Microsoft bündelt seine Kräfte

26.09.2005
Aus sieben Divisionen macht der Windows-Anbieter drei, um interne Synergien besser nutzen zu können.

Der weltgrößte Softwarekonzern Microsoft will seine Unternehmensstruktur gründlich umbauen. Künftig soll es die drei Geschäftsbereiche "Business Division", "Entertainment & Devices" sowie "Platform Products & Services" geben. Unternehmenschef Steve Ballmer sagte, ein wesentlicher Antrieb für die Neuordnung sei der Trend zu softwarebasierenden Services. Der Microsoft-Boss erklärte ferner: "Wir sind nicht die einzigen, die versuchen werden, Software mit einer Service-basierenden Komponente anzubieten. Wir müssen hier aggressiv und schnell sein." Alle Software müsse als Service verfügbar sein - dafür wolle man mit der Restrukturierung ein Fundament legen.

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warum Microsoft sich organisatorisch neu aufstellt;

welche Rolle MSN in der neuen Windows-Unit spielen soll;

warum Business-Software und Office zusammengeführt werden;

welche Ziele die Entertainment-Sparte verfolgt.

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Robe Enderle, Principal Analyst bei der Enderle Group

Microsoft war in den vergangenen zweieinhalb Jahren wie erstarrt. Das Unternehmen hat nur noch wenig Neues aus der Tür gebracht. Ein großes Hindernis war die schlechte Zusammenarbeit der bisherigen Unternehmenseinheiten. Um beispielsweise in der Entertainment-Sparte eine tragbare Spielekonsole herauszubringen, hätten verschiedene Sparten eng zusammenarbeiten müssen. Das sei kaum möglich gewesen. Mit drei Presidents, die Ballmer direkt unterstellt seien, steige die Wahrscheinlichkeit, Synergien bilden zu können. Microsoft habe sich sinnvoll umgebaut.

Ted Schadler, Vice President bei Forrester Research

Die drei Unternehmenseinheiten werden weitgehend autonom agieren können und sind eindeutig auf den Kunden ausgerichtet. Ballmer wird sein Augenmerk auf die langfristigen Marktziele der jeweiligen Business-Units lenken, die Presidents hingegen können Koordinationsfunktionen übernehmen und kurzfristige Ziele anpeilen.

Dan Kusnetzky, Vice President System Software Research bei IDC

Microsoft verfolgt schon seit einiger Zeit ein mehr Service-orientiertes Geschäftsmodell. Die Idee, Software nicht länger als Produktpaket, sondern als Service über das Netz zu vermarkten, ist im Unternehmen keineswegs neu. Allerdings hat Microsoft mit vielen Kunden zu tun, die eher traditionell orientiert sind und denen die Vorteile neuer Vertriebswege erst erklärt werden müssen. Sie zu etwas zu zwingen, das sie nicht verstehen, ist gefährlich - diese Erfahrung hat Microsoft selbst mit seinem Lizenzmodell Software Assurance machen müssen.

Bei Microsoft weiß man seit langem, dass die Strategie, Software als Produkte zu verkaufen und regelmäßige Upgrades anzubieten, auf Dauer nicht mehr verfängt. Eine Vielzahl Web-affiner Anbieter, darunter auch Google oder Salesforce.com, nutzen das Internet, um Kunden sehr schnell mit neuen Services bedienen zu können. Das will auch Microsoft schaffen.

Andererseits geht es dem Unternehmen darum, seine zunehmend bürokratischen Strukturen aufzubrechen und Kommunikationswege zu verkürzen. Microsoft war zuletzt nahezu zeitgleich in Artikeln der großen US-Wirtschaftsmagazine "Business Week" und "Forbes" heftig kritisiert worden. Beispielsweise hieß es in Forbes: "Microsoft, mit 40 Milliarden Dollar Jahresumsatz und 60 000 Mitarbeitern, ist unbeweglich und bürokratisch geworden." Mitarbeiter beschreiben endlose Strategie-Meetings und Powerpoint-Schlachten sowie Grabenkämpfen zwischen Unternehmenseinheiten.

