Selten an der Spitze der technischen Entwicklung

Microsoft: Business as usual

07.02.2003
Wer Microsoft sagt, meint schon längst nicht mehr Betriebssysteme und Textverarbeitungs-, Tabellenkalkulations- und Datenbanksoftware allein. Microsoft, das bedeutet auch "intelligente" Armbanduhren und Kühlschränke sowie Spielecomputer. Seinen Profit erwirtschaftet das Unternehmen aber nach wie vor hauptsächlich mit angestammten Produkten.

Ein Blick auf die Akquisitionen der vergangenen zehn Jahre zeigt, dass die Gates-Company mit ihren Aufkäufen eine Produktstrategie verfolgt, die eindeutig auf die Verbesserung und Stärkung sowie den Ausbau der angestammten Produktfelder ausgelegt ist (siehe Kasten "Akquisitionen"). Die Umsatzverteilung auf die einzelnen Microsoft-Geschäftsfelder belegt, dass das Unternehmen nach wie vor einen Großteil seiner Einkünfte mit dem traditionellen Produktportfolio erarbeitet.

Im abgelaufenen Geschäftsjahr 2002 (Ende: 30. Juni 2002) verbuchte Microsoft einen Umsatz von 28,365 Milliarden Dollar. Der Nettogewinn betrug exorbitante 7,8 Milliarden Dollar. Nach der offiziell erst ab dem Geschäftsjahr 2003 geltenden Aufteilung in die folgenden Schlüsselsegmente gliedern sich die Umsätze auf in:

- "Client"-Systeme (hierzu zählen die diversen Windows-Ausprägungen). Mit diesen erwirtschaftete das Unternehmen im abgelaufenen Geschäftsjahr knapp 9,4 Milliarden Dollar.

- Mit "Information-Worker"-Produkten (das sind die Programme der Office-Suite) konnte der Microsoft-Vertrieb 8,2 Milliarden Dollar erlösen.

- Mit dem Angebot der "Server"-Plattformen (also SQL Server, Exchange Server etc.) setzte Redmond rund 6,2 Milliarden Dollar um.

- Die Sparte "Home and Entertainment" (Videospiele und Personal-Productivity-Suiten wie "Works" sowie auch die "Encarta"-Enzyklopädie; auch die "Xbox" gehört in diese Sparte) brachte es immerhin auf 2,4 Milliarden Dollar Umsatz.

- Die Geschäftsdivision "MSN", die den Online-Dienst, die Tätigkeiten von Microsoft als Independent Software Vendor (ISV) sowie die Inhaltelieferung umfasst, erwirtschaftete knapp 1,58 Milliarden Dollar.

- "Business Solutions" (hierzu gehören die zugekauften Anwendungen von Great Plains sowie von Navision-Damgaard und eigene Applikationen etwa wie das Order-System "MS-Market") erbrachten weltweit einen Umsatz von 308 Millionen Dollar. Das sind knapp 1,1 Prozent des gesamten Umsatzes von Microsoft.

- Die mit einigem Fanfarenklang beworbenen mobilen Geräte samt der hierfür entwickelten Software wie Windows CE zeichneten für 68 Millionen Dollar Umsatz verantwortlich.

Diese Zahlen machen deutlich, was auch Pressesprecher Thomas Baumgärtner bestätigt: Microsoft konzentriert sich vor allem auf die Tätigkeitsfelder, mit denen es groß geworden ist. Im weitesten Sinne sind dies Softwareapplikationen, die zwar von fast allen Privatanwendern genutzt werden, besonders aber im kommerziellen Umfeld ihren Einsatz finden.

Wiewohl vergleichsweise mit winzigem Umsatz zeigt Microsofts Division Business Solutions recht gut, wie das Unternehmen über gezielte Zukäufe bestehende Kunden mit einem weitergefassten Produktportfolio fester an sich zu binden sucht. Business Solutions will kleine und mittelständische Unternehmen mit Applikationen für Finanzabwicklungen ebenso wie mit Projekt-Management-Tools, Business-Intelligence-Werkzeugen, Supply-Chain-Management-(SCM-)Lösungen oder Projekt-Management-Software bedienen und in Microsofts .NET-Strategie einbinden.

Zusätzliche Aktivitäten in neuen Aufgabenfeldern (Smart Displays und -Handys, Tablet PC, Smart Personal Objects Technology) dienen Microsoft vor allem dazu, neue Märkte zu testen und sich im Erfolgsfall festzusetzen. In den vergangenen acht Jahren ist Microsoft allein rund 150 Beteiligungen und Kooperationen mit Unternehmen der unterschiedlichsten Industrieausrichtungen eingegangen. Hierzu gehören Telco-Dienstleister genauso wie Nachrichtensender (NBC, ZDF), Technologieanbieter zur Verkabelung von Privathäusern, Breitband-Provider, Kabelanbieter, Internet-Musikvertreiber etc.

