LAN-Integration auch kuenftig wichtigstes Kriterium Task-Orientierung soll Perfect Office von Konkurrenz abheben

21.10.1994

MUENCHEN (CW) - "Perfect Office 3.0" wird die erste Suite sein, die Wordperfect unter Novells Aegide herausgibt. Nur die Versionsnummer knuepft an vergangene Kooperationen mit Borland an, ansonsten wurde das Paket weitgehend ueberarbeitet. Eine auf Aufgaben bezogene Funktionsstruktur, die naheliegende Integration in Netware-Systeme und reichlich Entwicklungswerkzeuge sollen die Staerke der Office- Loesung gegenueber der Konkurrenz demonstrieren.

Integration ist zu einem entscheidenden Kriterium bei der Beurteilung einer Suite- beziehungsweise Office-Loesung geworden. Dabei reicht es nicht, dem Anwender in einem Paket fuenf Programme anzubieten, von denen er die meisten unter Umstaenden ohnehin nicht braucht, auch wenn alle Komponenten zumindest in bezug auf ihre Oberflaeche wie aus einem Guss erscheinen. "Integration muss fuer den Anwender erfassbar sein", heisst es in einem Strategiepapier von Wordperfect. Benutzerfreundlichkeit ist dabei zwar sehr nuetzlich, erfuellt jedoch nicht die eigentlich vom User gestellte Forderung: Der Computer soll schlichtweg Arbeit abnehmen. Hilfestellungen wie sogenannte Trainer oder Wizards sind dabei letztlich nur Teilschritte.

Um sich von den Konkurrenten Microsoft und Lotus abzugrenzen, ist Wordperfect bei der Entwicklung von Perfect Office 3.0 einen neuen Weg gegangen. Zwei Ziele standen Unternehmensangaben zufolge im Vordergrund:

- die Suite soll sich bezueglich der Komponenten individuell konfigurieren lassen;

- der Anwender definiert seine persoenliche Aufgabenstellung, und die Software startet die dafuer noetigen Programme automatisch.

Abgrenzung von Microsoft-Produkten

Der erste Punkt wird mit der Suite-Variante "Perfect Office Select" realisiert, bei der sich der Anwender fuer bestimmte Komponenten entscheiden und diese von der CD-ROM mit Hilfe eines speziellen Codes freischalten kann. Die zweite Zielsetzung, die Automation von Aufgaben, wurde ueber sogenannte Quicktasks erreicht, die via Desktop Application Director (DAD) aufrufbar sind. Der DAD erscheint in Form einer modifizierbaren Funktionsleiste frei positionierbar am Bildschirm. Das Tool ist als Ersatz fuer den Windows-Programm-Manager gedacht und enthaelt Icons fuer saemtliche Office-Komponenten beziehungsweise Quicktasks.

Ein Task-Experte unterstuetzt den User bei der Erstellung seiner Anwendungen - zudem werden ueber 20 vorgefertigte Quick-

tasks geboten. Im Gegensatz zu den "Experten" anderer Office- Produkte handelt es sich bei den Quicktasks nicht um programmspezifische Automatisierungsfunktionen, die sich auf die Ausfuehrung bestimmter Routinen innerhalb einer Suite-Applikation beschraenken. Der Anwender startet eine spezielle Quicktask, und alle Programme, die erforderlich sind, um etwa einen Brief mit Tabelle und Grafik zu erstellen, werden automatisch aufgerufen.

Ein Beispiel: Der Benutzer klickt die Quicktask "Erstelle Memo" an. Die Software uebernimmt nun die Kontrolle: Sie oeffnet die Textverarbeitung Wordperfect, formatiert das Memo, fragt den Anwender nach Namen sowie Betreff und laesst ihn den Text eingeben. Danach wird das Memo abgeschlossen, indem der Benutzer eine der Beenden-Funktionen auswaehlt (Sichern, Drucken, Faxen, per E-Mail versenden, zum PIM hinzufuegen). Die Quicktask oeffnet die benoetigte Applikation, erledigt die Aufgabe, kehrt zum Desktop zurueck und uebergibt die Kontrolle wieder dem Anwender.

Ein Suite-uebergreifendes Hilfsmittel sind die sogenannten Quicktools. Sie bieten Funktionen unter anderem zur Blitzkorrektur (waehrend der Texteingabe), zur Blitzformatierung, fuer Kurzlisten, Quickfinder, Quickmenues und zur schnellen Hilfe. Auch die Unterstuetzung von OLE-2.0 erstreckt sich ueber saemtliche Suite- Applikationen. Die von Borland lizenzierte Datenbank "Paradox" der Perfect-Office-Variante "Professional" arbeitet als OLE-Client und auch als OLE-Server.

