Light-Messe CeBIT

13.03.2007
Von 
Heinrich Vaske ist Editorial Director a.D. von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO.
Die CeBIT hatte zuletzt keine gute Presse. Zeit also, dass die Messemacher selbst einmal zu Wort kommen. Leider gelang es uns nicht, alle CeBIT-Entscheider an einen Tisch zu holen. Deshalb drucken wir das Gespräch so ab, wie es vermutlich gelaufen wäre - wenn es denn stattgefunden hätte.

CW: Wer braucht eigentlich noch die CeBIT, meine Herren?

Die Gesprächsteilnehmer

Dr. Konstantin Oberwasser ist Vorstandsmitglied der Deutschen Messe AG und dort für die CeBIT verantwortlich.

Friedrich-Wilhelm Ärmelhoch ist Präsident des ITK-Verbands Sitcom sowie Finanzchef des Automobilzulieferers CF Sindelfingen.

Gernot Kleinemann ist Vizepräsident des Sitcom, Gründer des Softwarehauses BAS AG sowie Sprecher nahezu aller relevanten Mittelstandsinitiativen und -organisationen in Deutschland.

OBERWASSER: Was für eine Frage! Zur CeBIT gibt es keine Konkurrenz. Schauen Sie sich doch um: Auf der 3GSM World in Barcelona trifft sich das Handy-Volk, eine kleine Nische des TK-Marktes. Die Consumer Electronic Show in Las Vegas spricht die Unterhaltungsindustrie an, und wie man hört, ist sie von der Pornoindustrie unterwandert. Über die Systems wollen wir gar nicht reden. Seien wir doch ehrlich: Die CeBIT ist die Leitmesse, andere anderen Veranstaltungen sind nur Light-Messen, Sie verstehen, Light aus dem Englischen (Gelächter). Nicht einmal das Internet kann der CeBIT etwas anhaben.

KLEINEMANN: Auch im Zeitalter von Web 2.0, dem Mitmach-Internet, nicht. Die Menschen wollen sich immer noch sehen, miteinander reden, einander berühren!

Ärmelhoch (grinst): Ich gebe Ihnen Recht, Kollege: Die Messehostessen sind real, Web 2.0 dagegen ist ein einziger Schwindel. Ich kenne niemanden, der es installiert hat.

Digital Living auf der CeBIT 2006.
Digital Living auf der CeBIT 2006.

OBERWASSER: Unsere Umfragen zeigen alle Jahre wieder, wie zufrieden die Besucher sind. Sie können sich schlau machen, qualifizierte Fachgespräche führen - und die Aussteller können Leads generieren. Die CeBIT ist ein großer Kontakthof, das ist das Thema.

KLEINEMANN: Kontakthof, hahaha, ich versteh immer nur Bahnhof...

CW: Seit dem Jahr 2000 gehen die Besucherzahlen der CeBIT aber kontinuierlich zurück.

ÄRMELHOCH: Jetzt geht diese Miesmacherei schon wieder los. Dafür ist Ihre Zeitung ja bekannt. Anstatt über Erfolge zu berichten, über die enormen Leistungen, die unsere Branche für diese Region und das ganze Land erreicht hat - man denke nur an die Gesundheitskarte -, suchen Sie das Haar in der Suppe. Verdammt noch mal: Auch Sie sind für das Gelingen der CeBIT verantwortlich! Freuen Sie sich doch! Die weltweit größte ITK-Messe findet in Deutschland statt. Von überall auf der Welt kommen die Menschen angereist - nach Hannover!

KLEINEMANN: Gut gesprochen, Ärmelhoch. Aber warum betonen Sie Hannover so?

ÄRMELHOCH: Das ist doch das eigentlich Verblüffende. Die Menschen kommen nicht nach Hamburg, Berlin oder München, sie kommen nach Hannover!

KLEINEMANN: Ja, und?

ÄRMELHOCH: Na, schauen Sie sich doch mal um...

CW: Aber kommen sie denn wirklich noch nach Hannover? Die Besucherzahlen sind seit Jahren rückläufig.

OBERWASSER: Ja, aber nur, weil die großen Aussteller Nokia, Motorola, Hewlett-Packard, Dell, Oracle etc. fernbleiben. Und warum kommen die nicht? Weil ihnen das Geld ausgegangen ist. Natürlich nörgeln sie am Messekonzept herum - wer gibt schon zu, dass er klamm ist? Aber Sie und wir, wir wissen wie es wirklich aussieht.

KLEINEMANN: Die Standpreise sind wirklich verdammt hoch. Und dazu die Hotelkosten in Hannover...

ÄRMELHOCH: Moment Mal, Kleinemann, auf wessen Seite stehen Sie eigentlich?

KLEINEMANN: Auf der des Mittelstands. Und der beklagt sich schon lange über zu hohe Kosten.

ÄRMELHOCH: Dafür kriegt er aber jede Menge Leads.

KLEINEMANN: Ein Lead ist nicht immer ein Lead. Davon kann ich ein Lied singen, hahaha.

CW: Herr Oberwasser, könnte es sein, dass Sie sich ein wenig verzettelt haben? Sie reden von der großen Business-Messe, und durch den Hintereingang haben Sie im vergangenen Jahr Kinder auf das Gelände gelassen, die sich in der Digital-Living-Halle austoben konnten.

