Management-Fehler in der PC-Division eingeraeumt Gerstner unterstreicht IBMs OS/2-Commitment

05.05.1995

CHARLOTTE (IDG) - Auf der diesjaehrigen Hauptversammlung der IBM Corp. in Charlotte, New York, versuchte Chairman Louis Gerstner, die zweifelnden Aktionaere von den guten Erfolgsaussichten fuer OS/2 zu ueberzeugen. Der Konzern werde das Betriebssystem weiter voranbringen und die Zahl der im Native-Modus laufenden OS/2- Applikationen kontinuierlich steigern.

Einige der ueber 1000 anwesenden Anteilseigner beklagten, dass die IBM - vor allem angesichts der Auslieferung von Windows 95 im dritten Quartal dieses Jahres - nicht genug unternehme, um potentiellen Kunden klarzumachen, dass sie OS/2 und OS/2 Warp weiter entwickelt.

Analysten und Anwender enttaeuscht vor allem die auf das dritte Quartal verschobene Auslieferung von OS/2 Warp fuer die Power-PC- Plattform. Der Versuch, das 32-Bit-Betriebssystem im breiten Markt verfuegbar zu machen, sei nur halbherzig verfolgt worden, monierte Norman Creech von dem Beratungshaus "It does Compute" in Cary, North Carolina. Aufgrund dieser mangelnden Unterstuetzung fragten sich die Anwender, ob IBM weiterhin zu dem Produkt stehe. "Die IBM nutzt ihre Moeglichkeiten nicht", meinte Creech.

Der IBM-Chef versuchte, die Zweifel der Anlegergemeinde zu zerstreuen. Er selbst sei sehr daran interessiert, jedem deutlich zu machen, dass "wir OS/2 pushen". Big Blue erhoehe kontinuierlich die Zahl der im Native-Modus laufenden OS/2-Applikationen, von denen es zur Zeit rund 2500 gibt. IBMs PC-Division werde das Betriebssystem fuer alle von ihr vertriebenen Produktplattformen unterstuetzen, betonte er.

Der angesichts der guten Quartalsergebnisse sehr aufgeraeumt wirkende Gerstner empfahl einem Aktionaer, der sich zu fragen traute, ob er denn nun OS/2 Warp oder Windows 95 kaufen sollte: "Sie sollten sich wirklich fuer OS/2 entscheiden." Zu "Windows 96", scherzte Gerstner koenne er nichts sagen, "weil ich es noch nicht gesehen habe".

Ebenfalls von den Anlegern zur Sprache gebracht wurde das schlechte Abschneiden der PC-Division. Gerstner erklaerte, die Ursachen fuer die bisher schwachen Leistungen laegen in Management- Fehlern der Vergangenheit sowie in den niedrigen Bruttomargen, mit denen sich die PC Co. zufriedengeben muesse. Allerdings zeige das Geschaeftsfeld nach einer kuerzlich erfolgten Restrukturierung aufsteigende Tendenz. Als Beweis fuehrte er die Rekordverkaeufe der Division an, die im ersten, traditionell ruhig verlaufenden Quartal mehr als eine Million Systeme abgesetzt habe. Allerdings aendere das noch nichts an der Gewinnsituation.

Im vergangenen Geschaeftsjahr soll die PC Co. Verluste von ueber einer Milliarde Dollar eingefahren haben, und Analysten gehen davon aus, dass die Division auch nach den ersten drei Monaten des laufenden Fiskaljahres noch tief in den roten Zahlen steckt.

Aktionaere bekommen vom Gewinn nichts ab

Trotz der 1,29 Milliarden Dollar Gewinn, die IBM insgesamt am Ende des ersten Quartals ausgewiesen hat, beschloss der Verwaltungsrat kurz vor der Hauptversammlung, die Dividende von 25 Cent pro Aktie nicht zu erhoehen.

Die Aktionaere nahmen die Entscheidung mit Unmut hin. Sie wuerden leer ausgehen, klagten sie, waehrend das Topmanagement mehr bekomme, als ihm zustehe. Der Chairman selbst verdiente 1994 ueber zwoelf Millionen Dollar. Dazu trugen zwei Millionen Dollar Grundgehalt, 2,6 Millionen Dollar an Boni und 7,75 Millionen Dollar als Kompensation fuer die Aktien bei, die er als CEO von RJR Nabisco besass, aber abgeben musste, als er seinen Job bei IBM antrat.

Das Unternehmen benoetige grosse, schnell verfuegbare Cash-Reserven, begruendete Gerstner die niedrige Ausschuettung. Ausserdem muessten Fuehrungskraefte gut bezahlt werden, wenn man Talente halten wolle. Die Aktionaere wuerden ferner durch den Kursanstieg der IBM-Aktie profitieren. Deren Bewertung habe sich schliesslich seit Sommer 1993 von 41 Dollar auf aktuell 93,6 Dollar verbessert.

Die liquiden Mittel sollen fuer Reinvestitionen, Akquisitionen und fuer kursstuetzende Aktienrueckkaeufe verwendet werden. Zwar plane der Konzern zur Zeit keine Grosseinkaeufe, pruefe aber Investitionen in Unternehmen und Technologien.