Ein Debuet im Update der Textverarbeitung Wordperfect 6.1 und damit auch in der Suite feiert die im Rahmen der "Perfect Sense Technology" erweiterte "Grammatik 6". Dabei handelt es sich um ein linguistisches Werkzeug, das Woerter auch sinngemaess erkennt. So laesst sich beim "Suchen und Ersetzen" ein Verb nicht nur nach dem exakten Wortlaut auffinden und austauschen, sondern auch in den konjugierten Formen. Laut Hersteller beziehen sich Korrekturen nicht mehr ausschliesslich auf die Rechtschreibung: Es werden auch grammatikalische Fehler behoben und komplette Saetze umgestellt.

Eine weitere Staerke von Perfect Office liegt im LAN-Einsatz des Pakets. Hier zeigen sich die ersten Fruechte der Uebernahme von Wordperfect durch Novell. Die Suite unterstuetzt den Netware- Navigator und bietet zwei verschiedene Installationsroutinen an, um benutzerspezifische Einstellungen wie Drucker und Werkzeugleisten kontrollieren zu koennen. Das Corporate-Modell erlaubt dem Systemverwalter die Modifikationen fuer die komplette Firma von einer zentralen Stelle aus. Das Professionell-Modell dient dem Anwender dazu, um eigene Einstellungen innerhalb der Programme vorzunehmen.

Fuer die Gruppenarbeit bietet das Office-Paket E-Mail, Kalender, Terminverwaltung und Aufgaben-Management. Darueber hinaus wird die Object Exchange Technology (Obex) unterstuetzt, mit der sich Dateien netzweit von anderen Office-Stationen anfordern lassen.

Werkzeuge fuer das Softwarepaket

Bei den Entwicklungswerkzeugen steht die Sprache "Perfect Script" zur Verfuegung. Mit ihr werden Makros aufgezeichnet, wobei die einzelnen Arbeitsschritte nicht an ein Programm gebunden sind, sondern ueber mehrere Office-Applikationen hinweg automatisiert werden koennen. Sofern Fremdprodukte auf die von den Office- Komponenten gemeinsam genutzte Codebasis zugreifen, lassen sie sich mit Perfect Script in die Suite einbinden. Ein anderes Werkzeug ist der "Visual Application Builder", der auf Novells Appware-Technologie basiert und die Entwicklung von Business- Applikationen auf grafischem Weg ermoeglicht. Mit seiner Hilfe lassen sich Programmkomponenten erzeugen, die als Appware Loadable Modules (ALMs) einen Link zur Suite erhalten.

Dreimal Perfect Office 3.0

Die deutsche Version von Perfect Office 3.0 wird voraussichtlich ab Februar 1995 verfuegbar sein. Saemtliche Programmkomponenten sollen mindestens zu 30 Prozent auf einen gemeinsamen Code zugreifen. Die Suite kommt in drei Varianten auf den Markt:

"Perfect Office Standard" (der Preis soll zwischen 800 bis 1000 Mark liegen) enthaelt

- das Update 6.1 der Textverarbeitungssoftware "Wordperfect",

- die von Borland uebernommene Tabellenkalkulation "Quattro Pro 6.0",

- das Update 3.0 der Praesentationsgrafik "Presentations",

- den Personal Information Manager (PIM) "Info Central",

- das Workgroup-Publishing-Werkzeug "Envoy"

- sowie "Groupwise", ein Tool fuer E-Mail, Kalender und Terminverwaltung mit Workgroup-Funktionen. Dieses Paket wurde urspruenglich unter der Bezeichnung "Wordperfect Office", im vergangenen Fruehjahr aber auch kurzzeitig als "Symmertrie" vermarktet.

Zu "Perfect Office Professional" gehoeren neben den in der Standardversion enthaltenen Applikationen:

- die Borland-Datenbank "Paradox 5.0", fuer die Novell eine Million Lizenzen erworben hat und

-das grafische Entwicklungswerkzeug "Visual Appbuilder" von der Frankenberg-Company aus Provo.

Die frei konfigurierbare Variante "Perfect Office Select" bietet alle Komponenten der Professional-Version plus:

-Workgroup-Applikationen von Wordperfect,

- eine Auswahl des Mainstreet-Programms (Wordperfects Consumer- Produktfamilie) und

-verschiedene Produkte von Fremdherstellern (ueber "Perfect Links" lassen sich ausserdem die Spreadsheets Lotus 1-2-3 und Excel in die Quicktasks von Perfect Office einbinden).