Hochfliegende Pläne

Nicht immer geht das gut. So hatte Microsoft im wahrsten Sinn des Wortes hochfliegende Pläne, als es in das Geschäft mit Satelliten einstieg. An der in Seattle, also nahe dem Redmonder Microsoft-Hauptquartier beheimateten Teledesic ist Bill Gates als Hauptaktionär beteiligt. Teledesic sollte das "Internet in the sky" wahr machen und Microsoft mit einer weltweiten, satellitengestützten Handy-Kommunikation neue Geschäftsfelder öffnen, die weit über das bisher angestammte Aktionsfeld der Betriebssysteme und Office-Anwendungen hinausreichen würden, dabei aber deren Entwicklungen nutzen könnten.

Die Investitionen in das Großprojekt waren denn auch nicht von Pappe: Fast neun Milliarden Dollar sollte das Satellitennetz kosten. Doch es ist still geworden um diese Pläne. Technische Probleme waren ein Grund, warum das Projekt heute auf Sparflamme kocht.

Seltenes Erlebnis

Auch nicht erfolgreich endete Mitte der 90er Jahre der Versuch, mit "Microsoft at Work" eine Kommunikationsebene für alle vernetzten Geräte zu schaffen. Mit diesem Versuch des unternehmensweiten Datenflusses zwischen verschiedensten Endgeräten scheiterten allerdings auch Novell, Sun und Hewlett-Packard.

Zum (vorläufigen) Flop geriet zudem der Einstieg ins Mobilfunkgeschäft. Anfang November 2002 wollte der Softwaregigant nach mehreren Anläufen mit dem Smartphone "Z100" auf Basis von Microsofts Software "Windows for Smartphone 2002" herauskommen und nebenbei den Handy-Marktführer Nokia das Fürchten lehren.

Als Hardwarepartner entschied sich Microsoft für den britischen Endgerätehersteller Sendo, an dem es sich mit zehn Prozent beteiligte. Unmittelbar vor der Markteinführung platzte der Deal, Sendo lief ins Lager von Nokia über und hat jetzt eine Lizenz für den Bau von "Series-60"-Handys der Finnen, die auf dem "Symbian"-Betriebssystem laufen. Microsoft ist um die Erfahrung reicher, wie es ist, sich mit einem Marktführer anzulegen und zu unterliegen - ein bisher eher seltenes Erlebnis.

Vor genau einem Jahr beendete Microsoft einen anderen Ausflug auf unbekanntes Terrain und verkaufte seine Mehrheitsanteile an Expedia Inc., Entwickler der gleichnamigen Internet-Touristik-Plattform.

Der Einstieg ins Kabelgeschäft zeitigte bislang, wie die Beteiligung etwa am britischen Kabelanbieter Telewest belegt, ebenso wenig erkennbare Ergebnisse wie die massiven Beteiligungen an Breitbanddienstleistern.

Obwohl nach eigenem Bekunden der Datenaustausch via "Breitband-Internet" zu den erklärten Zielen Microsofts gehört, gesteht das Unternehmen ein, dass die eigenen Milliarden Dollar schweren Investitionen auf diesem Feld noch keine Früchte tragen. Hierzu zählen Partnerschaften etwa mit dem südkoreanischen Telco-Provider KT zur Etablierung von Voice-over-IP-Diensten und Breitband-Internet-Zugängen oder dem japanischen Kabelfernseh- und Internet-Anbieter Titus Communications sowie dem israelischen Internet-Breitbandanbieter via Satelliten, Gilat Satellite Networks Ltd.

Pilotprojekte in Privathaushalten scheiterten

Auch mit der Portugal Telecom SA schloss Microsoft im März 1999 ein Abkommen, um in dem südeuropäischen Land via Breitband interaktives Fernsehen und Datenservices anzubieten. Eine im Mai 1999 vereinbarte Kooperation mit AT&T sollte Millionen von US-Bürgern über Settop-Boxen und Breitbandkabel neue Formen der Kommunikation, Information und Unterhaltung in die Haushalte bringen. Ein Pilotprojekt in drei amerikanischen Städten allerdings scheiterte und wurde schließlich sang- und klanglos aufgegeben.

