PC zieht in Sachen Benutzerführung mit Mac gleich

Microsoft bläst mit Windows 3.0 zum Angriff auf den Mac

27.04.1990

FRAMINGHAM (IDG) - Ende Mai soll es endlich soweit sein: Die lang erwartete Windows-Version 3.0 kommt auf den Markt. Anwender, denen Microsoft vorab Testversionen zur Verfügung stellte, sind überzeugt, daß sie ein Renner wird. Ein Unternehmen dürfte die Entwicklung mit gemischten Gefühlen beobachten: die Apple Computer Inc.

Sollte Windows 3.0 die Erwartungen erfüllen, die schon jetzt daran geknüpft werden, dann wird es möglicherweise nicht nur die weitere Verbreitung von OS/2 bremsen, sondern auch Apple den Wind aus den Segeln nehmen, was den Verkauf des Macintosh betrifft. Die neue Windows-Version bietet in Sachen grafischer Benutzerführung nämlich das gleiche wie der Mac.

Daß Apple vor Windows 3.0 panische Angst hatte, zeigte das Unternehmen vor zwei Jahren. Damals verklagte Apple Microsoft wegen Verletzung der Urheberrechte in Sachen grafische Benutzerführung. Bis auf wenige Punkte konnte der Mac-Hersteller sich jedoch nicht durchsetzen. Dafür wurde Apple mit einer Anklage von Xerox konfrontiert, seinerseits die grafische Benutzerführung widerrechtlich übernommen zu haben.

Trotz der noch laufenden Verfahren wird Microsoft Ende Mai Windows 3.0 herausbringen. Während die bisherigen Windows-Versionen eher blasse Kopien der Mac-Oberfläche waren, bietet 3.0 nach Angaben von Beta-Testern in vielen Punkten mehr, sowohl in Sachen Grafik als auch im Leistungsumfang. Schon haben diverse Hersteller von Mac-Software angekündigt, Windows-Versionen ihrer Programme anzubieten. Den Anfang machten hier Microsoft mit Word, Aldus mit dem Pagemaker und Computer Associates mit Cricket - allesamt Produkte, die bereits verfügbar sind oder es in Kürze sein werden.

Bei Apple will man diesem Treiben nicht tatenlos zusehen. In Sachen Software setzt man auf verstärkte Unterstützung von Hypercard-Anwendungen, eine der wenigen Applikationen, die der Mac noch den DOS-PCs voraus hat. Außerdem will Apple im Herbst die Version 7.0 des Mac-Betriebssystems freigeben. Sie soll neben zahlreichen Korrekturen auch die Kommunikation der Programme untereinander verbessern.

Im Konflikt Macintosh-Windows sprechen jedoch auch einige Argumente für Apple. So ist zumindest in den USA ein Macintosh wesentlich preisgünstiger zu haben als in Europa. Aus diesem Grund dürfte dort den kaufwilligen Einsteigern die Entscheidung zwischen Mac oder PC leichter fallen. Inklusive Windows 3.0 wird ein PC in den USA nur unwesentlich weniger kosten als ein Mac. Hier in Europa sind die Apple-Rechner - mit Ausnahmen von Sonderangeboten für Schüler oder Lehrer - immer noch überteuert. Wer sich in Europa für den Mac entscheidet, der weiß, was er will: die einfache und programmübergreifende grafische Benutzerführung. Dafür zahlt man dann eben auch seinen Preis.

Außerdem hat Apple zunächst noch einen weiteren Vorteil. Um im zufriedenstellenden Tempo zu laufen, benötigt Windows auf dem PC rund vier MB Arbeitsspeicher. Bei den derzeitigen Preisen für RAM-Chips kommt eine Erweiterung für Low-end-User kaum in Frage. Da diese Preise aber sinken, ist; es nur eine Frage der Zeit, bis sich Windows 3.0 bei der breiten Masse der PC-Anwender durchgesetzt hat.

Die einzige Chance für Apple, die ohnehin schwache Marktposition gegenüber DOS-PCs zu halten, sind radikale Preissenkungen im Mac-Bereich. Dies jedoch würde Auswirkungen auf den Profit des Unternehmens haben, und damit stünden wiederum weniger Mittel für Forschung und Entwicklung neuer Geräte zur Verfügung. Auf der anderen Seite sieht es so aus, als ob Microsoft gerade jetzt viel Zeit und Geld in Windows investierte. Sollte es zu einem Preiskrieg zwischen beiden Unternehmen kommen, steht ein Sieger schon fest: Der Anwender, der für weniger Geld mehr Leistung bekommt.