Der Windows-Konzern begründet seine Berufung

Microsoft: Der Richter hat das Gesetz voreingenommen interpretiert

01.12.2000
MÜNCHEN (CW) - Microsoft wehrt sich gegen die richterliche Anordnung vom Juni dieses Jahres, das Unternehmen aufzuspalten. Auf den 150 Seiten der Stellungnahme für das Berufungsgericht greifen die Hausjuristen vor allem Richter Thomas Jackson an.

Nach Ansicht der Microsoft-Juristen hat Richter Jackson Wettbewerbsverstöße festgestellt, die im Gesetzestext nicht als solche definiert seien. Er habe zudem einen unzulässigen Zusammenhang zwischen dem Monopolismusgesetz und den Geschäftspraktiken des Softwareanbieters hergestellt und die Verfahrensregeln eigenmächtig verändert. Zudem habe das hohe Verfahrenstempo Microsoft unfair unter Zeitdruck gesetzt. Generell habe sich der Eindruck von Voreingenommenheit aufgedrängt.

Auch gegen den Hauptvorwurf, Microsoft missbrauche durch die Integration des hauseigenen "Internet Explorer" in Windows sein Betriebssystem-Monopol zum Aufbau eines zusätzlichen Browser-Monopols, wehren sich die Anwälte. Microsoft halte kein Monopol auf PC-Betriebssysteme, die Browser-Integration habe das Betriebssystem verbessert und den Wettbewerb in keiner Weise behindert. Eine Zerschlagung des Unternehmens sei daher nicht gerechtfertigt.

Gute Chancen für die BerufungAnders als bei den eher persönlichen Angriffen gegen die Methoden von Richter Jackson sehen US-Juristen in der Intepretation, Microsoft strebe nach einem Browser-Monopol, eine Schwachstelle der Anklage. So hatte sich ein Berufungsgericht schon einmal auf die Microsoft-Seite geschlagen und eine einstweilige Verfügung aufgehoben, in der dem Unternehmen die Integration von Browser und Betriebssystem untersagt worden war. Selbst Jackson hatte danach eingeräumt, dass Mitbewerber Netscape weiterhin in der Lage gewesen sei, sein Produkt zu vertreiben.

Tatsächlich stehen nach Informationen des "Wall Street Journal" die Chancen für Microsoft gut, dass die Berufungsinstanz das untergeordnete Distriktgericht aus Verfahrensgründen anweist, das Zerschlagungsurteil noch einmal zu überprüfen. Laut Rechtsprofessor William Kovacic hat Jackson bei seiner straffen Prozessführung zu viele Rechtsmittel abgewiesen. Falls das Verfahren tatsächlich noch einmal aufgerollt werde, so sagt Kovacic voraus, werde es wohl einen neuen Vorsitzenden geben. Schon jetzt spreche Jackson von dem Prozess, als sei er völlig unbeteiligt.

Das US-Justizministerum als Kläger hat bis zum 12. Januar Zeit, zu den Vorwürfen Microsofts Stellung zu nehmen. Bis dahin wird es eine neue US-Regierung geben - möglicherweise unter George Bush, dessen Republikanische Partei in dem Prozess bislang eher die Microsoft-Seite vertreten hat und generell einen weniger wirtschaftskritischen Kurs verfolgt als die Clinton-Administration.