Betriebssystem Unix gilt als sichere Basis für die Zukunft

LANs und Mehrplatzsysteme in produktiver Koexistenz

16.02.1990

*Jürgen F. Peulen ist im Geschäftsbereich Daten- und Informationssysteme bei Siemens tätig.

Entweder-Oder-Entscheidungen sind heute nicht mehr unbedingt angesagt, wenn es um die Auswahl von PC-LANs und Mehrplatzsystemen (MPS) geht. Als Alternativen kommen zunehmend Mischformen in Betracht, die auch auf der Workstation-Ebene mit Unix arbeiten.

Ist die Gegenüberstellung "PC-Netze versus MPS" noch sinnvoll? Diese Frage drängt sich auf, wenn man die Vielfalt der Vernetzungsmöglichkeiten in Betracht zieht. Mitte der 80er Jahre wurden auf diesem Gebiet allerhand Überlegungen angestellt und je nach Fraktionszugehörigkeit auch Bewertungen vorgenommen. Die PC-Fans sahen die kleinen und mittleren MPS schon aussterben. Die technischen Möglichkeiten der PC-Vernetzung schienen immer mehr eine ideale Basis zum Ersatz der stärker im MDT-Bereich angesiedelten Lösungen abzugeben, wobei jeweils der Fileserver die Datengrundlage liefert.

Seit dem professionellen Einstieg der IBM in den PC-Markt hatten sich ja auch genügend PCs angesammelt, die auf ihre Vernetzung warteten. Wegen fehlender Unternehmensdaten konnten die Mikros aber nicht ausreichend genutzt werden. So war der PC oft mehr ein Mittel zur Produktionsminderung und Kostensteigerung - man denke nur an die Zeiten des PC-Wildwuchses und des Software-Chaos.

Die Anwendungsfälle der Datenverarbeitung sind in den letzten Jahren jedoch so umfangreich geworden, daß sich zwangsläufig eine ganze Reihe verschiedener Systemausprägungen entwickelten. Letztendlich liefern die Anwendungen im Unternehmen selbst die relevanten Entscheidungsparameter, wie beispielsweise Menge, Durchsatz oder Sicherheit.

Die hier angesprochenen Architekturen erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Neben PC-Lösungen werden MPS Unixsysteme (X-Terminals, X-Workstations beziehungsweise die X Window-Architektur) angesprochen.

Mehrplatzlösungen verfügen über sehr leistungsfähige interne Bausteine, unter anderem Controller, Zentralprozessor, Bussysteme. Die Bildschirme arbeiten meist noch alphanumerisch. Der Datentransfer zwischen Hauptspeicher und Plattenspeicher läuft über den internen Datenbus, zum Beispiel 32 Bit parallel, und ermöglicht damit einen sehr hohen Datendurchsatz. Die Plattenspeicher haben zusätzlich relativ geringe Zugriffszeiten. Die interne Hardware-Struktur wird zusehends durch Standardbausteine geprägt.

Die Zentralrechner bestehen meistens aus Standard-Mikroprozessoren. Sie sind kostengünstig und ermöglichen die schnelle Portierung des Betriebssystems Unix. Neue und leistungsfähige Prozessoren können auf diese Weise ohne großen Aufwand mit den

bestehenden Betriebssystemen zusammengeführt werden. Dies allein ist schon ein wichtiger Garant für die Zukunftssicherheit von Unix.

Die kostengünstigen intelligenten Arbeitsplätze haben wie der zentrale PC das Betriebssystem MS-DOS. Der Anschluß an den zentralen Rechner erfolgt über eine spezielle Karte (Steuerung mit Speicher). Um das Durchsatzproblem am Flaschenhals Plattenspeicher zu entschärfen, wird ein Cache-Speicher zur schnellen Zwischenspeicherung der Daten eingesetzt.

PC-Netze gibt es in großer Vielfalt und Leistungsausprägung. Gängige Übertragungsraten auf dem LAN sind ein bis zehn Megabit pro Sekunde, wobei die Daten seriell übertragen werden. Dies ist insbesondere bei einem häufigen Zugriff auf den Daten-Server zu beachten, zum Beispiel bei Datenbankanwendungen. Werden zwischen PC und Server zusätzlich Textdateien oder Pixelgrafiken übermittelt, kann dies zur Störung des Dialogbetriebs führen. Keine Engpässe ergeben sich hingegen bei der Programmladung vom Server oder bei einer gelegentlichen Datensicherung. Anwender, die aufgrund ihrer gemischten Anwendungsstruktur ein MPS bevorzugen, können für text- und grafikorientierte Arbeiten PCs koppeln. Das MPS dient den PCs als Daten-Server, unter anderem für Unternehmen oder zur zentralen Datensicherung.

