Gespräch mit den Sun-Chef Scott McNealy

Kundenangst vor Gratisprodukten

11.01.2002
MÜNCHEN (CW) - Scott McNealy, Chairman und Chief Executive Officer (CEO) von Sun Microsystems, sprach mit der CW-Schwesterpublikation "Computerworld" über die Zukunft von Sun.

CW: Wir haben im vergangenen Jahr über ein Problem mit dem externen Memory-Cache des "Ultrasparc II" berichtet, der viele "Ultra Enterprise Server" zum Absturz brachte. Beschäftigt Sie das noch?

MCNEALY: Wir kaufen keine SRAM-Speicher (SRAM = Static Random Access Memory, Anm. der Redaktion) von IBM mehr, da sie am meisten zu dem Problem beigetragen haben. IBM wusste vorher von den Schwächen, hat uns jedoch nicht darüber informiert. Wir haben die IBM-Technik aus unserer gesamten Cache-Architektur herausgenommen und verwenden eine eigene Fehlererkennungs- und -korrekturlogik.

CW: Hewlett-Packard und IBM haben vor kurzem ihre Preise für Unix-Server gesenkt, um den Konkurrenzdruck auf Sun zu erhöhen. Erwarten Sie nun einen Preiskrieg?

MCNEALY: Den gibt es bereits. Es existieren auf diesem Markt derzeit eigentlich nur zwei Unternehmen: IBM und Sun. Ich weiß nicht, wann HP hier das letzte Mal als legitimer Konkurrent aufgetreten ist. Es ist eineinhalb Jahre her, dass mir Compaq als ernst zu nehmender Server-Hersteller aufgefallen ist. Im Midrange- und Highend-Unternehmensfeld spielen nur IBM und Sun mit. Zwischen uns tobt ein Preiskrieg.

CW: Sind Sie bereit, Ihre Preise weiter zu senken?

MCNEALY: Wir tun, was immer notwendig ist.

CW: Apropos HP und Compaq - glauben Sie, dass die Fusion stattfinden wird?

MCNEALY: Ich hoffe es. Warum halten sich die Hewlett- und Packard-Nachkommen da nicht einfach heraus? Wie auch immer, HP und Compaq sitzen in der Klemme. Beide haben ihre eigenen Risc/Unix-Strategien aufgegeben und sich entschlossen, Wintel-Reseller zu werden. Inzwischen ist es jedoch egal, welchen Weg sie gehen. Selbst wenn Hewletts Sohn die Firma übernimmt und sagt, man wolle wieder im Risc/Unix-Geschäft tätig sein, bin ich nicht sicher, ob ihm die Kunden das abnehmen werden.

CW: Sun hat sich sehr für die Unterstützung von Linux engagiert. Aber Sie sind mit Ihren Marketing-Aktionen nicht so weit gegangen wie IBM. Woran liegt das?

MCNEALY: Wir sind mit unserer "Cobalt"-Linie weltweit die Nummer eins unter den Anbietern von Linux-Appliance-Servern. Wir bieten Linux-Erweiterungen für Solaris. Wir glauben jedoch nicht, dass Linux-Partitionen auf dem Mainframe viel Sinn geben. Das wäre so, als hätte man einen Campingplatz in seinem Garten.

CW: Solaris 9 soll in der ersten Hälfte 2002 auf den Markt kommen. Was ist wirklich neu daran?

MCNEALY: Die Software hat keine Hintertüren. Es gibt keine Möglichkeit für uns, Informationen über Anwender ohne deren Wissen abzugreifen. Unsere Lizenzbedingungen sind ganz anders als die von Microsofts "Windows XP". Es existiert keine versteckte Strategie, um an das Directory oder die Kundendatenbank der Anwender zu gelangen.

CW: Marktbeobachter vermuten, dass der "Iplanet"-Application-Server mit Solaris gebündelt und kostenlos wird. Denkt Sun darüber nach?

MCNEALY: Wir denken über alles nach. Allerdings sind wir nicht so sicher, ob die Kunden kostenlose Produkte wollen. Wir hatten einen Kunden, eine große Bank in Europa, der Star Office getestet hat. Das Produkt kam hervorragend an und bestand alle Tests. Viele Funktionen davon gefielen der Bank sogar besser als Microsoft Office. Als ich den Kunden fragte, ob er sich für Star Office entschieden habe, erhielt ich die Antwort: "Nein, wir geben Microsoft Office den Zuschlag." Zur Begründung hieß es, man sei irritiert, weil Suns Software kostenlos ist. Man sei nicht sicher, ob Sun es mit dem Produkt ernst meine und auch weiterhin in dessen Entwicklung investieren werde. An ein langfristiges kostenloses Geschäftsmodell glaubte der Kunde nicht. Ich fiel fast vom Stuhl, als ich das hörte und sagte meinen Mitarbeitern: "Lasst uns Geld dafür verlangen." Alle, die kein Geld haben, werden dagegen sein, aber all diejenigen, die Geld haben, sind skeptisch gegenüber Gratislösungen. Wem soll man es also recht machen - denen, die kein Geld, oder denen, die viel Geld haben? (kk)