Zweiklassengesellschaft bei der BSA

m Netz der Softwarepolizei zappeln keine großen Fische

23.05.1997

Bei rund der Hälfte aller weltweit installierten Applikationen handelte es sich im vergangenen Jahr um Raubkopien, so die aktuelle Erhebung der BSA. 11,2 Milliarden Dollar gingen Microsoft und Co. 1996 durch den Einsatz illegaler Software verloren (siehe Tabelle).

In Deutschland ergibt sich ein ähnliches Bild: Zwar konnten die Softwareschützer hierzulande einen Rückgang der Raubkopierrate von 42 Prozent (1995) auf 36 Prozent im vergangenen Jahr registrieren. Mit einer Schadenssumme von 796 Millionen Mark (1996) im Vergleich zu 498 Millionen Mark (1995) nehmen die in Deutschland aktiven Datendiebe jedoch nach wie vor den europäischen "Spitzenplatz" ein.

Wie schon so oft droht die BSA auch jetzt wieder, den Knüppel aus dem Sack zu holen: "Jeder Fall von Softwarepiraterie in Unternehmen und Behörden, über den die BSA oder ihre Mitglieder Kenntnis erhalten, wird konsequent verfolgt und veröffentlicht. Dabei wird auf große Namen keine Rücksicht genommen", lautet die Maxime der Interessengemeinschaft. Die Kriegserklärung der insgesamt acht deutschen BSA-Mitglieder - zu denen Novell, Microsoft, Autodesk, Lotus und Symantec gehören - an die "Zunft" der Programmräuber klingt rigoros: Die Ertappten "müssen den Wert der installierten Raubkopien begleichen und die Kosten für die Nachlizenzierung tragen. Außerdem haben sie die Anwälte zu bezahlen und in die Veröffentlichung ihrer Missetaten einzuwilligen. Ansonsten drohen ihnen zivil- und strafrechtliche Prozesse", stellt BSA-Sprecher Dirk Schmidt klar, daß er nichts davon hält, Raubkopierer mit Samthandschuhen anzufassen.

Doch die BSA kann nicht so unerbittlich vorgehen, wie sie gerne möchte: Für jedes Unternehmen, das mit illegalen Produkten geschnappt wird, muß die BSA zunächst eine sogenannte Freigabeerklärung für eine Prozeßvollmacht von der Mitgliedsfirma erwirken, deren Software unberechtigterweise genutzt wird: "Hinter jedem unserer BSA-Anwälte steht ein Jurist des jeweiligen Herstellers, der unterschreiben muß, ob wir ein zivilrechtliches Verfahren anstrengen dürfen oder nicht", klagt Schmidt. "Leider geben die einzelnen Mitglieder große Fische nicht an die BSA weiter." Aufgrund dieser Umstände blieb der juristische Knüppel in der Vergangenheit denn auch so gut wie immer im Sack: "Es existieren nun mal wirtschaftliche Interessen", so der BSA-Sprecher. Die Mitglieder einigten sich nach Urheberrechtsverletzungen nur allzu gerne im gegenseitigen Einverständnis mit bekanntgewordenen "schwarzen Schafen", um die geschäftlichen Beziehungen nicht zu strapazieren.

"Die BSA selbst hat sich mit Softwarepiraten bislang noch nicht gütlich verglichen", verteidigt Schmidt seine harte Linie: "Die Hersteller haben das allerdings getan." Schließlich gehe es teilweise um Beträge in sechs- bis siebenstelliger Höhe. Häufig werde die BSA auch mit der empörten Frage der ertappten Firmen konfrontiert: "Wir kaufen Euch für Zigtausende Mark Eure Produkte ab, und Ihr zitiert uns vor Gericht?"

Beispielsweise hat der Softwareriese Microsoft mit dem Automobilkonzern Audi aus Ingolstadt mehr oder minder ein "Gentlemen's Agreement" getroffen, nachdem der Windows-Produzent von der BSA über den nicht ganz korrekten Einsatz von Microsoft-Software beim Automobilfabrikanten unterrichtet worden war.

Auch dem Stahlkonzern Thyssen räumte die Gates-Company vor einiger Zeit "großzügige Nachlizenzierungsrechte" ein - von konsequenter Verfolgung oder gar publikumswirksamen Veröffentlichungen also keine Spur. Ebenso moderat agierte BSA-Mitglied und Netzwerkprimus Novell in manchem Deal.

Privatanwender im Fadenkreuz

Ganz anders sah die Situation bislang hingegen aus, wenn der BSA kleinere Fische ins Netz gingen: Ganze sieben Sünder stellte die Herstellerpolizei nach Anrufen bei der eigens für entsprechende Mitteilungen eingerichteten "Hotline" und darauffolgenden Durchsuchungen mit den Behörden an den Pranger. Darunter finden sich ausschließlich kleinere bis mittelgroße Unternehmen wie etwa die Stadtwerke Bernau, Berlin, Avery Denison, Echtingen, Novexx, Echtingen oder vor wenigen Wochen die Nürnberger Anwaltskanzlei Köning und Lauritz. "Dieser Schaden betrug 10000 bis 20000 Mark", beziffert der BSA-Mann den Fall in der Frankenstadt.

Das Vorgehen gegen kleine und mittelständische Firmen hat die BSA inzwischen zum Leitsatz erhoben. "Eine Studie hat ergeben, daß hauptsächlich diese Unternehmen mit Raubkopien arbeiten", argumentiert Schmidt. Große Verluste verursachten etwa mittlere Betriebe, die Software zur leichteren Administration ins Netz ihrer Client-Server-Umgebungen stellen, jedoch nicht über die erforderlichen Lizenzen verfügten.

Selbst Privatanwender, die bislang von der BSA ungeschoren blieben, sind jetzt in die Schußlinie geraten: "Wir würden uns auch um private Nutzer wie Studenten kümmern, wenn sie uns angezeigt würden", bemängelt der BSA-Mann das Defizit an Informanten. Allerdings werde sich die BSA auch in Zukunft nicht auf die Privatanwender konzentrieren. Schließlich "kann man nicht die Polizei in jede Familie einer westdeutschen Großstadt schicken".

Konsequenter wolle man künftig allerdings gegen CD-Brenner, Internet-Piraten und Bulletin-Board-Betreiber vorgehen. "Mit denen fangen wir gar nicht erst an zu verhandeln", zeigt sich Schmidt kompromißlos. Diese Art von Softwarepiraten übergebe die BSA aus ökonomischen Gründen der Polizei. Erst kürzlich habe man einen privaten Anwender aus Süddeutschland das Handwerk gelegt. "Die können sowieso keinen Schadenersatz zahlen, weil sie nichts haben", klagt der BSA-Sprecher über mangelnde Erfolgserlebnisse. "Es ist richtig, daß viele über uns schmunzeln. Schließlich ist es auch wie ein Lottogewinn für uns, jemanden zu schnappen."

Informationen zur BSA

Die Business Software Alliance (BSA) setzt sich weltweit für den Schutz von Software als geistiges Eigentum ein und verfügt jährlich über ein Budget von insgesamt 1,1 Millionen Dollar. Die Gelder stammen aus Mitgliedsbeiträgen der Hersteller und werden sowohl zu Marketing-Aktionen als auch für straf- und zivilrechtliche Maßnahmen genutzt. Ziel der BSA ist es eigenen Angaben zufolge, die weltweit sehr verbreitete Nutzung von Raubkopien einzudämmen. Die BSA ist über ein Infotelefon zu erreichen, das oft als "Denunzianten-Hotline" kritisiert wird.