Zentrale Server-Installation spart Kosten

Konsolidierung gehört bei Voith zum Alltag

24.07.1998

"Konsolidierung ist für uns kalter Kaffee", sagt Martin Schiller, Leiter Systemtechnik bei Voith Dienstleistungen. Schon vor etlichen Jahren habe Voith damit begonnen, Rechenzentren zusammenzulegen. Vor allem Kostengründe seien dafür ausschlaggebend gewesen. Rezentralisierung ist für den IT-Manager denn auch kein neuer Trend, sondern eine längst bekannte Notwendigkeit. Schiller: "Wer es nicht tut, bekommt irgendwann Probleme."

Die der Voith Dienstleistungen GmbH & Co. KG angegliederte Abteilung Systemtechnik tritt als selbständiger DV-Dienstleister unter dem Dach der Holding J.M. Voith AG auf. Das letzte Großprojekt, die Abschaltung des IBM-Mainframes in Sao Paulo und die gleichzeitige Anbindung der brasilianischen Tochtergesellschaft an den Großrechner in Heidenheim, ist Schiller noch gut in Erinnerung. Wegen der großen Entfernung, der Sprachbarrieren und der Zeitverschiebung zählte die Konsolidierung zu den schwierigsten Vorhaben in einer Reihe von bis dato vier RZ-Zusammenlegungen innerhalb Deutschlands.

Die Entscheidung für die Ablösung des Großrechners in Sao Paulo fiel Anfang 1997. Wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage in Brasilien war die Mitarbeiterzahl in der dortigen Tochtergesellschaft von 5000 auf 1400 gesenkt worden. Ein eigenes Großsystem war vor diesem Hintergrund nicht mehr rentabel.

"RZ-technisch gesehen war der Standort Sao Paulo ein Abbild der Heidenheimer Zentrale", berichtet Schiller. Unter dem IBM-Betriebssystem VM/ VSE arbeitete ein CICS-Transaktionsmonitor; Informationen hielten die Südamerikaner auf den Datenbanken VSAM und DL/1 vor. Für Produk- tionsplanung und -Steuerung, Materialwirtschaft und Auftragsabwicklung hatte der Voith-Konzern eigene Anwendungen entwickelt. Programme für Finanz- und Rechnungswesen laufen im PC-Netz. Nach der Konsolidierung sollten rund 300 Anwender in Sao Paulo direkt auf den Heidenheimer Großrechner zugreifen.

Der wassergekühlte Fünf-Wege-Mainframe vom Typ "IBM ES 9021-860", der zudem 3000 Anwender in Deutschland bedient, bietet nach Schillers Angaben mit 200 MIPS ausreichend Kapazität.

Für die Anbindung der brasilianischen Mainframe-Anwender mietete Voith Kapazitäten auf einem 64-Kbit/s-Seekabel von der Telekom. Eine dazu erforderliche Kanalverlängerung für die noch kupferbasierten Host-Schnittstellen, Vorgänger der heute gebräuchlichen Escon-Kanäle, lieferte die Firma Storagetek. Als Backup dient eine Satellitenverbindung, die ebenfalls eine Bandbreite von 64 Kbit/s zur Verfügung stellt. Im Oktober 1997 übernahm Schillers DV-Team den RZ-Betrieb der südamerikanischen Tochter. In Sao Paulo verblieben lediglich die 3274-Terminal-Steuereinheiten, ein Xerox-Kanaldrucker und sonstige Peripherie.

"Anfangs hatten wir schon Bedenken bezüglich der Stabilität der Seeverbindung, die in der Vergangenheit nicht immer gewährleistet war", räumt Schiller ein. Immerhin mußten die Daten durch die Hoheitsgebiete von fünf nationalen Telecom-Gesellschaften geschleust werden. Inzwischen sei man sowohl mit der Verfügbarkeit als auch mit den Antwortzeiten der Installation zufrieden.

Trotz zusätzlicher Leitungskosten von etwa 12000 Mark im Monat spare der Konzern durch die Konsolidierung eine halbe Million Mark pro Jahr, erklärt Schiller. Den Löwenanteil bildeten wegfallende Softwarekosten. Neben dem VM/VSE-Betriebssystem sind damit auch Datenbanken der IBM, CICS und weitere systemnahe Anwendungen gemeint. Darüber hinaus ergäben sich Einsparungen bei der Hardware, der Wartung und den Personalkosten am Standort Sao Paulo. Alle RZ-Dienste werden nun von Heidenheim aus zentral gesteuert.