Die Oberfläche bei den PC-Mikros besser

Komfortable grafische Benutzeroberflächen mit Ikonen- und Window-Steuerung sind bei den PCs verständlicherweise sehr weit fortgeschritten (MS-Windows seit 1984). Die direkte Objektmanipulation am Bildschirm ist eine einleuchtende Methode für die Arbeit am Computer.

Die kommende Windows-Version erweitert die Möglichkeiten für die Software-Entwicklung und verbessert die Benutzeroberfläche. So wird bei MS-DOS die Grenze von 640 KB fallen. Neben anderen meist noch in der Entwicklung befindlichen Produkten ist das neue Comfoware von Siemens exemplarisch für eine benutzerfreundliche Oberfläche, wobei die entsprechenden Produktteile grafikorientiert arbeiten, beispielsweise Comfo-Tex. Produkte anderer Hersteller, die ebenfalls unter MS-Windows laufen sind kompatibel - auch hinsichtlich der Datenaustauschformate.

MPS eignen sich in erster Linie für Multiuser Anwendungen auf der Basis eines Teilhaberkonzepts. Außerdem erfüllen sie hohe Anforderungen hinsichtlich der Datensicherheit und -konsistenz, ermöglichen einen Datenbankbetrieb mit häufigen Zugriffen auf die Datenbasis und übernehmen Abteilungsrechnerfunktionen.

Spezielle intelligente Terminals in Entwicklung

Das Betriebssystem Unix gilt mit Recht als zukunftssichere Basis für MPS. Lange Zeit arbeiteten die angeschlossenen Bildschirme alphanumerisch. Der Vorsprung der PCs auf diesem Gebiet wird durch X-Windows beziehungsweise den Motif-Standard der OSF "angegangen". Als zusätzliches Merkmal ist hier die Trennung von Anwendung (Client) und Window-Funktionen (Server-Funktionen) anzusehen. Der sogenannte X-Server läuft auf der Maschine, an die Bildschirm und Tastatur angeschlossen sind, und bietet einen grundlegenden Satz an Grafik-, Fenster- und Benutzereingabefunktionen. Jede Anwendung, gegebenenfalls auf einem anderen Rechner installiert, kommuniziert über das X-Protokoll mit dem Server. Wegen dieser Trennung sind spezielle intelligente Unix-Terminals in der Entwicklung, die an einem LAN mit angeschlossenen MPS arbeiten können. Der Server kann also auf einem anderen Rechner laufen als die Client-Anwendungen. Auf der CeBIT in Hannover werden Produkte hierzu erwartet.

Entscheidend bei der Anschaffung eines Systems muß die Anwendung sein. Die Kosten sollten keinen Ausschlag geben, zumal sie sich bei professionellen Systemen die Waage halten. Fernost-Produkte aus dem Supermarkt sind dabei ausgeschlossen. Hiervon ist unter anderem auch wegen dem fehlenden Support und Kompatibilitätsproblemen abzuraten.

Insgesamt läßt sich festhalten, daß die PC-Welt eine größere Dynamik aufweist, was aber auf aktuelle Entscheidungen nicht notwendigerweise Einfluß haben sollte. Auf der Fachmesse Comdex wurden für das Ende der 90er Jahre folgende Leistungsmerkmale prophezeit:

- PCs mit einer Milliarde Instruktionen pro Sekunde,

- 100 Gigabyte Magnetspeicher und

- zwei Millionen Pixel schon innerhalb der nächsten Jahre bei Bildschirmen.

Für den Büro- und Grafikbereich, besonders im Rahmen der individuellen Datenverarbeitung, ist der PC im Netzwerk deutlich den MPS überlegen. Wird am Arbeitsplatz bei der lokalen Anwendung viel Prozessorleistung benötigt, sollten PCs eingesetzt werden.

Bei Anwendungen jedoch, die alphanumerischer Art sind und komfortable und sichere Datenbestände erfordern, ist das MPS die bessere Alternative. Dies gilt auch für die Administration und Kompatibilität der Anwendungen, speziell bei größeren kommerziellen Systemen.

Die heutigen Netzwerk-Kulturen und die sich rasch ändernden Netzwerk-Technologien stellen den Endanwender vor Administrationsprobleme, die meist unterschätzt werden. Kunden glauben oft, sie bekämen die Wartung für ihre Netze umsonst. Dies ist nicht nur falsch, sondern wäre meist gar nicht möglich, da Fachhändler selbst oft nicht die Kompetenz für die Behebung der Netzwerkprobleme haben. +