OBERWASSER: Aber mit Kalkül! Wir machen das doch nur für den Handel. Die Händler wollen sehen, welche Endgeräte demnächst in ihren Regalen stehen werden. Deshalb haben wir sie zu vergünstigten Preisen separat in die Halle 27 gelassen. Mag sein, dass der eine oder andere seine Kinder mitgebracht hat...

KLEINEMANN: Aber auch die sind ja am Ende des Tages qualifiziertes Fachpublikum, wenn es um Spiele und Gadgets geht. Oder wollen Sie das abstreiten?

CW: Nein, ich ...

ÄRMELHOCH: ...im Übrigen geht es hier um Konvergenz. Informations- und Unterhaltungstechnologie wachsen zusammen. Sie können nicht die einen hereinlassen und die anderen aussperren. Sie werden sehen, dieser Trend ist nicht aufzuhalten. Alles konvergiert mit allem. Die Informations- mit der Telekommunikationsindustrie, beides mit der Unterhaltungsbranche und den Möbeln, äh, Medien.

OBERWASSER: Und jetzt kommen auch noch die großen Traditionsbranchen dazu: Welchen Mehrwert liefert denn heute ein neues Auto? Ein Navigationsgerät, eine Klimaanlage, ein EPS-System - alles Elektronik. Wir können in ein, zwei Jahren auch Autos, Maschinen und Atomkraftwerke nicht mehr aussperren. Das wächst doch alles zusammen.

KLEINEMANN: Stimmt. Manchmal wächst einem das richtig über den Kopf.

OBERWASSER: Die CeBIT ist ein Schmelztiegel der Nationen und der Branchen. Wir gehen davon aus, dass wir schon bald wieder anbauen müssen.

KLEINEMANN: Wieso anbauen? Hatten wir nicht vereinbart, die CeBIT soll vertikaler werden? Wir müssen nicht an-, sondern aufbauen!

OBERWASSER: Damit war doch der Lösungsbezug gemeint. Es ist wichtig, dass wir neben der horizontalen auch eben diese vertikale Perspektive erlauben und dabei den Seitenblick auf die stark wachsende Unterhaltungselektronik nicht vergessen.

CW: Sollten Sie dieses Thema nicht besser der IFA überlassen, bevor Sie Ihre Business-Klientel verärgern?

OBERWASSER: Die IFA, die IFA! Wer ist das überhaupt, IFA? Das ist doch eine reine Erfindung der Medien! Fragen Sie doch mal nach bei der Gesellschaft zur freiwilligen Kontrolle von Messe- und Ausstellungszahlen (FKM, Anm. d. Red.). Ich kann Ihnen sagen: Von einer IFA haben die noch nie etwas gehört.

CW: Warum doktern Sie eigentlich immer am CeBIT-Konzept herum, wenn doch angeblich alles in Ordnung ist? Und warum wird die Messe auf sechs Tage zusammengestrichen?

ÄRMELHOCH: Welch hässliches Wort. Die CeBIT wird nicht zusammengestrichen. Ein Paradigmenwechsel wird eingeleitet! Sie wird im Sinne des Kunden komprimiert und gestreamlined.

OBERWASSER: Eigentlich machen wir das nur wegen der Medien. In den letzten Jahren kamen die Pressevertreter am ersten Messetag, dem Donnerstag, und gingen Freitagmorgens, nachdem sie noch das Lachsfrühstück am kanadischen Gemeinschaftsstand mitgenommen hatten. Sämtliche Pressekonferenzen mussten in dieses schmale Zeitfenster gelegt werden. Nur weil die Herren Journalisten pünktlich zum Wochenende daheim sein wollten. Das haben wir nun geändert.

ÄRMELHOCH: Dieses Jahr ist aber auch inhaltlich viel mehr geboten. Wir erwarten über 1200 chinesische Komponentenhersteller, die ihre Motherboards zeigen, hinzu kommen weitere 1800 Firmen aus Vietnam, 1300 aus Südkorea, 2400 aus Taiwan und 12 000 aus unserem Partnerland Russland. So viele Hauptplatinen sind in Hannover noch nie zu sehen gewesen.

CW: Hurra.

KLEINEMANN: Jetzt hören Sie mal, Herr, Herr...

OBERWASSER: Der eigentliche Fortschritt liegt doch künftig darin, dass wir auf der CeBIT nicht mehr Produkte, sondern Themen in den Vordergrund rücken. Lösungen sind das Thema. Der Besucher hat ein Problem? Die CeBIT hat die Lösung! Für Archivierung, Sicherheit, Drucken, E-Mail-Verwaltung und vieles mehr.

CW: Und wie passen all die vielen Hauptplatinen in Ihr Lösungsszenario?

OBERWASSER: Es handelt sich um Komponenten. Und ohne Komponenten keine Lösungen, ist doch klar. Gehen Sie mal auf die Lebensmittelmesse Anuga. Da sehen Sie Eier, Milch und Mehl. Und Sie sehen - mit ein bisschen Glück - den fertigen Pfannkuchen. Wie auf der CeBIT wird die gesamte Wertschöpfungskette abgebildet. So funktionieren B-to-B-Messen nun mal.

CW: Vielen Dank für das Gespräch.