Künstliche Intelligenz im HR-Bereich

KI kann Personaler nicht ersetzen

26.08.2019
Von 
Seit Januar 2017 ist Sonja Pierer Geschäftsführerin der Experis GmbH. Sie hat die ManpowerGroup-Tochter erfolgreich transformiert und Skills in den Bereichen IT, Engineering, Industrie 4.0, Cloud Architektur, Embedded Systeme und IoT ausgebaut. Nach ihrem Studium der Wirtschaftsinformatik durchlief sie unterschiedliche Führungspositionen bei Cisco Systems Germany sowie einem Anbieter von Cloud Lösungen.
Entscheiden bald Algorithmen darüber, welche Mitarbeiter eingestellt werden? Künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen können HR-Profis unterstützen, nicht ablösen.

Algorithmen im Unternehmen die Entscheidung für einen Mitarbeiter zu überlassen, ist ein Schreckensszenario für Personalabteilungen. Dabei können künstliche Intelligenz (KI) und maschinelles Lernen (ML) HR-Profis sehr wohl bei ihrer Arbeit helfen, etwa bei der Suche nach Mitarbeitern, dem Onboarding und bei der Weiterbildung.

Wie sich künstliche Intelligenz im HR-Bereich einsetzen lässt, zeigt der "Digital Room" mit dem Avatar Zara.
Wie sich künstliche Intelligenz im HR-Bereich einsetzen lässt, zeigt der "Digital Room" mit dem Avatar Zara.
Foto: ManpowerGroup

KI und ML haben bereits in vielen Sparten Einzug gehalten. Sie sind zum Beispiel das Herzstück von "smarten" Assistenzsystemen im Auto und helfen IT-Sicherheitsexperten dabei, Spuren von Cyber-Angriffen zu erkennen. Chatbots wiederum beantworten Fragen von Kunden zu einem Versicherungsvertrag oder dem Status ihres Fluges.

Nun schickt sich KI an, eine Domäne zu erobern, die bislang Menschen vorbehalten war: das Personalwesen. Den passenden Mitarbeiter auszuwählen und im direkten Gespräch dessen "Skills" unter die Lupe zu nehmen, war bislang dem HR-Spezialisten vorbehalten. Doch das könnte sich zumindest in einigen Bereichen ändern. Denn rund 16 Prozent der deutschen Unternehmen setzten bereits erste KI-Anwendungen im Bereich Human Resources ein. Das ergab eine Studie, die der Bundesverband der Personalmanager (BPM) zusammen mit dem Ethikbeirat HR Tech erstellt hat. Fast ebenso viele Firmen planen, KI in der Personalarbeit einzusetzen und rund 41 Prozent prüfen den Einsatz dieser Technologie.

KI-Systeme helfen bei der Mitarbeitersuche

Als den größten Nutzen künstlicher Intelligenz betrachten rund 41 Prozent der Personalfachleute laut der BPM-Studie die Unterstützung bei der Suche nach Mitarbeitern. Dagegen wollen nur jeweils 12 Prozent der Befragten die Auswahl der Mitarbeiter und deren Betreuung KI-Algorithmen anvertrauen.

Die eher zögerliche Haltung von Personalabteilungen gegenüber KI ist allerdings nicht auf ein tiefgreifendes Misstrauen gegenüber dieser Technologie zurückzuführen. Die Hälfte der Fachleute führt vielmehr an, dass sie nicht ausreichend mit der Funktionsweise und dem Nutzen von KI-Systemen im HR-Bereich vertraut sind. Laut BPM beschäftigen sich HR-Abteilungen vor allem mit künstlicher Intelligenz in ihrem Arbeitsbereich, wenn sie sich durch die Geschäftsleitung oder die generelle Entwicklung der Branche dazu aufgefordert sehen.

"Zara" führt Bewerbungsgespräche

Doch es gibt bereits Beispiele dafür, wie sich KI-Systeme im HR-Sektor verwenden lassen. Dazu zählt das Projekt "Digital Room". Bei ihm arbeiten die ManpowerGroup und Right Management, ein Spezialist für das Karrieremanagement, zusammen. Der Digital Room ist ein intelligenter mobiler Raum für Bewerbungsgespräche. Ein Avatar, also eine künstliche Person mit dem Namen Zara, führt die Gespräche. Im Vorfeld wird Zara mit Schlüsselbegriffen und vorgefertigten Fragen gefüttert. Sie beziehen sich auf den Tätigkeitsbereich und die Qualifikationen eines Kandidaten. Kameras und Mikrofone im Dark Room erfassen die Antworten und weitere Reaktionen des Bewerbers, etwa seine Körpersprache, Emotionen und den Tonfall.

Ein KI-Algorithmus analysiert im Anschluss die Daten und fasst die Ergebnisse in einem Bericht zusammen. Lösungen wie der Digital Room und Zara lassen sich auf die Anforderungen unterschiedlicher Branchen abstimmen. Eine Option ist, mithilfe von KI-gestützten Systemen Qualitäten von Bewerbern zu prüfen, die beispielsweise im Rahmen von Digitalisierungsprojekten Führungsaufgaben übernehmen sollen. Als Ergebnis eines solchen Assessment kann ein KI-Algorithmus beispielsweise einen DigiQuotient ermitteln. Er prüft, wie ein Bewerber digitalen Konzepten und Arbeitstechniken gegenübersteht.

Einsatz bei Vorauswahl von Kandidaten

Welche Vorteile ein KI-System in der Praxis bringen kann, zeigt das Beispiel der DBS Bank in Singapur. Sie setzt sei 2018 einen virtuellen Recruiter namens JIM (Jobs Intelligence Maestro) ein. Sie führt ein Screening von Kandidaten durch. Zu seinen Aufgaben zählen das Prüfen von Lebensläufen und eine erste Analyse von psychometrischen Profilen. Die Zeit für das erste Screening reduzierte sich laut der Bank von 32 Minuten auf acht Minuten. Außerdem beantwortet JIM rund 96 Prozent Fragen von Interessenten zur ausgeschriebenen Stelle. Das entlastet die Personalfachleute.

Unterstützung während des Recruiting-Prozesses ist allerdings nur ein Gebiet, auf dem KI-Lösungen die HR-Abteilung unterstützen können, so das Beratungshaus Ernst & Young (EY) in einer Untersuchung. Weitere Einsatzfelder sind Fortbildungsprogramme und das Onboarding von Mitarbeitern. KI-Systeme können mittels Chatbots Fragen von neuen Beschäftigten zum Unternehmen und dessen internen Prozessen beantworten. Teilnehmer von Trainingsprogrammen wiederum erhalten von einer Software Informationen darüber, welche Lerninhalte sie noch vertiefen müssen.

Verhalten von Mitarbeitern analysieren

Mit Vorsicht sind dagegen weitere Einsatzmöglichkeiten von KI und maschinellem Lernen zu betrachten. Denkbar ist laut Ernst & Young, dass solche Algorithmen Informationen über Mitarbeiter erfassen und auswerten, die aus öffentlich zugänglichen Quellen stammen. Dazu gehören die Beiträge von Beschäftigten auf Social-Media-Plattformen. Solche Informationen könnten herangezogen werden, um Aufschluss über die Motivation und Belastung von Mitarbeitern zu gewinnen. Der Vorteil dieses Ansatzes ist nach Einschätzung der Beratungsfirma, dass ein Unternehmen erkennt, in welchen Unternehmensbereichen Mitarbeiter unzufrieden sind. Dadurch ist es wiederum möglich, Gegenmaßnahmen zu ergreifen und zu verhindern, dass Beschäftigte abwandern. Allerdings muss geklärt werden, ob solche Analysen mit Datenschutzregelungen wie der DSGVO vereinbar sind.

Der HR-Spezialist wird nicht überflüssig

In einem Punkt sind sich HR-Experten, Beratungshäuser und Personaldienstleister einig: Algorithmen werden in absehbarer Zeit den HR-Profi nicht ersetzen können. So warnt EY davor, Personalentscheidungen komplett auf eine KI-Instanz abzugeben. Die Unternehmensberatung sieht derzeit vor allem bei zeitaufwändigen Routineaufgaben Einsatzfelder für KI, etwa bei der Vorauswahl von Bewerbern und dem Überprüfen von deren Unterlagen.

Hinzu kommt ein weiterer Punkt: KI-Systeme sind zumindest derzeit nur begrenzt in der Lage, "Soft Skills" von Kandidaten zu bewerten. Dazu zählen laut einer Studie der ManpowerGroup Eigenschaften, die Arbeitgeber in Europa besonders schätzen, etwa die Fähigkeit, Probleme zu lösen, die Zielorientierung, die Zusammenarbeit mit anderen Mitarbeitern und die emotionale Intelligenz. Ob ein Bewerber in ausreichendem Maße über diese Skills verfügt, lässt sich immer noch am besten im direkten Gespräch von "Mensch zu Mensch" klären.