Dekra Akademie untersucht Stellenmarkt

IT-Know-how bald Selbstverständlichkeit

23.06.2000
STUTTGART (CW) - Jede zweite Stellenanzeige verlangt IT-Kenntnisse - zu diesem Ergebnis kommt die Dekra Akademie GmbH, Stuttgart, in ihrer aktuellen Analyse. Eine besonders hohe Nachfrage gibt es weiterhin bei Programmierern.

Laut Studie wurde an vier Stichtagen in mehr als jeder zweiten aller 35000 ausgewerteten Stellenangeboten fachspezifisches oder anwenderorientiertes IT-Fachwissen verlangt - 1997 war das erst in jeder dritten Offerte der Fall. Trotz überstandener Datumsumstellung zur Jahrtausendwende zählen Programmierer weiterhin zu den am meisten gesuchten IT-Fachleuten. In diesem Jahr finden sich fast 4600 Einträge zum Thema "Programmiersprachen", also in immerhin jeder vierten IT-Stellenanzeige der Stichprobe. Die Java-Nachfrage von 22 Prozent bedeutet eine Steigerung um acht Prozentpunkte gegenüber den Vorjahr, kann aber die Programmiersprache C nicht einholen.

Den anhaltenden Boom der Online-Technologien spiegeln die knapp 4700 Nennungen wider, ein Plus von 133 Prozent gegenüber 1999. Der Anteil an Inseraten zu E-Business und E-Commerce stieg auf 14 Prozent gegenüber fünf Prozent im Vorjahr.

Bei Qualifikationen zu betriebswirtschaftlicher Standardsoftware führt kein Weg an fundierten SAP-Kenntnissen vorbei: Über 2300 Anzeigen verlangen Know-how zu Systemen der Walldorfer Softwareschmiede, insbesondere zu SAP R/3. Bei allen übrigen betriebswirtschaftlichen Anwendungsprogrammen verbuchte lediglich Datev mit neun Prozent einen nennenswerten Anteil.

Im Netzwerkbereich sind Kenntnisse zu Windows NT unverzichtbar. Mit einem Anteil von über 70 Prozent konnte das Microsoft-Produkt seinen Vorsprung vor dem Zweitplatzierten Novell - acht statt elf Prozent im Vorjahr - weiter ausbauen.

Die Nachfrage nach Datenbank-Know-how ist in Stellenangeboten häufig nur allgemein beschrieben. So taucht in 24 Prozent aller Anzeigen zum Thema Datenbanken kein Produktname auf. Oracle konnte seine Spitzenposition aus dem Vorjahr mit einem Nachfrageanteil von 29 Prozent um weitere vier Prozent ausbauen. Auf den nächsten Plätzen folgen SQL Server (NT) mit 19 Prozent sowie die Großrechnerdatenbanken wie DB2, DL1 und IMS/Cics mit elf Prozent.

Die Dominanz leistungsfähiger PCs spiegelt sich in 88 Prozent aller Stellenanzeigen wieder, gegenüber 71 Prozent im Jahr 1999. Diese Entwicklung geht laut Analyse zu Lasten der Großrechner sowie der vernetzen Systeme, deren Name nur noch in fünf beziehungsweise sieben Prozent aller IT-Inserate zu finden waren. Auffallend ist hierbei der Nachfrageeinbruch bei den vernetzten Systemen, die es im Vorjahr noch auf 22 Prozent brachten. Kenntnisse zu Systemsoftware im Großrechnerbereich sind nur noch in sieben Prozent der untersuchten Angebote explizit gefordert. Aber auch vernetzte Systeme erlitten Einbußen, von 66 auf 55 Prozent. PC-Systemsoftware gewinnt dagegen an Bedeutung: Die meist genannten Produkte sind Windows (59 Prozent) und Unix (50 Prozent).

