Von Data Scientist bis zum Information Broker

Jobmaschine Big Data

21.09.2014
Von 
Bernd Reder ist freier Journalist und Autor mit den Schwerpunkten Technologien, Netzwerke und IT in München.
Big Data bietet jede Menge Potenziale fürs Business. Es gibt nur ein Problem: Spezialisten, die mit der neuen Art der Datenanalyse gekonnt umzugehen wissen, sind rar.

Daten sind der Rohstoff, der Unternehmen in den kommenden Jahren einen entscheidenden Wettbewerbsvorsprung bringen soll. So sind beispielsweise Informationen über Kunden, ihr Kaufverhalten, ihre Vorlieben und ihre Aufenthaltsorte bares Geld wert. Das Problem dabei: Big-Data-Projekte, bei denen völlig unterschiedliche Datensätze zu verwertbaren Geschäftsinformationen kombiniert werden, erfordern einen ganz speziellen Typus von IT-Spezialisten. Und der ist noch höchst selten anzutreffen.

Bis 2016 werden dank Big Data weltweit 4,4 Millionen neue Jobs in der IT entstehen, meint die Marktforschungsfirma Gartner. Und laut der Untersuchung "Worldwide Big Data Technology and Services 2012-2016 Forecast" von IDC steigt die weltweite Nachfrage nach Produkten und Services für Big Data derzeit um 31,7 Prozent jährlich. Insgesamt wird der neue Analysetrend IDC zufolge im Jahr 2016 ein Marktvolumen von 23,8 Milliarden Dollar erreichen.

Mehr Informationen über Kunden

Benno Zollner, Fujitsu: "Big-Data-Lösungen kombinieren Informationen aus unterschiedlichen Quellen und von vielen Technologien."
Benno Zollner, Fujitsu: "Big-Data-Lösungen kombinieren Informationen aus unterschiedlichen Quellen und von vielen Technologien."
Foto: Privat

Den Nutzen von Big-Data-Projekten für Unternehmen und öffentliche Einrichtungen taxieren Marktforscher weit höher. Die Beratungsfirma McKinsey schätzt beispielsweise, dass Unternehmen weltweit zusätzlich Produkte im Wert von 600 Milliarden Dollar absetzen könnten, wenn sie mehr über den aktuellen geografischen Standort ihrer potenziellen Kunden wüssten. Der öffentliche Bereich in der EU wiederum wäre in der Lage, durch die Auswertung umfassender Datenbestände an die 250 Milliarden Dollar einzusparen, etwa durch eine höhere Effizienz der Steuerbehörden und der Einrichtungen, die für die Vermittlung von Arbeitsplätzen zuständig sind.

Laut einer Studie, die das Marktforschungsunternehmen Business Application Research Center (BARC) auf der CeBIT 2013 vorstellte, nutzen europäische Unternehmen im Rahmen von Big-Data-Analysen vor allem Transaktionsdaten (75 Prozent). Das sind beispielsweise Informationen über das Einkaufsverhalten von Kunden, sei es in Geschäften oder auf Online-Portalen, die Quote der Rücksendungen und Reklamationen oder Anfragen nach Informationen über bestimmte Produkte.

An die 55 Prozent der Unternehmen werten Log-Files aus, rund 44 Prozent Informationen, die von Sensoren stammen. Mit 14 Prozent sind Social-Media-Daten noch unterrepräsentiert, doch mehr als 50 Prozent der Unternehmen wollen auch solche Informationen künftig verwenden, um Produkte zu optimieren, Trends schneller zu erkennen oder Informationen über spezielle Anforderungen von Interessenten und Kunden zu erhalten.

