Projekt für Erfassung und Verwaltung unstrukturierter Dokumente

Kreissparkasse springt mit Info-Pool ins Intranet

10.04.1998

Eine "Zentrale, wo alle Informationen aus dem Haus zusammenfließen", will Silke Berkling schaffen. Die junge Diplomkauffrau zeichnet mitverantwortlich für Info-Pool. Unter diesem Namen hat die KSK Hannover ein Projekt ins Leben gerufen, mit dem sie ihre unstrukturierten Dokumente in den Griff bekommen will.

Das Problem ist altbekannt: Mitarbeiter aller Hierarchiestufen werden mit Papier überschüttet, aber die Informationen, die sie gerade brauchen, können sie nicht finden. Auch die KSK Hannover hat ihre zahlreichen Rundschreiben, Vorstands- und Verbandsmitteilungen, Geschäftsanweisungen sowie die unternehmensrelevanten Zeitungsartikel bislang in Papierform verwaltet und verteilt. Zwar legte sie Indexkarteien an. Aber weil diese pro Dokument nur ein Kriterium berücksichtigen, mußten die Mitarbeiter unter Umständen doch wieder in den Originalunterlagen blättern. Zudem ließen sich neue Versionen eines Dokuments nicht immer der jeweiligen Ausgangsversion zuordnen.

Um solche Probleme zu lösen, gibt es zwei Möglichkeiten: vollberufliche Archivare einstellen oder ein vernünftiges Konzept für die elektronische Dokumenten-Recherche entwerfen. Die Kreissparkasse Hannover wählte den zweiten Weg und initiierte vor etwa zwei Jahren ein Projekt, das sich dieser Aufgabe widmen sollte. Als Partner holte sie sich die AIC Softwareprojekte & Unternehmensberatung GmbH, Berlin, ins Boot. Wie der dortige Projektverantwortliche, Martin Rümelin, berichtet, entstand unter der AIC-Ägide zunächst ein Low-Cost-System, das die bei der KSK vorhandenen Komponenten mit den für die Dokumentenerfassung und -verwaltung notwendigen Softwareprodukten verband. Diese Zwischenlösung diente dazu, zunächst einmal die vorhandenen Dokumente zu erfassen und Erfahrung mit der Materie zu sammeln.

Damals schon entschieden sich das niedersächsische Geldinstitut und das Berliner Software-Unternehmen für das Produkt eines in Deutschland wenig bekannten Anbieters - für "EFS" von der Excalibur Technologies Corp. , Vienna, Virginia, die seit kurzem eine deutsche Niederlassung in Eschborn unterhält. EFS ist ein System für die Volltextrecherche. Wie Berkling erläutert, erfordert die Suche nach bestimmten, im Text vorkommenden Wörtern im Vergleich zu einer Verschlagwortung weniger Abstimmungs- und Pflegeaufwand. Die Software erlaubt es aber auch, Attribute zu vergeben und in einer Datenbank - bei den Hannoveranern handelt es sich um eine Oracle-Implementierung - abzuspeichern. Darüber hinaus kann der Anwender auch Schlagwörter definieren. Und last, but not least ermöglicht das Excalibur-Produkt eine "semantische Suche" nach anwenderdefinierten Synonymen.

Mit der Software waren die Hannoveraner zufrieden - auch wenn der Hersteller in einigen Kleinigkeiten noch nicht sehr professionell agierte. So gab es keine deutschen Unterlagen; auch der Vertragstext wurde zunächst in englischer Sprache verschickt. Aber das Verhältnis zwischen Anwender- und Anbieterunternehmen hat darunter offenbar kaum gelitten. Denn Excalibur blieb Lieferant der Wahl, als das Projektteam daran ging, die Übergangslösung in die geplante Zielarchitektur zu übertragen (siehe Grafik).

