Kunden fordern Einfluss auf Schnittstellen-Politik Anwender: Microsoft regiert ueber die Koepfe der Kundschaft hinweg

30.09.1994

FRAMINGHAM (IDG) - Besorgt zeigen sich viele Anwender ueber die Dominanz Microsofts im Desktop- und PC-Netzwerkgeschaeft. Eine Analyse bei 200 US-Lesern der CW-Schwesterpublikation "Network World" belegt: 42 Prozent der Befragten vertreten die Ansicht, der Softwareriese aus Redmond kontrolliere - wie einst die IBM - zu sehr die Einfuehrung von Softwarestandards, ohne auf die Wuensche ihrer Kundschaft einzugehen. "Man ist ihnen auf Gedeih und Verderb ausgeliefert", klagt ein Befragter.

Zwei Drittel der befragten Anwender bedauern, dass Microsoft den Kunden nicht ausreichenden Einfluss auf die Entwicklung von Technologien wie Object Linking and Embedding (OLE), Open Database Connectivity (ODBC) oder Messaging Application Programming Interface (MAPI) gestatte. "Microsoft beherrscht 100prozentig die Entwicklung dieser Spezifikationen", konstatiert beispielsweise Steve York, Senior Manager of Enterprise Computing Services bei der General Motors Hughes Electronics, Los Angeles. Die Gates- Company fuehre Aenderungen in Applikationen nur durch, um eigene Vorstellungen zu verwirklichen - keinesfalls, um Kundenbeduerfnisse zu befriedigen.

Bryan Tsunoda, Administrator for Research and Development Center bei The Aerospace Corp., dessen Unternehmen rund 3000 PCs und 2000 Macintosh-Rechner im Einsatz hat, haut in die gleiche Kerbe. "Mir ist nicht bekannt, dass Microsoft jemals Input von Unternehmen eingeholt haette, welchem API diese ihr Engagement widmen sollen." Laut Tsunoda muessen Anwender OLE so akzeptieren, wie es ist. Zwar sei Microsoft kooperativ, wenn es darum gehe, bestehende Applikationen zu ueberarbeiten, aber das geschehe "nur bei Produkten, mit denen sich das meiste Geld machen laesst", schimpft der Administrator.

Die derzeitigen Spezifikationen koennten wesentlich ausgereifter sein, wenn es ein offizielles Anwendergutachten geben wuerde, wie es etwa bei den Standards fuer den Online-Dienst Internet der Fall gewesen sei, meint York. Protokolle wie TCP/IP wurden damals entwickelt, demonstriert und anschliessend offiziell im Internet zur Verfuegung gestellt, so dass potentielle Anwender sie testen und darueber berichten konnten, gibt York zu bedenken. Aus diesem Prozess resultierten brauchbare, verlaessliche Technologien. Eine solche Vorgehensweise koenne auch bei Microsofts APIs Fruechte tragen.

Doug Henrich, Director for the Developer Relations Group bei Microsoft, haelt die Kritik fuer ueberzogen. Sein Unternehmen reagiere sehr wohl auf Feedback von Anwendern - und zwar hauptsaechlich ueber unabhaengige Softwarehaeuser, die die Wuensche ihrer Kunden weitergaeben. Die Gates-Company behalte sich jedoch die Kontrolle ueber den Entwicklungsprozess vor, stellt Microsoft- Manager Henrich klar.

Als Opfer von Microsofts Scheuklappenpolitik sieht sich Bob Stratton, Technical Advisor der Gulf Canada Resources aus Calgary, Alberta. Er habe vor kurzem 1200 Kopien von Microsofts Buero-Suite "Office" geordert, obwohl er von einigen integrierten Produkten wenig begeistert sei. Die fehlende Implementierung von OLE habe ihn jedoch davon abgehalten, Alternativen zu waehlen. Stratton haette sonst den Produkten "Harvard Graphics" der Software Publishing Corp. und "Ami Pro" von Lotus den Vorzug gegeben.

OLE und DDE: Technologien oder eher taktische Zuege?

"Man wird dazu gedraengt, Microsoft-Applikationen zu kaufen, um Dinge wie OLE oder Dynamic Data Exchange (DDE) verwenden zu koennen. Der Verzicht auf diese Funktionen koennte spaeter Probleme nach sich ziehen, wenn andere Programme nicht mit den Spezifikationen zurechtkommen", macht Keith Johnson, Systems Analyst bei der Becton Dickson Research Inc., Research Triangle Park, North Carolina, seinem Unmut Luft. Microsoft wolle sich durch diese Strategie einen Wettbewerbsvorteil verschaffen.

Besorgnis herrscht auch ueber Microsofts Windows-Planung. Rund 57 Prozent der befragten Anwender stellen fest, dass die De-facto- Standards des Softwaregiganten zu sehr auf die eigene Benutzeroberflaeche Windows zugeschnitten seien. So sehen sich 48 Prozent der User gezwungen, zwei Systemkonfigurationen einzurichten - ein Set fuer Windows- Systeme sowie eines fuer Rechner ohne Windows. "Kein Zweifel", moniert York, "all ihre Spezifikationen sind auf Windows getrimmt." Microsoft wolle beispielsweise mit IBMs Pendant OS/2 nichts zu tun haben. Die Gates-Company solle endlich plattformuebergreifende Implementationen zulassen - sowohl fuer Macintosh-Rechner als auch fuer alle anderen Betriebssysteme, fordert York.