Manipuliertes Video als Beweisstück vorgeführt

Manipuliertes Video als Beweisstück vorgeführt Microsoft muß um seine Glaubwürdigkeit bangen

12.02.1999
MÜNCHEN (CW) - Im Washingtoner Antitrust-Prozeß hat Microsoft seine Glaubwürdigkeit verspielt. Mit einem offensichtlich manipulierten Videofilm wollten die Redmonder die Untrennbarkeit von Windows und dem Browser "Internet Explorer" belegen. Darüber hinaus gestand ein Firmenangehöriger ein, Internet-Inhalteanbieter unter Druck gesetzt zu haben, um sie zu einem Wechsel auf den Microsoft-Browser zu zwingen.

Peinlicher hätte die letzte Woche für den US-Softwaregiganten kaum verlaufen können. Ausgerechnet als es um einen der entscheidenden Punkte im Antitrust-Prozeß ging, nämlich um die Integration des Browsers in das Betriebssystem, beschädigte der Konzern die eigene Glaubwürdigkeit massiv. Hintergrund ist der Vorwurf der Anklagevertreter, Microsoft ziele mit der Bündelung von Browser und Betriebssystem darauf ab, den Konkurrenten Netscape aus dem Markt zu drängen.

Auslöser des von Beobachtern als "Desaster" für Microsoft beschriebenen jüngsten Prozeßverlaufs war ein zweistündiger Videofilm. Damit versuchten die Redmonder zu beweisen, daß das Windows-Betriebssystem ohne den integrierten Browser Internet Explorer nicht mehr fehlerfrei und langsamer arbeitet. Edward Felten, Computerwissenschaftler an der Universität Princeton und Zeuge der Anklage, hatte zuvor ausgesagt, mit einem von ihm entwickelten Programm ließen sich Browser und Betriebssystem trennen, ohne daß die Funktionsfähigkeit von Windows dadurch beeinträchtigt werde. Dies versuchte die Gates-Company zu widerlegen. Zudem wollte Microsoft zeigen, daß das Felten-System den Browser nicht vollständig entfernen kann.

Während der Präsentation deckte Chefankläger David Boies einige Ungereimtheiten in dem Video auf. So wurde etwa durch die unterschiedliche Anzahl von Bildschirmsymbolen deutlich, daß Microsoft für den Film verschiedene Computer benutzt haben muß. Die Produzenten hatten offensichtlich unterschiedliche Videosequenzen zu einer Präsentation zusammengefügt. In einer Szene, die Leistungseinbußen von Windows-Programmen belegen sollte, stellte sich heraus, daß das Felten-Programm gar nicht installiert war.

"Sie haben wohl das falsche System gefilmt", konzedierte Microsofts Senior Vice-President James Allchin auf Druck des Anklägers. Außerdem räumte er ein, daß entgegen den ursprünglichen Aussagen auf dem Computer neben dem Felten-Programm noch andere Anwendungen installiert gewesen seien, die ebenfalls zu einer Verlangsamung des Systems hätten führen können. Nach Rücksprache mit der Firmenzentrale bezeichnete Allchin das Video dann als "Simulation" eines tatsächlich vorgenommenen Tests.

Richter Thomas Jackson machte aus seinem Unmut ob der wenig glaubwürdigen Beweisführung der Gates-Company keinen Hehl. "Das ist sehr besorgniserregend", erklärte der Jurist. Die Ungereimtheiten würden die Verläßlichkeit der "gesamten Demonstration" in Zweifel ziehen. Trotzdem gab Jackson Microsoft die Gelegenheit, ein zweites Video zu fertigen. Das ursprüngliche Vorhaben, unter den Augen des Gerichts einen neuen Film zu erstellen, mißlang jedoch. In der Nacht vom Dienstag auf Mittwoch arbeiteten Angestellte des Konzerns fieberhaft an einer neuen Version. Dazu erwarben sie unter anderem sechs Notebooks und heuerten professionelle Filmteams an.

Am Mittwoch morgen präsentierte die Verteidigung dann ein neues 70minütiges Video. Darin werden unter anderem Schwierigkeiten beim Aufbau einer Wählverbindung aufgezeigt, die nach Entfernen der Browser-Komponenten entstanden sein sollen. Ankläger Boies kritisierte allerdings, daß der Film einen Kernpunkt des ersten Videos, die Verlangsamung von Windows 98 durch das Felten- Programm, nicht belege.

Nach Ansicht von Boies ist der von Microsoft angerichtete Schaden hinsichtlich seiner Glaubwürdigkeit irreparabel: "Microsoft hat seine drei wichtigsten Zeugen bereits präsentiert. Es gibt niemanden, der diese Schlappe wiedergutmachen könnte." Firmenchef Bill Gates sieht das offenbar anders. Pünktlich zum Ende der desaströsen Prozeßwoche wurde in den USA bekannt, daß der reichste Mann der Welt zusammen mit seiner Frau Melinda 3,3 Milliarden Dollar an zwei Stiftungen gespendet hat. Sprecher der 1994 gegründeten William H. Gates-Stiftung bestreiten jeden Zusammenhang mit dem laufenden Verfahren. Unterdessen hat der Softwarekonzern Pläne für eine umfassende Restrukturierung des Unternehmens angekündigt (siehe Kasten "Microsoft plant Reorganisation").

Auch die folgende Woche im Antitrust-Prozeß begann für Microsoft alles andere als hoffnungsvoll. William Poole, der unter anderem das Geschäft mit Microsofts Internet-Content-Providern organisiert, gestand im Kreuzverhör ein, daß der Konzern Druck auf Inhalteanbieter ausgeübt hat, um diese zu zwingen, von Netscapes Konkurrenzprodukt "Navigator" auf den eigenen Internet Explorer zu wechseln. Im Mittelpunkt stand dabei das Verhalten gegenüber dem Softwarehersteller Intuit. Pool bestätigte gegenüber Ankläger Boies, daß Microsoft von Intuit verlangt habe, Marketing-Abkommen mit Netscape einzuschränken und für seine Programme "Quicken" und "Turbo Tax" den Internet Explorer zu verwenden. Im Gegenzug versprach die Gates-Company, Web-Seiten von Intuit in die Channel- Leiste des Eröffnungsbildschirms von Windows (Windows Desktop) einzubauen. Ähnlich sei man auch mit 23 anderen Content-Providern verfahren, so Poole, beispielsweise mit Walt Disney.