Diese Ergebnisse machen deutlich, dass Big Data eines bedeutet: Daten in unterschiedlichen Formaten und aus diversen Quellen müssen erfasst, konsolidiert und in Informationen "übersetzt" werden, mit denen Manager in der Geschäftsleitung, dem Vertrieb oder der Produktentwicklung etwas anzufangen wissen. "Herkömmliche Programme können die Datenmengen nicht ganzheitlich erfassen; dazu ist neue Software notwendig. Damit verändern sich auch die Anforderungen an das Know-how und die Fähigkeiten der IT-Fachkräfte", sagt Patrick Schmidt, Director Data Center Sales bei Cisco Systems Zentraleuropa. Ein wesentliches Element von Big Data ist die Auswertung von Informationen in Echtzeit. "Schon allein das erfordert ein spezielles Know-how im Bereich IT-Infrastruktur", ergänzt Schmidt.

Ein Big-Data-Fachmann in der IT-Abteilung müsse zudem Spezialkenntnisse in Bereichen wie Cloud Computing, Datenschutz und IT-Sicherheit haben. Das gilt nicht nur für die IT-Experten von Großunternehmen, sondern auch von kleinen und mittelständischen Betrieben. Der Grund: Für die Echtzeitanalyse großer heterogener Datenbestände fehlt es im Mittelstand oft an den erforderlichen IT-Ressourcen, etwa Server-Leistung, Speicherplatz und der Analysesoftware. Diese Komponenten lassen sich bei Cloud-Service-Providern ordern.

Die IT-Abteilung des Cloud-Nutzers muss in diesem Fall wissen, in welchem Format Daten an den Service Provider übermittelt werden und wie es um den Schutz dieser Informationen vor dem Zugriff Unbefugter bestellt ist. Da Big Data Echtzeit-Analyse bedeutet, muss die Netzwerkinfrastruktur so ausgelegt sein, dass Daten und Auswertungen schnellstmöglich zwischen dem Firmenrechenzentrum und dem Data Center des Dienstanbieters übermittelt werden.

Neue Berufsbilder

Laut Experton-Analyst Holm Landrock entstehen durch Big Data einige neue Berufsbilder, für die es bisher allerdings wenig Ausbildungsmöglichkeiten gibt.
Laut Experton-Analyst Holm Landrock entstehen durch Big Data einige neue Berufsbilder, für die es bisher allerdings wenig Ausbildungsmöglichkeiten gibt.
Foto: Privat

Allerdings sind die Mitarbeiter in IT-Abteilungen nur eine von mehreren Akteursgruppen, die in Big-Data-Projekten eine Rolle spielen. Die Beratungsfirma Experton Group geht davon aus, dass im Zuge von Big Data Neue Berufsbilder entstehen, darunter der Data Scientist und Data Analyst, außerdem der Information Broker. Nach Einschätzung von Experton-Analyst Holm Landrock dauert eine entsprechende Ausbildung etwa zwei bis drei Jahre. Allerdings seien entsprechende Aus- und Weiterbildungsangebote noch Mangelware. Nach Ansicht von Landrock benötigt ein "Datenwissenschaftler" Know-how aus unterschiedlichen Fachbereichen. Solche fach- und themenübergreifenden Ansätze seien jedoch noch selten anzutreffen.

Das bestätigt Benno Zollner, Chief Information Officer von Fujitsu Technology Solutions: "Big-Data-Lösungen kombinieren Informationen aus unterschiedlichen Quellen und von vielen Technologien. Somit sind interdisziplinäre Erfahrungen notwendig." Ein Big-Data-Spezialist müsse im Idealfall Wissen aus folgenden Bereichen aufweisen:

  • Enterprise-Content- und Dokumenten-Management,

  • Business Intelligence (BI),

  • Datenbanken,

  • Data Warehousing,

  • semantische IT-Ansätze und

  • Social-Media-Netze.

"Das setzt ein Studium der Informatik, Wirtschaftsinformatik oder Mathematik voraus", empfiehlt Zollner weiter. "Bezogen auf IT-Applikationen sollte ein Big-Data-Fachmann außerdem über Know-how in Bereichen wie Datenbanken sowie SAP und Oracle verfügen." Zudem sei ein fundiertes Wissen auf dem Gebiet des Projekt-Managements erforderlich.