Forschungsprojekt AI²

Mensch + KI = IT-Security deluxe

20.04.2016
Von 


Simon Hülsbömer betreut als Senior Research Manager Studienprojekte in der Marktforschung von CIO, CSO und COMPUTERWOCHE. Zuvor entwickelte er Executive-Weiterbildungen und war rund zehn Jahre lang als (leitender) Redakteur tätig. Hier zeichnete er u.a. für die Themen IT-Sicherheit und Datenschutz verantwortlich.
Ein neues hybrides IT-Security-System des Massachusetts Institute of Technology (MIT) namens AI² verknüpft menschliche mit künstlicher Intelligenz und erkennt bis zu 85 Prozent der Cyberattacken.

Weder Mensch noch Maschine haben bisher erfolgreich nachgewiesen, dass sie für sich allein genommen ausreichenden Schutz vor Angriffen auf Netze und Systeme bieten - warum also nicht beide Seiten miteinander kombinieren? Genau das fand nun im Rahmen eines MIT-Forschungsprojekts statt - mit ziemlich beeindruckenden Ergebnissen. Forscher des Science and Artificial Intelligence Laboratory (CSAIL) des MIT entwickelten gemeinsam mit PatternEx, einem aus der CSAIL-Forschung hervorgegangenen Startup für Machine-Learning-Angebote die Plattform AI². Diese erkannte in Tests 85 Prozent aller Angriffe und reduzierte zudem die Zahl der erkannten "False Positives" - also harmlose Aktivitäten, die fälschlicherweise als Angriff gewertet werden - um den Faktor fünf. Getestet wurde AI² an 3,6 Milliarden Datensätzen, die von Millionen Nutzern über drei Monate hinweg produziert wurden. Wie AI² genau funktioniert, sehen Sie in dem folgenden Video:

Präsentiert wurden die Forschungsergebnisse in der vorletzten Woche auf der Security-Konferenz "DataSec" an der Columbia University in New York. "Sie könnnen sich das System als virtuellen Analysten vorstellen", sagt CSAIL-Forscher Kalyan Veeramachaneni, der AI² zusammen mit Ignacio Arnaldo, dem Chief Data Scientist von PatternEx, aus der Taufe gehoben hat. "Es erstellt automatisch und dauerhaft neue Erkennungsmodelle, die es innerhalb weniger Stunden komplett umbauen kann - damit verbessert es seine Erkennungsrate schnell und deutlich."

Der Trend geht zu hybriden Systemen

Auch wenn nun unter IT-Security-Experten die Angst umgehen mag, ihre Jobs seien in Gefahr, wird deutlich, dass erst die Kombination aus Sicherheitsexperten und KI-Systemen solche Ergebnisse möglich macht. Erst vergangenen Woche veröffentlichte beispielsweise die Crowdsourcing-Plattform Spare5 ein neues System, dass menschliche Expertise mit Machine-Learning-Algorithmen verknüpft, um aus unstrukturierten Daten mehr Informationen herauszuholen.

In der klassischen IT-Security-Welt halten sich die von Menschen gemachten Technologien auf menschengemachte Regeln und erkennen Angriffsvektoren, die nicht in handelsübliche Muster passen, nicht. Reine Machine-Learning-Ansätze arbeiten mit annormalen Erkennungsmustern und haben ein Problem mit zu vielen "False Positives", die dann wiederum von Menschen nachbearbeitet werden müssen. In der logischen Konsequenz sollte nun das beste aus beiden Welten miteinander kombiniert werden. Da aber Security-Informationen für die Weitverarbeitung durch Algorithmen in Teilen manuell gekennzeichnet werden müssen, ist die Entwicklung solcher Systeme nicht trivial. So kann die Identifikation vieler Angriffsvektoren als das, was sie sind - beispielsweise "DDoS-Angriff" oder "Datenklau" - häufig nur durch IT-Security-Experten erfolgen, die die Methoden genau kennen. Da genüge es laut Veeramachaneni nicht, sich auf Crowdsourcing-Dienste wie Amazon Mechanical Turk zu verlassen, die in anderen Bereichen wie der visuellen Erkennung von Bildinhalten durchaus eine wertvolle und kostengünstige Hilfe sein könnten.

Lerneffekt wird mit der Zeit immer größer

Security-Experten sind jedoch rar gesät. Deshalb arbeitet AI² zunächst mit Machine-Learning-Algorithmen, um mögliche Sicherheitsprobleme aufzudecken. Diese werden dann im zweiten Schritt den Sicherheitsanalysten zur Prüfung vorgelegt. Es handle sich nach Angaben der MIT-Forscher am ersten Tag des Einsatzes konkret um die 200 "am meisten annormalen" Ereignisse. Die menschlichen Analysten melden dem System zurück, welche der Events tatsächlich sicherheitsrelevante Angriffe sind. Die Maschine lässt dieses Wissen anschließend in seine Erkennungsmodelle einfließen und erzeugt auf dieser Grundlage den nächsten Datensatz. Mit der Zeit nimmt die Zahl der von Menschen zu prüfenden Security-Events rapide ab. Veeramachaneni resümiert: "Je mehr Angriffe erkannt werden und je mehr menschliches Feedback das System erhält, desto besser wird der Schutz. Die Mensch-Maschine-Interaktion erzeugt so einen wunderbaren Kaskadeneffekt."

Es gibt noch weitere gute Beispiele für eine kombinierte Mensch-Maschine-Technologie. Im vergangenen Jahr haben wir beispielsweise das Startup ExB Labs besucht, die semantische Textanalyse und -erzeugung voranbringen möchte: