Können Ergonomen und Designer bei der Softwaregestaltung helfen?

27.12.1991

Von Günter Kellner, Leiter Software-Marketing bei ICL Data, Düsseldorf

In der Vor-PC-Ära war die Welt noch in Ordnung. Die Informatiker erstellten ihre Programme, die Bildschirmmasken entstanden dabei meist zufällig. Anschließend wurden die Sachbearbeiter in die für sie relevanten Programme eingearbeitet. Der Mitarbeiter wurde dabei nicht gefragt; Ihm blieb nichts anderes übrig, als sich an die Technik anzupassen. Nun bedeutet der Begriff Ergonomie aber Anpassung der Arbeit an den Menschen und nicht umgekehrt. Wenn wir jetzt einmal davon ausgehen, daß das Erfassen oder Auswerten von Daten an einem Terminal Arbeit ist - besteht hier nicht ein gewisser Handlungsbedarf ?

Der schnelle und für viele Betrachter überraschende Siegeszug der PC in die Unternehmen hat in den Köpfen der Anwender und der DV-Industrie einen Umdenkprozeß ausgelöst, wenngleich die Intentionen sicherlich unterschiedlich waren.

Mit der Bürokommunikation hat sich über alle Branchen und Unternehmensgrößen hinweg ein wichtiges Einsatzgebiet für PCs entwickelt, das besonders die Hersteller von Software vor große Probleme stellt. Hatten wir es bisher, wie eingangs erwähnt, mit gut ausgebildeten DV-Anwendern zu tun, so sitzt jetzt plötzlich ein neuer Typ User vor dem Bilelschirm. Es sind die vielen Temporärbenutzer mit relativ geringen DV-Kenntnissen, die manchen Programmierer vor schier unlösbare Aufgaben zu stellen scheinen. Doch hier könnten sicherlich Ergonomen und Designer den Informatikern hilfreich zur Seite stehen.

Der Wunsch eines jeden Benutzers ist, ein bedienerfreundliches System zu haben, mit dem er leicht, schnell und problemlos, eben intuitiv, seiner Arbeit nachkommen kann.

Durch den unbestreitbaren und wahrscheinlich unaufhaltsamen Siegeszug der grafischen Benutzeroberfläche Windows 3.0 haben die Anwender deutlich gemacht, was sie unter einer Bedienerfreundlichkeit verstehen.

Die Orientierung der Software-Darstellung am realen Arbeitsleben, bei denen kleine Grafiken für jeden leicht identifizierbar Gegenstände des täglichen Lebens darstellen, kommt dem Anwender offensichtlich sehr entgegen.

Durch diese Metaphern fühlt sich der Mensch unmittelbar in das Geschehen auf dem Bildschirm mit einbezogen. Da sich die vielbeschworene Mensch-Maschine-Kommunikation in erster Linie auf dem Bildschirm darstellt, hat die Software-Industrie hier sicherlich die Wellenlänge des Kunden gefunden. Interpretiert man die Verkaufszahlen als Meßlatte für Akzeptanz, trifft daselbe auch für die Maus als Ergänzung zur Tastatur zu.

Obwohl Professor Helmut Krueger, Arbeitsmediziner an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich, anläßlich des kürzlich stattgefundenen Symposiums "Software-Design" in Bremen an der Maus kein gutes Haar gelassen hat (unphysiologische Handhabung), scheint das Votum des Benutzers eindeutig. Sofort können sich hier Arbeitsmediziner und Designer ans Werk machen und die "ultimative Maus" definieren.

So weit, so gut. Doch jetzt beginnt die Misere und die Unzufriedenheit oder Frustration des Users durch die Vernetzung der PCs zu komplexen Bürokommunikationssystemen. Die Probleme entstehen, da in der Büroumgebung häufig unterschiedlich aufgebaute Programme für die verschiedenen Aufgaben eingesetzt werden. Neben den für Textverarbeitung oder Kalkulation eingesetzten Windows-orientierten Anwendungsprogrammen sind Arbeitsgruppenprogramme wie Electronic Mail oder Zeitmanagement zu verwenden und selbstverständlich auch Host-Sessions zu fahren. Was immer der User auch macht, meist endet die vermeintliche Benutzerfreundlichkeit beim Programmwechsel.

Am Schlimmsten wirkt es sich bei unterschiedlichen Tastenbelegungen und den daraus resultierenden Bedienungsfehlern aus. Nichts ist so frustrierend wie die falsche Taste gedrückt zu haben, oft eben mit fatalen Folgen. An dieser Stelle muß den Designern, die Software mitentwickeln und damit Arbeitsgestaltung betreiben, auf die Finger geschaut und die Kreativität eingeschränkt werden. Selbst bei den sogenannten Windows-konformen Programmen steht manch ein Anwender immer wieder vor der Frage nach der richtigen Taste.

Was mag wohl der Grund sein, daß die üblicherweise mit F1 erscheinende Hilfefunktion bei einem Programm mit F3 aufgerufen werden muß? Oder ist "Datei laden" im einen Programm gleichbedeutend mit "Datei öffnen" in einem anderen? Diese Beispiele ließen sich noch lange fortsetzen und machen auch nicht halt vor den Programmen ein und desselben Softwareherstellers. Vielleicht erleben wir es aber noch, daß sich die Normierungsgremien an dieser Stelle für eine verbindliche Regelung stark machen, da offensichtlich Quasi-Standards oder Industrie-Standards nicht ausreichen. Dem Benutzer würde es helfen.

Auch die sogenannten System-Integratoren, Anbieter schlüsselfertiger Lösungen aus Hard- und Softwarekomponenten verschiedener Hersteller, wären sicherlich dankbar für gewisse Normierungen.

Anders als früher benutzen nämlich heute viele unterschiedliche Anwender vom Azubi bis hin zur Geschäftsführung mehr oder weniger häufig ihren Computer. Verschieden ist jeweils der Ausbildungsstand, das persönliche Interesse und die Erwartung hinsichtlich des Ergebnisses. All diesen Faktoren muß das Bürokommunikationssystem Rechnung tragen und sich allen Benutzern gleichermaßen benutzerfreundlich präsentieren.

Denn mehr als in anderen Bereichen, in denen Computersysteme eingesetzt werden, gilt für die Bürokommunikation, daß niemand Lust hat, ein kompliziertes System zu benutzen. Und je weniger es nutzen, um so nutzloser wird es und selbst die anfangs enthusiastischen Befürworter haben letztlich keine Freude mehr daran.

Eine einfache, intuitive Bedienung in Verbindung mit einer angenehm gestalteten Bildschirmdarstellung ist die Erwartung der Benutzer, und das mit Recht!

Eine schwere Aufgabe für Informatiker, stecken sie doch meist viel zu sehr in der Materie denn in der Haut des Anwenders. Haben Arbeitswissenschaftler und Designer einen anderen Blickwinkel? Wenn ja, wird's helfen.