Trend zur selektiven Zusammenarbeit mit Dienstleistern

Komplett-Outsourcing ist für Anwender kein Thema mehr

20.06.1997

Zweistellige Zuwachsraten prophezeien die Marktforscher der IDC Schweiz dem weltweiten IT-Outsourcing-Markt bis zum Jahr 2000. Beliefen sich die Ausgaben für die Auslagerung von IT-Aktivitäten 1996 noch auf 29,1 Milliarden Dollar, so werden sie laut Geschäftsführer Philipp Ziegler bis zur Jahrtausendwende auf 43,2 Milliarden Dollar ansteigen. Angetrieben werde das rasche Wachstum indes nicht durch vollständiges Outsourcing. "Vielmehr profitiert der IT-Outsourcing-Markt von dem zunehmenden Trend bei Unternehmen, DV-Teilbereiche auszulagern", so Ziegler.

Dies dokumentiere, wie der IDC-Marktforscher weiter ausführte, die Vorsicht, mit der weltweit Unternehmensvorstände und IT-Verantwortliche mittlerweile ihre künftige IT-Strategie definieren und in die Praxis umsetzen. Wurden bis vor wenigen Jahren viele professionelle Anwender noch - beeinflußt von Meldungen über große und spektakuläre Outsourcing-Abkommen - zum Auslagern ihres gesamten oder zumindest wesentlicher Bereiche ihres IT-Betriebs verleitet, haben heute entsprechende Vereinbarungen eher Seltenheitswert. Die Ursache hierfür ist einleuchtend: Immer wieder verlaufen Outsourcing-Projekte für Vorstände und IT-Verantwortliche enttäuschend, weil man angesichts zunächst verlockender Kosteneinsparungen vergißt, wieviel Zeit- sowie Personalaufwand und auch Kosten damit verbunden sind, sowohl den Service als auch den jeweiligen Service-Provider regelmäßig auf Effizienz zu überprüfen.

Immer mehr US-Unternehmen gingen deshalb dazu über, nur den Betrieb von Teilbereichen ihrer IT an Dritte auszulagern. Diese Welle schwappt nun auch nach Deutschland über, stellen hiesige Outsourcing-Anbieter fest.

"Die Verantwortlichen in den Unternehmen überlegen ganz genau, was und in welcher Größenordnung sie von ihren IT-Aktivitäten auslagern und in welcher Form dies geschieht", erklärte Gottfried Specht, Leiter Customer Services der Hewlett-Packard GmbH (HP). Daß die Zeiten vorbei sind, in denen ausschließlich das Kostenargument die Outsourcing-Entscheidung beeinflußte, hat auch Gerhard Schempp, Geschäftsführer Outsourcing und Consulting der CSC Ploenzke AG, Kiedrich, beobachtet. Und er räumte auf dem IDC-Forum freimütig ein: "Wir haben vom US-Markt gelernt und stellen uns besser auf den Kunden ein. Das erhöht die Chance, daß Outsourcing auch funktioniert."

Die Formen selektiven Outsour- cings können indes unterschiedlicher Natur sein. Sie reichen von der Auslagerung von Support-Funktionen über das Outsourcing des Rechenzentrums-Betriebs bis hin zur Integration der zentralen IT-Abteilung in ein Joint-venture mit einem Partner. Die Beweggründe sind immer die gleichen: verstärkte Konzentration auf die Kernkompetenzen, ohne die Kontrolle über die IT-Strategie zu verlieren - und gleichzeitig höhere Wirtschaftlichkeit beziehungsweise Kostenreduzierung trotz Bewältigung der in immer kürzeren Zeitabständen erfolgenden Technologiesprünge.

Nach wie vor gibt es aber eine Reihe von Erfolgsfaktoren, die für eine gute Geschäftsbeziehung zwischen Anwender und Dienstleister wichtig sind. Nach Ansicht von Werner Kreutner, Hauptabteilungsleiter Org./IV beim Werkzeugmaschinenbauer Trumpf, schließen diese die Definition der IT-Strategie und den Aufbau einer Vertrauensbasis im Vorfeld genauso ein wie kompatible Schnittstellen und Strukturen beim Outsourcing-Partner. Auch müssen klare Kommunikationsstrukturen über Kontaktpersonen und Steuerungsaussschüsse festgelegt sowie einzelne Servicelevel ausgearbeitet werden. Und besonders wichtig: Es muß unmißverständlich definiert sein, welche IT-Kompetenzen im Hause bleiben sollen und welche nicht.

