Lust und Last des Einzelkämpfers

25.04.2008
Von 
Hans Königes war bis Dezember 2023 Ressortleiter Jobs & Karriere und damit zuständig für alle Themen rund um Arbeitsmarkt, Jobs, Berufe, Gehälter, Personalmanagement, Recruiting sowie Social Media im Berufsleben.
Starke Auslastung und wechselnde Einsatzorte erschweren die Zusammenarbeit unter Freiberuflern. Oliver Knittel, Freiberufler des Jahres, beurteilt die Chancen für Einzelkämpfer dennoch als gut.

CW: Wie schätzen Sie den Markt für Freiberufler ein?

KNITTEL: Ich schätze ihn nach wie vor als sehr gut ein. Die Auslastung bei den Freiberuflern in meinem Umfeld liegt derzeit bei 100 Prozent, viele haben auch über 2008 hinaus gute Chancen auf Verlängerung ihrer Aufträge.

CW: Welche Freiberufler besitzen derzeit gute Karten, welche schlechtere?

KNITTEL: Bei so einer Frage tendiert man dazu, die Profile hervorzuheben, die man selbst besitzt. Unabhängig von meiner Qualifikation haben derzeit SAP-Spezialisten, Experten für IT- und Geschäftsprozesse sowie Business-Analysten mit guten Branchenkenntnissen sehr gute Chancen. Neben SAP ist sicher SOA und alles rund um Internet-Anwendungen (Java, XML) ein wichtiges Thema, mit dem man punkten kann. Schwer tun sich derzeit vor allem jüngere Kollegen mit wenig Berufserfahrung oder Freiberufler mit Qualifikationen, die leicht in Billiglohnländer ausgelagert werden können.

CW: Was hat sich gegenüber früher verändert?

KNITTEL: Heute werden Freiberufler über Google gecheckt. Nach einer aktuellen Studie nutzen bereits 30 Prozent aller Personalverantwortlichen das Internet, um mehr über den Bewerber zu erfahren. Das wird einer der Trends der nächsten Jahre. Freiberufler können im Internet Pluspunkte sammeln und aktives Selbst-Marketing betreiben. Einen anderen Trend sehe ich darin, dass der Akquise-Aufwand und die Dauer der Entscheidungsprozesse gestiegen sind. So dauert es heute im Schnitt länger, bis ein neuer Auftrag unter Dach und Fach ist.

CW: Was wünschen sich die Auftraggeber stärker als in der Vergangenheit?

KNITTEL: Sie verlangen vermehrt Zusatzqualifikationen wie laufende Fortbildungen und Zertifizierungen oder Publikationen in Fachzeitschriften und Vorträge. Sehr wichtig sind ihnen auch die viel beschworene soziale Kompetenz und die Fähigkeit des Freiberuflers, sich auf jeden Kunden neu einzustellen.

CW: Immer mehr Projekte werden über Personalagenturen vergeben. Haben Freiberufler als Einzelkämpfer noch Chancen, lukrative Aufträge zu bekommen?

KNITTEL: Freiberufler sind sehr oft starke Individualisten, sind häufig stark ausgelastet und haben häufig wechselnde Einsatzorte. Unter solchen Voraussetzungen ist es schwierig, kein Einzelkämpfer zu sein. Die Chancen für Freiberufler sehe ich dennoch als gut an. Während Unternehmen ihrem abstrakten Gebilde erst ein Gesicht und eine Identität geben müssen, ist der Freiberufler das Gesicht seiner Einzelunternehmung und kann sich dadurch viel besser vermarkten. Lukrative Aufträge gibt es auf alle Fälle - dass man die aber überwiegend bei einer Agentur findet, glaube ich persönlich nicht.

CW: Wo sehen Sie die Vor- und Nachteile der Projektvermittlung über Agenturen?

KNITTEL: Der Vorteil von Agenturen liegt darin, dass sich der Freiberufler nicht um den Vertrieb kümmern muss und eine Chance erhält, an Aufträge zu kommen. Die Nachteile liegen in der Marge, die sich die Agentur einbehält, und den Kundenschutzklauseln, die in den Verträgen stehen. Als Freiberufler wird man vom Endkunden abgeschirmt. Von daher ist ein direkter Auftrag ohne Agentur immer vorzuziehen, in der Praxis bei größeren Unternehmen aber schwierig zu bekommen. Laut einer Umfrage vermitteln Agenturen etwa 70 Prozent aller Aufträge an IT-Freiberufler.

CW: Berater klagen, dass die Auftraggeber heftigen Druck ausüben und dass sie ungern höhere Stundensätze akzeptieren. Wie sieht es mit der Entwicklung der Honorare aus?

