IT im Bauwesen/Effizienz mit Stammdaten

Leidensdruck macht Brochier-Tochter TRP Potsdam selbständiger

22.11.1996

Kalkulation, Angebotserstellung, Arbeitsvorbereitung und Materialbestellung gehören zum täglichen Geschäft eines Bauunternehmens. Mit dem Einsatz von Informationstechnologie lassen sich diese Aufgaben wesentlich effizienter und exakter durchführen. Voraussetzung ist jedoch eine umfassende, gut gepflegte Stammdatenbank, die alle relevanten Daten für diese Aufgaben klar strukturiert zur Verfügung stellt.

Thomas Gensch, DV-Leiter der Tief- und Rohrleitungsbau GmbH in Potsdam, zu seiner Entscheidung für eine Bau-Standardsoftware: "Wir suchten ein Programm, das uns besonders bei der Erstellung, der Korrelation und der Pflege unserer Stammdaten sinnvoll unterstützt."

Die TRP mit rund 730 Mitarbeitern ging 1990 im Rahmen eines Management-Buyouts aus einem Tiefbau-Kombinat hervor und ist heute ein Tochterunternehmen des in Nürnberg ansässigen Brochier-Konzerns. Ihren Schwerpunkt sieht die TRP in den Bereichen Rohrleitungsbau, Ingenieur- und Anlagenbau sowie Erd- und Straßenbau. Darüber hinaus engagiert sich das Unternehmen im Hochbau mit Sanierungen und Wohnungsbauprojekten. Die TRP ist in der Region Brandenburg mit einem dichten Niederlassungsnetz vertreten.

Bei der Firmengründung nahm das Mutterunternehmen Brochier sehr starken Einfluß auf die Datenverarbeitung der TRP: Die Finanz- und Lohnbuchhaltung wurde komplett in Nürnberg abgewickelt. Die Kalkulation wurde zwar vor Ort durchgeführt, jedoch mit einem von Brochier entwickelten System und mit deren Stammdaten. Diese Lösung stellte sich als zunehmend pflegeaufwendig und kostenintensiv heraus. Bedingt durch die Tatsache, daß die Software zum damaligen Zeitpunkt ausschließlich auf Unix lief, war zum einen die Anschaffung der Hardware kostspielig, zum anderen die Einbindung der Baustellen mit Hilfe von Note- books unmöglich. Hinzu kam, daß das System zu unflexibel war, um an die Erfordernisse der TRP angepaßt zu werden.

Im Frühjahr 1993 traf das Unternehmen die Entscheidung, in puncto Datenverarbeitung weitgehend eigenständig zu werden. Der erste Versuch schlug fehl: Die TRP hatte auf ein System gesetzt, das sich zum damaligen Zeitpunkt noch in der Entwicklungsphase befand und dessen technische Mängel erst nach der Einführung offensichtlich wurden. "Das Ergebnis war, daß jeder Kalkulator für sich selbst entschied, mit welchem dieser Systeme er arbeitete. Damit war eine einheitliche Datengrundlage gar nicht möglich", bringt DV-Spezialist Sven Müller die Schwierigkeiten auf den Punkt. Aus diesem Grund rief das Unternehmen eine eigene DV-Abteilung ins Leben, deren Aufgaben unter anderem darin bestanden, den Kalkulatoren ein lauffähiges Programm zur Verfügung zu stellen und die Datenverarbeitung zu vereinheitlichen.

Die Auswahl der heute eingesetzten Software von IDB, Karlsruhe, basierte auf einem Bewertungskatalog, der - von einer Projektgruppe erarbeitet - die zahlreichen Anforderungen an das Produkt detailliert und gewichtet festlegte. Dem Unternehmen war es in erster Linie wichtig, mit einem etablierten Softwarehersteller zusammenzuarbeiten, der eine hohe Investitionssicherheit zu gewährleisten versprach.

Eines der wichtigsten Auswahlkriterien war das Handling der Stammdaten: Zum einen wurde ein System gesucht, mit dem sich die Informationen klar und detailliert gliedern lassen, zum anderen sollte der externe Zugriff auf die Stammdatenbank möglich sein, um die einfache Pflege und Aktualisierung der Daten zu gewährleisten. Außerdem war die problemlose Übernahme der umfangreichen Stammdatensammlung aus dem vorherigen System ein Muß.

