Macworld mußte sich von Jobs sagen lassen, die Zeiten seien vorbei, zu denen ein Apple-Triumph nur über eine Microsoft-Niederlage zu haben gewesen sei. Die Börse reagierte auf die überraschende Kooperation der beiden Marktkontrahenten eher unemotional und positiv. Die Apple-Aktie schoß nach den Neuigkeiten um 36 Prozent in die Höhe.

Auch Fachleute sind sich allerdings nicht sicher, wie das Technologieabkommen einzuschätzen ist. Emmanuel Lalloz, Analyst des in London beheimateten Marktforschungsinstitutes Context Computer Information Services, sagte, einerseits sei es positiv, von Microsoft finanzielle Zuwendungen zu erhalten. Sich aber zu eng an den Marktgiganten anzulehnen könnte sich als eine schlechte Politik herausstellen, die die Loyalität der Apple-Anwender sehr strapazieren würde.

Gates ist kein uneigennütziger Mensch

Lalloz gehört auch zu denjenigen, die Microsofts Interesse an der Kooperation mit Apple nicht in Zusammenhang mit der US-Kartellrechtsbehörde bringen. Überwiegend war nach den Offenbarungen von Jobs die Vermutung geäußert worden, Bill Gates versuche mit dem Apple-Deal, die Wettbewerbshüter zu besänftigen, die ein wachsames Auge auf den Quasi-Monopolisten hätten. Diese Theorie scheint aber nicht sehr überzeugend, hatte doch das US-Justizministerium im Sommer 1994 mit Microsoft einen Consent Decree geschlossen, der insbesondere die Lizenzierungspraktiken der Gates-Company zu reglementieren suchte. Das Thema Apple war während der seinerzeitigen Verhandlungen nie vorrangig diskutiert worden.

Lalloz hält die kartellrechtliche Argumentation denn auch für zu verschwommen. Er sagt, Microsoft sei fundamental an Apples Technologien interessiert, eine These, die ja auch Apple-Deutschland-Geschäftsführer Dewald indirekt bestätigte.

Auch IDC-Marktexperte Roger Kay glaubt nicht, daß Gates ein uneigennütziger Mensch ist: "Apple hat Technologien, die Microsoft gerne haben würde. Gates kann sich jetzt die Rosinen aus dem Kuchen herauspicken." Ganz nebenbei verdiene Microsoft ja auch weiterhin gut an der Office-Suite für die Mac-Plattform. Experten schätzen, daß Microsoft zehn Prozent seines Umsatzes mit Mac-Software erwirtschaftet.

Ganz im Gegensatz zu der Selbstbescheidung, die die Kartell-Argumentation unterstellt, kann Microsoft seine Marktstellung in einem wichtigen Bereich, dem Browser-Software-Segment, durch die Kooperation mit Apple sogar noch stärken, wie auch Dataquest-Analyst Chris Le Tocq meint: "Das ist ein echter Coup, den Microsoft da gelandet hat mit dem Explorer 4 als Standard-Browser auf der Macintosh-Plattform." Für Entwickler stelle sich jetzt die Frage, ob sie für Netscape und Java oder für den Explorer und Active X arbeiten sollten.

Java Virtual Machine stärkt Microsoft

Dataquest-Mann Le Tocq schätzt deshalb auch, daß die Java-Kooperation zwischen Microsoft und Apple ein schwerer Schlag für Sun und Netscape ist: "Die Java Virtual Machine wird nun auf Windows-Intel-Maschinen dieselbe sein wie auf Macintosh-Rechnern." Außerdem fürchten Experten, daß nun Microsofts Foundation Classes statt der Java Foundation Classes von Sun Microsystems eine dominierende Stellung erlangen könnten.

Mit der Macintosh-Plattform gewinnt die Gates-Company ein weiteres Terrain für die Explorer-Software: Damit kann sowohl Active X als auch Microsofts Distributed Object Model (DOM) gegenüber der konkurrierenden Common Object Request Broker Architecture (Corba) und dem Internet Inter-ORB Protocol (IIOP) am Markt gefördert werden. Letztere werden von Netscape, IBM, Sun und Oracle bevorzugt.

Während Microsoft nach Meinung von Analysten von dem Deal profitieren wird, ist Apples Schnitt völlig unklar. David Coursey, Herausgeber eines Industrie-Newsletters, argumentiert, die Unterstützung durch Microsoft garantiere das Überleben von Apple in keiner Weise: "Es wird Entwickler nicht dazu bringen, wieder Software für die Macintosh-Plattform zu schreiben.