Mit den drei neuen Konzerneinheiten, denen jeweils Topmanager im Rang eines President vorstehen, soll alles anders werden. Den Bereich Platform Products and Services, in dem das Windows-Geschäft einschließlich Client- und Server-Systemen sowie den Tools und der Online-Sparte MSN zusammengeführt werden, sollen Jim Allchin und Kevin Johnson vorerst gemeinsam leiten. Offenbar spekuliert Microsoft damit, MSN vermehrt als Distributionskanal für Windows-Produkte und -Erweiterungen nutzen zu können.

Allchin, derzeit noch verantwortlich für die Windows-Sparte, will nächstes Jahr nach Veröffentlichung der neuesten Windows-Version "Vista" in den Ruhestand treten. Dann wird Johnson die Unit leiten - er hatte erst vor kurzem in der Funktion eines Group Vice President die Verantwortung für den weltweiten Microsoft-Vertrieb übernommen. Die Business Division soll sich um Office-Produkte und die gesamte Palette an Geschäftssoftware einschließlich der an kleine und mittlere Unternehmen gerichteten ERP- und CRM-Produkte kümmern. Sie umfasst also die bisherigen Sparten Information Worker und Microsoft Business Solutions. Verantwortlich wird Jeff Raikes, bislang als Group Vice President für das Office-Geschäft zuständig.

Vorbereitung für ERP-Offensive

Microsoft ist derzeit dabei, seine vielfältigen, überwiegend zugekauften kaufmännischen Programme in eine gemeinsame, auf .NET basierende ERP-Lösung zu überführen. Die Produkte werden künftig unter der Bezeichnung "Dynamics" vermarktet und mit einem Kürzel versehen, das auf ihren Ursprung verweist. So heißt "Axapta" künftig "Dynamics AX" und "Navision" wird in "Dynamics NAV" umgetauft. Auch Microsofts CRM-Software ("Dynamics CRM") ist von der Nomenklatur betroffen.

Im Zuge dieser Reorganisation gibt die Verschmelzung mit dem Office-Bereich Sinn: So wie die Office-Produkte im Rahmen des gemeinsam mit SAP verfolgten "Mendocino"-Projekts als Front-end der MysSAP-Suite Verwendung finden sollen, so werden sie auch in Microsofts Business-Applikationen eingebunden.

Mit Robert Bach schließlich übernimmt der Mann, der die Xbox erfolgreich gegen Sonys Playstation positionierte, die neue Sparte Entertainment and Devices. Hier sind die bisherigen Geschäftseinheiten Home and Entertainment (Xbox), Mobile und Embedded Devices zusammengefasst. Zu den Herausforderungen von Bach wird es unter anderem gehören, Marktanteile im Markt für Mobile-Betriebssysteme zu gewinnen und erfolgreiche Angebote gegen Apples iPod zu etablieren.

Marketiers am Ruder

Die Chefs der drei Unternehmensbereiche haben - mit Ausnahme von Allchin - ihre Karrieren jeweils ebenso wie Unternehmenschef Ballmer in Vertrieb und Marketing gestartet. Branchenbeobachter werten die Berufungen als Indiz dafür, dass Microsoft vor allem hier Gas geben möchte und den Verkauf über das Internet forcieren will.

Doch auch auf der von Chief Software Architect Bill Gates repräsentierten technischen Seite gibt es Verstärkung: Der erst kürzlich mit der Pernahme von Groove Networks zum Unternehmen gestoßene Lotus-Notes-Erfinder Ray Ozzie soll im Konzern eine wichtigere Rolle einnehmen. Ozzie hat den Auftrag, die drei Unternehmenseinheiten daraufhin zu kontrollieren, ob sie verstärkt Web-basierende Distributionsmodelle verfolgen.

Wie Ray Ozzie wird auch Senior Vice President Eric Rudder direkt an Gates berichten. Bislang für den Bereich Server und Tools verantwortlich, soll Rudder gemeinsam mit dem Unternehmensgründer die gesamte technische Strategie des Konzerns überblicken. (hv)