KNITTEL: Die Stundensätze sind in den vergangenen Jahren wieder gestiegen. Meiner Ansicht nach wird dieser Druck insbesondere in einer Phase der Rezession ausgeübt. Dann sind die Freiberufler die ersten, die gehen müssen oder von denen verlangt wird, niedrigere Stundensätze hinzunehmen. Unter der Voraussetzung, dass der Freiberufler eine marktgerechte Qualifikation mitbringt, sehe ich derzeit diesen Druck nicht.Freiberufler finden schnell ein anderes Projekt, in dem sie die geforderten Stundensätze erhalten.

So sind Sie erfolgreich - fünf Tipps vom Freiberufler des Jahres

1 Betreiben Sie Selbst-Marketing - Sie sind die Marke

Jeder Freiberufler sollte das Selbst-Marketing ernst nehmen und sich konkrete Ziele setzen. Zum Beispiel welchen Tagessatz will ich nächstes Jahr erreichen, wie viele Projekttage will ich verkaufen, welche Themen möchte ich machen? Ich empfehle, das Selbst-Marketing als kontinuierliche persönliche Weiterbildung zu sehen. Jeder sollte sich überlegen, wo er besser werden kann, wie das zu seinen Zielen passt und wie dafür die nötige Zeit einzuplanen ist. Kurz gesagt: Das bessere Marketing von heute ist der bessere Tagessatz von morgen.

2 Jeder neue Auftrag bietet eine neue Chance

Ihr derzeitiges Projekt nähert sich dem Ende und war nicht das, was Sie sich erhofft hatten? Sie fühlen sich unterfordert, das Arbeitsumfeld war auch nicht so toll und dann noch die weite Anreise ans andere Ende der Republik? Und jetzt zum Projektende müssen Sie schauen, wo Sie bleiben? Sehen Sie es mal so: Sie haben im Gegensatz zu Angestellten die einmalige Chance, ein neues Projekt zu suchen, in dem Sie mehr verdienen und ein spannenderes Arbeitsumfeld haben. Bei jedem neuem Auftrag werden die Würfel neu gemischt. Suchen Sie Ihr neues Projekt sorgfältig aus und lehnen Sie auch mal eines ab, wenn Sie das Gefühl haben, dass es nicht zu Ihnen passt.

3 Rechtliche Stolpersteine zu kennen hilft Ihnen, nicht zu stolpern

Beginnen möchte ich mit einem Zitat des brand-eins-Mitbegründers Wolf Lotter: "Selbständige sind die Grundlage alles Unternehmerischen, der Motor der Ökonomie. Anderswo. In Deutschland sind sie Bürger zweiter Klasse, die von einem verbiesterten System zu Außenseitern gemacht werden. Dabei steht immer öfter Willkür vor Recht." Die Sätze lassen erahnen, dass der Gesetzgeber es mit uns Freiberuflern nicht immer gut meint. So gibt es fragwürdige Regeln zur Gewerbesteuerpflicht von Freiberuflern und zur Scheinselbständigkeit oder die "Infektionstheorie" des BGH bei der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). Diese Regeln zu kennen hilft Ihnen, Ihre Gestaltungsspielräume so zu nutzen, dass es für Sie am vorteilhaftesten ist. Einen Überblick zu den steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Stolpersteinen in Ihrer Freiberuflichkeit finden Sie unter www.dr-grunewald.de.

4 Bilden Sie sich ständig fort

Soziale Kompetenzen werden auch für Freiberufler immer wichtiger, ebenso verändert sich die IT in rasantem Tempo. Sie sollten nicht der Idee verfallen, alles, was Sie in Ihrem aktuellen Projekt nicht gebrauchen können, komplett auszublenden. Kalkulieren Sie mindestens zehn Tage im Jahr für Weiterbildungen und Kongresse ein. Im Gegensatz zu Angestellten sind Sie bei der Gestaltung Ihrer Fortbildung frei und müssen nicht Ihren Vorgesetzten fragen. Nutzen Sie diese Chance und besuchen Sie auch Veranstaltungen abseits Ihrer alltäglichen Projektpfade.

5 Bleiben Sie gesund

Während Sie als Angestellter bereits ab dem ersten Krankheitstag eine hundertprozentige Lohnfortzahlung erhalten, können Sie davon als Freiberufler nur träumen. Also sollten Sie schon aus finanziellen Gründen darauf achten, dass Sie beruflich nicht zu viel Gas geben und sich die nötigen Auszeiten gönnen, damit Sie gesund bleiben. Ihr Ehepartner oder Ihre Familie sollten Sie dabei unterstützen. Ein wenig Sport als Ausgleich hilft Ihnen, dass Sie auch künftig leistungsfähig bleiben.