Neben Großrechnern und angeschlossenen Speichersubsystemen stehen am Firmenhauptsitz auch Netware-, NT- und Unix-Server im RZ. Insbesondere die drei Netware-Haupt-Server für File- und Print-Aufgaben, jeweils Dual-Pentium-II-Maschinen mit 300 Megahertz, möchte Schiller auf keinen Fall dezentral im Unternehmen installiert sehen. "Alleine aus Gründen der Temperatur und des Staubschutzes macht das keinen Sinn", so der Manager. "Eine Server-Umgebung gehört in ein professionelles RZ." Zudem seien die Rechner im Untergeschoß des Heidenheimer Gebäudes auch effizienter zu verwalten.

In der DV-Zentrale des Voith-Konzerns betreuen zirka 30 Systemspezialisten die Rechner für die Client-Server-Welt. 20 wei- tere Mitarbeiter steuern die Mainframe-Umgebung. Im Gegensatz zu etlichen anderen Unternehmen, die nach teuren Versuchen mit dezentralen Strukturen den Schritt zurück zu konsolidier- ten Server-Farmen gegangen sind, installierte Voith auch sogenann- te Open-Systems-Server von Anfang an zentral. Das RZ der Baden-Württemberger gleicht äußerlich denn auch einem wohlgeordneten Warenlager. Fein säuberlich in Regalen aufgestellt finden sich rund 60 Server. Ein Großteil der Rechner läuft unter Netware oder Windows NT. Daneben sind einige Unix- und Midrange-Systeme, etwa unter Digital VMS, installiert.

Auf der Client-Seite bewegt sich Voith Richtung Windows NT. Ziel sei es gewesen, eine gemeinsame Plattform für den CAD-Bereich und die übrigen Client-Systeme zu schaffen, erläutert Schiller. Die Migration der Unix-basierten CAD-Arbeitsplätze auf das Microsoft-Betriebssystem begann vor drei Jahren. Von den rund 1600 PCs in der Heidenheimer Zentrale sind bislang 800 Rechner von Windows 3.11 auf NT 4.0 umgerüstet worden. Windows 95 war für Schiller kein Thema. NT biete vor allem hinsichtlich Installation und Verwaltung deutliche Vorteile. Eigene Spezialisten möchte der IT-Verantwortliche dabei möglichst wenig mit PC-Installationsaufgaben belasten. Bei der Neuanschaffung von PCs verpflichtet er die drei beauftragten lokalen Händler, das Betriebssystem vorzuinstallieren und die Rechner vor Ort aufzustellen.

Anders als in der zentralen Großrechnerwelt spiele im PC-Umfeld das Thema Softwareverteilung eine große Rolle, so Schiller. "Unter NT ist das alles andere als trivial." Mit der Software "Netinstall" des Karlsruher Anbieters Netsupport habe man eine befriedigende Lösung gefunden.

Neuere Thin-Client-Architekturen sind bei Voith noch die Ausnahme. Zur Zeit erprobt man zwar die NCD-Software "Wincenter", um Windows-Office-Applikationen auf Unix-Workstations zur Verfügung zu stellen. Von Java-basierten Network Computern hält Schiller hingegen wenig: "Die Technik ist noch zu jung. Wir warten erst einmal ab."

Voith Unternehmensgruppe

Die Voith-Unternehmensgruppe beschäftigt weltweit rund 12000 Mitarbeiter; der Umsatz lag 1997 bei zirka 3,6 Milliarden Mark. Der Stammsitz des Maschinenbaukonzerns ist im baden-württembergischen Heidenheim angesiedelt. Dort arbeiten zirka 3600 Menschen. Die J. M. Voith AG, zu 92,5 Prozent noch im Familienbesitz der Gründerfamilie Voith, bildet die Holding für die vier Konzernbereiche Voith Sulzer Papiertechnik, Voith Appleton Bespannungstechnik, Voith Turbo Antriebstechnik und Voith Hydro Strömungstechnik.

Unter dem Dach der Holding agiert die eigenständige Voith Dienstleistungen GmbH & Co. KG. Deren Abteilung Systemtechnik mit zirka 50 Mitarbeitern zeichnet für den Betrieb des Rechenzentrums und der Client-Server-Welt verantwortlich.