Bei Trumpf entschied man sich beispielsweise für die Beibehaltung des eigenen Netzwerkbetriebs, während dem Outsour- cing-Partner Hewlett-Packard die Umsetzung einer bereits 1992 entwickelten Client-Server-Strategie übertragen wurde (Einführung von R/3 auf HP-Servern unter Unix und Windows NT bei gleichzeitiger Auslagerung des Rechenzentrum-Betriebs).

Ohne Outsourcing wäre Kreutner zufolge der Umstieg in die Client-Server-Welt kaum zu bewältigen gewesen. "Unsere Entscheidung, in Richtung R/3 zu migrieren, fiel mit der Konjunkturkrise im Maschinenbau zusammen. Wir schrieben erstmals rote Zahlen und hätten schon allein die erforderlichen Hardware-Investitionen von 1,3 Millionen Mark nicht tätigen können", konkretisierte der IT-Chef das damalige Szenario für sein Unternehmen, vor dessen Hintergrund die gesamten Entscheidungsprozesse abliefen. Bereut hat der IT-Profi den Schritt bislang nicht. Die mit dem Projekt verbundenen Ziele - Kostenreduktion bei gleichzeitiger Hardware-Erweiterung, einheitliche IT-Basis, Partizipation an Weiterentwicklung und erhöhte Sicherheit - sind, wie es in Frankfurt hieß, erreicht, zum Teil sogar übertroffen worden.

Anderes Beispiel ist der Batterien-Hersteller Varta. Dort führten vergleichbare Migrationspläne in Richtung Client-Server zur Umwandlung der internen IT-Abteilung in einen selbständigen DV-Dienstleister. Nachdem man schon gute Erfahrungen in Sachen BS2000-Großrechner-Outsourcing mit Siemens Business Services (SBS) gemacht hatte, entschied sich Varta im Rahmen der Standardisierung der Rechner-Infrastruktur unter Unix und Windows NT sowie der Einführung von R/3 für die Auslagerung der zentralen IT-Abteilung in ein Gemeinschaftsunternehmen mit SBS. Seit Oktober 1996 firmiert das SBS-Varta-Joint-venture, an dem die Siemens-Tochter mit 74,8 Prozent die Mehrheit hat, als Solvis Informationssysteme GmbH mit Sitz in Hannover. Geschäftsführer ist Jürgen Selig, der zuvor IT-Chef des Batterieproduzenten war.

Noch ist Solvis schwerpunktmäßig als Dienstleister für Varta tätig. Zunehmend profitiert die junge Gesellschaft aber von der Allianz mit SBS. Den Zielmarkt von Solvis sieht Selig bei mittelständischen Unternehmen in Industrie, Handel und Dienstleistung, denen man die R/3-Einführung, Betreuung und den laufenden Betrieb anbietet.

Für Varta selbst, sagt Selig, hat sich die Gründung des Joint-ventures in mehrfacher Hinsicht ausgezahlt. Neben der Kostensenkung um etwa ein Drittel könne sich das Unternehmen nun auf seine Kernkompetenz als Batterien-Hersteller konzentrieren, bestimme aber gleichzeitig die IT-Strategie. Darüber hinaus erfahre Varta die konstante Betreuung durch Solvis bei gleichzeitigem Zugriff auf das Spezialwissen von SBS. Außerdem sei der IT-Know-how-Abfluß verhindert worden. Last, but not least, betont der Solvis-Geschäftsführer, sei es zu einem Motivationsschub bei den IT-Mitarbeitern gekommen. Sie unterliegen nicht mehr den Zwängen, die sich durch das Hauptgeschäft von Varta ergeben haben, sondern arbeiten nunmehr in einem Unternehmen, in dem IT das Core-Business darstellt.

*Beate Kneuse is freie Fachjournalistin in Stuttgart.