Grundgedanke von Info-Pool ist es, alle Mitarbeiter in der Zentrale und in den Geschäftsstellen prinzipiell auf denselben Informationsbestand zugreifen zu lassen. Dazu hätte aber die Client-Komponente von EFS auf jedem Arbeitsplatzrechner installiert werden müssen. Glücklicherweise brachte Excalibur kürzlich die Nachfolgesoftware "Retrievalware" auf den Markt. Sie basiert auf der Technik des World Wide Web, sprich: sie wird zentral installiert und erlaubt den Informationszugriff via TCP/IP-Netz und Netscape-Browser.

Retrievalware enthält zudem einige Funktionen, die über das EFS-Angebot hinausgehen. Während in der alten Software der Thesaurus für die Synonymsuche selbst aufgebaut werden muß, liefert die neue ihn bereits mit. Wie Berkling hofft, wird Excalibur irgendwann in der Zukunft auch den Thesaurus des Informationsrings der Kreditwirtschaft (IK-Ring) integrieren. Vor allem aber erlaube das aktuelle Produkt eine "Fuzzy-Logic-Suche": Beim Übertragen der eingescannten Texte in maschinenlesbaren Code entstünden zwangsläufig Fehler, die üblicherweise eine Nachbearbeitung erforderten; Retrievalware verfüge jedoch über die Fähigkeit zur Mustererkennung und finde deshalb die Recherche-Begriffe auch dann, wenn sie im Text fehlerhaft abgespeichert seien.

In Absprache mit der DV-Abteilung kam das Info-Pool-Team überein, auf die neue Excalibur-Software umzusteigen und damit einen Stein ins Rollen zu bringen: Das Projekt soll als Pilot für eine künftige Intranet-Strategie der KSK Hannover dienen. Wann und in welcher Form dieses Beispiel Schule machen wird, ist noch nicht ausdiskutiert. Möglicherweise wird der Info-Pool mit den in der Betriebsorganisation aufgehängten Bereichen Bürokommunikation und Zahlungsbelegarchivierung verknüpft. Denn eines weiß Berkling sicher: "Wir wollen keine Insel bleiben. "

Zur Jahresmitte soll Info-Pool sein Richtfest feiern, was bedeutet, daß in den folgenden Monaten sukzessive etwa 1400 Arbeitsplätze angeschlossen werden. Berkling äußert die Überzeugung, daß sich die für das Vorhaben notwendigen Investitionen innerhalb von zwei Jahren amortisiert haben werden.

Das System

Server-Betriebssystem: AIX, Version 4. 1 (für den Applikations-Server ist Windows NT 4. 0 in der Diskussion) Client-Betriebssysteme: NT 4. 0 und Windows 3. 1

Netzprotokolle: TCP/IP, SQL-Net und andere

Web-Server mit CGI-Schnittstelle: derzeit Apache (eventuell später Domino)

Daten-Server: Oracle 7. 3

Applikations-Server: Oracle, derzeit in der Version 7. 2

Groupware: Lotus Notes

Anwendungssoftware: - für Scannen und Clipping: Proclip 2. 5 von Improx

- für Dokumentenindizierung und -import: selbstentwickelte Software (32 Bit)

- für Volltext-Retrieval: auf dem Server Retrievalware 6. 5 von Excalibur; auf dem Client Netscape Navigator 4. 04

- für Kompetenzenvergabe: AIC-Sec von AIC

Programmiersprachen für die Verknüpfung der Komponenten: auf dem Server C++ für AIX und Perl 5. 002; auf dem Client Delphi 3. 0, Jbuilder 1. 0 und C++Builder 1. 0 von Borland

DAS UNTERNEHMEN

Die Kreissparkasse (KSK) Hannover zählt eigenen Angaben zufolge zu den größten Arbeitgebern und Steuerzahlern im Landkreis Hannover. Die insgesamt 1700 Voll- und Teilzeit-Beschäftigten in den neun Direktionen und 100 Geschäftsstellen erzielten 1997 bei einer Bilanzsumme von mehr als elf Milliarden Mark einen Bruttogewinn von über 230 Millionen Mark. Nach Abzug der Personalkosten und Steuern blieben rund 36 Millionen Mark übrig. Im Internet ist die KSK unter http://www.ksk-hannover.de zu erreichen.