Auch die Bedienerfreundlichkeit des Programms und die Möglichkeit, die Software individuell zu programmieren, spielten bei der Entscheidung eine große Rolle. Und nicht zuletzt wurden an ihre Funktionalität in den Bereichen Kalkulation, Arbeitsvorbereitung und Abrechnung hohe Anforderungen gestellt. Das Bau-Softwarepaket aus Karlsruhe hielt - im Gegensatz zu zahlreichen anderen Programmen, die in die engere Wahl kamen - den K.o.-Kriterien stand: "Es war das einzige Programm, das alle unsere Anforderungen erfüllte", kommentiert Sven Müller die Entscheidung. Und die Mitarbeiter spielen mit: Heute arbeitet niemand mehr mit einem anderen System.

Somit ist zum erstenmal die Voraussetzung für eine durchgängige, einheitliche Datenverarbeitung im Unternehmen geschaffen. Vor dem Umstieg verursachte der Arbeitsplatz eines jeden Kalkulators hohe Kosten, da er mit zwei Computern ausgerüstet sein mußte: einer Unix-Maschine für das Brochier-Programm und einem PC für Textverarbeitung und Tabellenkalkulation.

Heute sind ausschließlich PCs im Einsatz - pro Arbeitsplatz einer. Jede Niederlassung verfügt über ihr eigenes PC-Netzwerk, das wiederum über eine ISDN-Standleitung mit der Hauptverwaltung verbunden ist. So können die verschiedenen Niederlassungen ihre Daten bei gemeinsamen Projekten schnell und problemlos austauschen. Neben den mehr als 200 festinstallierten PCs ist auch jede größere Baustelle mit mindestens einem Notebook ausgestattet.

Viele Abläufe haben sich nicht nur vereinfacht, sondern sind auch exakter geworden. So ist es erstmals möglich, aussagekräftige Kalkulationen zu erstellen: Wo früher Schätzungen ausreichen mußten, werden heute die kaufmännischen Daten exakt analysiert. Die Auswirkungen von Angebotsänderungen werden dokumentiert und sind dadurch für jeden Kalkulator nachvollziehbar. Diese Auswertungsmöglichkeit wird besonders von den Niederlassungsleitern geschätzt, die auf diese Weise ihre Kosten nicht nur wesentlich genauer kalkulieren können, sondern auch in der Lage sind, ein Angebot kurzfristig zu überarbeiten. Außerdem erleichtert die Nutzung der Stammdatenbank die Abrechnung, die sich nun auf Grundlage der Aufmaße einheitlich durchführen läßt.

Mit der Einführung des neuen Systems hat sich ferner die Arbeitsvorbereitung erheblich vereinfacht: Die Bauleiter erhalten über automatisch erstellte Listen einen genauen Überblick über Geräteeinsatz, Personalplanung, die einzelnen Arbeitsschritte auf einer Baustelle und über die Arbeitszeit, die dafür zu veranschlagen ist - Informationen, die früher mühevoll per Hand aufgelistet werden mußten.

Die Entwickler von TRP planen zur Zeit den Umstieg von der DOS-Version auf "Bau für Windows", und zwar voraussichtlich für Ende 1996. Parallel dazu soll der Bereich Baustellen-Controlling forciert werden, indem eine Verbindung zwischen der Finanzbuchhaltung, der Kalkulation und dem Aufmaßsystem hergestellt wird. Ziel ist es, einem Bauleiter nicht erst am Ende des Monats, sondern mindestens wöchentlich die aktuellen, realen Daten seiner Baustelle zur Verfügung zu stellen. Dabei ist sowohl an die aktuellen Daten der Lohn- und Finanzbuchhaltung als auch an die Verrechnung der Geräte und Materialien gedacht.

Langfristig verfolgt DV-Leiter Gensch das Ziel, die gesamten Geschäftsabläufe mit dieser Software zu unterstützen - auch die derzeit noch mit einem Fremdsystem abgewickelte Lohn- und Finanzbuchhaltung: "Dann hätten wir wirklich ein durchgängiges Konzept, von der Angebotserstellung bis hin zur Abrechnung und Auswertung. Zwischen Karlsruhe und Potsdam findet zur Zeit ein reger Erfahrungsaustausch statt..

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Mehr ein Leidensweg als eine normale Migration, so stellt sich die Vorgeschichte einer Software-Entscheidung dar, wie sie für Unternehmen in den Neuen Bundesländern wohl nicht selten sein dürfte. Heute hat die Potsdamer Tief- und Rohrleitungsbau GmbH in Sachen Datenverarbeitung zur Eigenständigkeit gefunden und darüber hinaus zu einem regen Erfahrungsaustausch mit seinem Karlsruher Softwarehaus.

*Cornelia Staib ist freie Fachjournalistin in Stuttgart.