Ungeachtet solcher Rückschläge hat Microsoft sich als zentrale Elemente seiner digitalen Zukunft verschiedene Technologie- und Geschäftsfelder auf die Fahne geschrieben: Neben den Aktivitäten für das "Breitband-Internet" ist auch das Thema "Wireless", also der drahtlose Austausch von Daten, Bildern und Videos für Microsoft - wie für viele andere Anbieter - von hohem Interesse. Ferner sollen Produkte wie der Windows Media Center (WMC) PC für neue Umsatzquellen sorgen. Hierbei handelt es sich um eine von Microsoft vorgegebene Rechnerdefinition. So muss ein WMC-PC unter vielem anderen über eine Fernbedienung, einen TV-Tuner und eine Festplatte verfügen. Gebaut werden solche Systeme von Original Equipment Manufacturers (OEMs) wie Hewlett-Packard, Toshiba und Viewsonic - allerdings vorerst nicht für den europäischen Markt.

Smart Personal Objects Technology - Spot und hot?

Microsofts Präferenz - zumindest was das Marketing betrifft - richtet sich allerdings seit einigen Monaten voll auf ein Schlagwort aus: Smart Personal Objects Technology (Spot). Dazu gehören Windows-basierende Smart Displays und Smartphones sowie Microsofts Tablet PC und die für den Herbst 2003 geplanten Armbanduhren mit integrierter Spot.

Erstmals präsentiert wurde das Konzept auf der International Consumer Electronics Show (CES) Anfang Januar 2003 in Las Vegas. Spot, das sind kleine Intelligenzhäppchen in Gerätschaften wie eben Armbanduhren (Citizen, Fossil) oder "intelligenten" Kühlschränken. Technische Basis ist ein Embedded-Betriebssystem von Microsoft sowie ein von National Semiconductor entwickelter Chip. Spot nutzt Kurzwellen- oder Wifi-Übertragungsfrequenzen (Wifi = Wireless Fidelity), um etwa Wetterdaten, Sportergebnisse oder andere mehr oder weniger hilfreiche Informationen auf Armbanduhren und andere so genannte Gadgets zu übertragen.

Spot ist, wie Microsoft sagt, eine "innovative" Entwicklung, die eine neue Hardwaregeneration begründen soll. Wie schon bei der Entwicklung der Pocket-PC-Plattform zielt Microsoft auch damit auf eine umfassende Technologienutzung. Das heißt, Spot-basierende Entwicklungen werden nach dem Willen der Gates-Company nicht nur in Consumer-Produkten Einzug halten, sondern auch in Anwendungen aus dem Geschäftsumfeld. So zumindest schildert es Baumgärtner. Zunächst werde man Spot in Consumer-Anwendungen testen. Es hänge dann von der Reaktion des Marktes ab, ob Spot-gestützte Applikationen auch für das kommerzielle Umfeld entwickelt würden. Das Beispiel Pocket PC habe bewiesen, dass es auf Dritthersteller ankomme, ob eine von Microsoft zur Verfügung gestellte technologische Infrastruktur angenommen und auch für geschäftswichtige Anwendungen genutzt werde.

Jan-Bernd Meyer, jbmeyer@computerwoche.de

Akquisitionen (Auswahl)

Navision-Damgaard: kommerzielle Software

Ncompass Labs: Web-Content-Management-System

Great Plains Software: kommerzielle Software für den Mittelstand

Pacific Microsonics Inc.: digitale Audiotechnik

Mongo Music: digitale Musikvertriebstechnologie

Driveoff.Com: Wiederverkaufs-Website für Autos

Peach Networks: digitale TV-Technologie und TV-Services

Entropic: Spracherkennung

Softway Systems: Interoperabilitäts-Tools für Unix und Windows

Visio: Analyse- und Diagramm-Tools für Office-Applikationen

Zoomit: Meta-Directory-Software für Active Directory

Link Exchange: Entwickler von Online-Marketing-Services

Valence Research: TCP/IP-Lastausgleichs- und Fehlertoleranzsoftware

The Mesa Group: Migrations-Tools und Dienste für Notes auf Exchange Server

Firefly Network: Entwickler von Trusted-Software für das Internet

Linkage Software: E-Mail-Connectivity und Directory-Synchronization

Cooper & Peters: objektorientiertes Benutzer-Schnittstellen-Framework für Java/Smalltalk

Dimension X: Java-basierendes Multimedia-Authoring-Tool

Intersé: Analyse-Tools für Internet-Markteinschätzungen

Resnova Software: Web-Server-Software für die Macintosh-Plattform

Panorama Software: Olap-Technologie für Enterprise-Information-Systems- und Entscheidungsfindungsanwendungen

Colusa und Aspect: unter anderem (Aspect) Datenbank-Connectivity via Internet