Trübe Aussichten für Intel und Microsoft

Java und NCs bewirken Umkehr zur zentralen DV

20.09.1996

Gewinner dieser Trendumkehr sind neben Aufsteigern wie Netscape vor allem die Veteranen der Mainframe-Ära, Verlierer die Erfolgreichen des PC-Geschäfts, allen voran Microsoft. Diese Zwischenbilanz ziehen die Analysten der Bloor Research Group.

In ihrer eben erschienen Studie "The Enterprise by other means" nennen die Marktorscher Java, schlanke Clients wie den Network Computer und Fortschritte bei der Entwicklung von massiv- parallelen Systemen (MPP) als Schlüssel für den bevorstehenden Pendelschlag zurück in die zentralistische DV.

Freilich steht damit laut Report nicht einfach eine Rückkehr in die 70er Jahre bevor. Die Anwender begaben sich damals durch den Kauf der Hardware in die Abhängigkeit von Herstellern. Diese Entwicklung fand mit dem Erfolg des PCs ihr Ende, wurde aber durch die Bindung an Betriebssysteme (in erster Linie MS-Windows) erkauft. Die aus dem Internet stammenden Technologien läuten mit ihrer Plattformunabhängigkeit nach Meinung der Analysten das Ende des Windows-Monopols ein die Hardware-Abhängigkeit des Mainframe- Zeitalters steht mit der einhergehenden Rezentralisierung aber nicht mehr zur Debatte. Java-basierte Anwendungen laufen auf praktisch allen Plattformen, weswegen sich niemand mehr auf eine Hardware oder ein Betriebssystem festlegen muß. Die neue Freiheit droht allerdings auch neue Abhängigkeiten zu bescheren, diesmal allerdings auf der Applikationsebene.

Die Zuversicht, mit der neuen Zentralisierung nicht wieder in die alten Mißstände des IBM-Monopols zurückzufallen, begründete der Analyst Robin Bloor gegenüber der COMPUTERWOCHE mit veränderten Anforderungen der Datenverarbeitung: Nach der Batch- und Online- Verarbeitung stünden im Zeitalter verteilter Systeme Eigenschaften wie Skalierbarkeit, Portierbarkeit und Interoperabilität im Vordergrund. Dies zeige sich gerade bei der Durchsetzung neuer Internet-Standards, wo Techniken, die mit der Abhängigkeit von einem Hersteller verbunden sind, auf Ablehnung stoßen.

Aufgrund der drei genannten Anforderungen distribuierter Datenverarbeitung unterscheidet sich der von mehreren Herstellern propagierte Network Computer wesentlich vom dummen Terminal, in dessen Nähe ihn Gegner von Anfang an zu rücken versuchten. Als Erbe des PCs verfügt er über eine grafische Benutzeroberfläche, Multimedia-Fähigkeiten, kennt Client-seitige Programm-Ausführung und ist Nutznießer von Objekt-Technik.

Die Studie geht davon aus, daß in Unternehmen rund 70 Prozent der PCs durch einen NC ersetzt werden die restlichen 30 Prozent sollen die Aufgaben von Workstations, wie CAD/CAM, DTP oder Software-Entwicklung, erfüllen. PCs, ursprünglich entworfen als persönliche Hilfen zur Verbesserung der Desktop-Produktivität, haben dann keinen Platz mehr in der Unternehmenswelt. Als solche brachten sie schon seit längerem keine nennenswerten Fortschritte mehr zuwege: Updates bei Textverarbeitungen, Tabellenkalkulationen und Terminverwaltern folgen dem Abonnement-Prinzip, das laufend neue Funktionen beschert, die Anwender dann zum großen Teil ohnehin nicht nutzen.

Neben den hohen Unterhaltskosten ist es diese konzeptionelle Ausrichtung, die laut Bloor PCs von den Schreibtischen verschwinden läßt. Als unkommunikative Einzelgänger wurden sie ursprünglich - wie ihr Betriebssystem Windows - nicht für vernetzte Umgebungen geplant. Zu allem Überfluß, so das Ergebnis der Erhebung, werden sie häufig mit alten Eisen der Batch- und Online-Verarbeitung zu Client-Server-Systemen zusammengespannt, die ihrerseits nicht für Dienste in verteilten Umgebungen vorgesehen waren.

Zweifel darüber, ob der NC und Java überhaupt eine Zukunft haben, zerschellen der Studie zufolge an wuchtigen Tatsachen der Computer-Industrie: Praktisch alle maßgeblichen Hersteller, Microsoft inklusive, haben sich mittlerweile Java verschrieben. Während viele Entwickler hierzulande in Sachen Java noch abwarten, arbeiten rund 80 Prozent aller kalifornischen Startup-Companies an Java-Projekten. Einzigartig ist, daß die Akzeptanz für Suns Programmiersprache gleich auf mehreren Ebenen gleichzeitig stattgefunden hat: für Software auf Client- und Server-Seite sowie bei Hardware-Herstellern (zum System-Management bis zu Java- optimierten CPUs).

Die Chancen, daß die Plattformunabhängigkeit von Java durch Active X oder "native Compiler" auf der Strecke bleibt, beurteilt die britische Studie als gering. Microsoft werde mit der COM- Technologie zwar einen Markt etablieren können, dieser beschränke sich aber auf ein Nischendasein.

Überhaupt stehen demnach die Chancen für die Windows-Company relativ schlecht. Angesichts ungünstiger Einkommensverteilung, bei der im Geschäftsjahr 1995/96 fast 90 Prozent aus dem Desktop- Geschäft stammen, muß Gates angesichts der Umstellung in Richtung Netzwerk-zentriertem Computing die Flucht auf die Server-Seite antreten. Dabei ist entscheidend, wie sich die in der Vergangenheit häufig bemängelte Skalierbarkeit von Windows NT entwickelt. Neben Einkommensrückgängen muß Microsoft auch den Sieg von CORBA über COM/Active X hinnehmen. Die Gates-Company bildet auch in Zukunft eine Schicksalsgemeinschaft mit dem Chip- Hersteller Intel, dem die Plattformunabhängigkeit von Java ebenfalls schwer zu schaffen macht.

Gewinner der neuen Zentralisierung - so ein Fazit von Bloor Research - werden vor allem deren langjährige Verfechter sein. Dazu gehört vor allem Sun, das den Erfolg von Java bisher weidlich auszunutzen wußte. Dazu gehören aber auch IBM und Oracle, von jeher keine Freunde des PCs. Ihnen kommt vor allem die starke Verankerung im Consulting-Geschäft zugute, die Microsoft fehlt. Auch Siemens-Nixdorf befindet sich demnach in einer guten Position. Auf die Frage, warum sich der deutsche Hersteller ausgerechnet jetzt auf Microsofts PC-Technologie Active X einschwört (siehe Interview mit Peter Pagè in der Computerwoche Nr. 31 vom 2. August 1996, Seite 9), wußte Robin Bloor allerdings keine Anwort.