Abb: Bereits die Hälfte der Stellenanzeigen kommt aus dem IT-Umfeld. Vor zwei Jahren war es erst ein Drittel. Quelle: Dekras@_DB:CW_AN:060023146_YR:20000623_RU:Karriere_SO:COMPUTERWOCHE Nr. 25 vom 23.06.2000 Seite 89_XF:_XE:_XT:_DZ:Innovations-Management in Konzernen_TI:Think Tanks: Vordenker schmieden die Zukunft_VS:Das Tagesgeschäft spielt in Think Tanks keine Rolle. Schließlich sollen sich die Mitarbeiter nicht mit der Gegenwart beschäftigen, sondern an die Zukunft denken. Welche Aufgaben diese kreativen Keimzellen in großen Konzernen haben und welche Anforderungen an die Vordenker gestellt werden, zeigt Hilde-Josephine Post* am Beispiel der Think Tanks bei IBM, Siemens und Daimler-Chrysler._TX:Sie schlagen sich gegenseitig zum Ritter und rücken damit in den Adelsstand der technischen Elite auf. In der Academy of Technology, einem 1988 gegründeten, weltweiten Elite-Forum des Computerherstellers IBM, dürfen 300 Gleichgestellte (Peers) als Vordenker und Querdenker ein Stück Zukunft schmieden. "Beim Executive Management gelten wir als der Think Tank", erzählt Professor Frank Leymann, selbst Mitglied der Akademie sowie Distinguished Engineer bei IBM. Die Peers wählen die Mitglieder in eigener Regie aus, "um sicherzustellen, dass Querdenken erlaubt ist und nicht schon wieder eine feste Richtung vom Management vorgegeben wird". Allerdings müsse man sich vor der Aufnahme bereits einige Lorbeeren verdient haben. Der Zusammenschluss der Vordenker verweist "innerhalb der IBM auf Bereiche, die dringend Änderungen nötig haben", schildert Leymann. So will Big Blue verhindern, dass Märkte versäumt werden, die "weder die Entwicklungs- noch Forschungsabteilungen gegenwärtig adressieren".

Die Visionäre sitzen weltweit verteilt in verschiedenen Ländern. Da die Zukunftsaufgaben parallel zum normalen Arbeitspensum zu bewältigen sind, muss jeder eine "hohe Eigenmotivation mitbringen und so richtig vernarrt in das Business sein", erzählt Leymann. Im Wesentlichen organisiert sich die Gruppe selbst, jeder teilt sich seine Zeit selbst ein. Der President der Akademie leitet zwar die Bitten des Executive-Managements, ein Thema aufzugreifen, via E-Mail an alle Mitglieder weiter. Doch die einzelnen Peers entscheiden entsprechend ihrer Spezialkenntnisse und ihres Terminplans selbst, ob sie bei der Aufgabe mitwirken wollen. Oft entstünden dann Teams von zehn bis manchmal sogar 100 Personen.

Mindestens einmal pro Jahr kommen alle Akademie-Mitglieder für ein einwöchiges Treffen zusammen. Sie tauschen sich über den Stand der Dinge aus und geben sich neue Anregungen. Die technischen Vordenker brüten zum Beispiel darüber, ob IBM in neue Softwarebereiche investieren soll. So entpuppte sich infolge einer Think-Tank-Tätigkeit das Linux/390-Engagement von IBM. Oft lägen aber auch Themen mit gesellschaftlichen Aspekten im Zentrum des Interesses, etwa wie Informationstechnologien für ältere Menschen oder Behinderte aussehen müssten.

Bisher gibt es keine feste Definition, was einen Think Tank eigentlich ausmacht. Vergleicht man jedoch die Art der Forschungs- und Entwicklungsschmieden unterschiedlicher Firmen, so stehen ähnliche Merkmale im Mittelpunkt. "Obwohl der Forschungsbereich in rund 25 Labs organisiert ist, werden innerhalb von Daimler-Chrysler nur wir als Think Tank bezeichnet", wundert sich Professor Eckard Minx. Den Grund vermutet der Leiter von "Forschung, Gesellschaft und Technik" bei Daimler-Chrysler in der Ausrichtung seines Lab: Hier werden Produkte und Probleme unter einer nichttechnischen Perspektive betrachtet. In der Industrieforschung sei das sonst weniger der Fall. Seiner Ansicht nach haben Think Tanks die Aufgabe, in einer anderen Weise über Probleme nachzudenken als es normalerweise geschehe - mit vielen Disziplinen, unter ganzheitlichen Gesichtspunkten und langfristiger Perspektive.

Auch bei Siemens ist das der Fall. Thomas Lackner, Leiter der Abteilung Innovative Business, ergänzt: "Think Tanks sollten frei vom Tagesgeschäft und der derzeitigen Positionierung des Unternehmens auch über völlig neue Geschäfte nachdenken." Beim Elektronikriesen gibt es weltweit fünf virtuelle Teams mit je fünf bis sechs Leuten als sogenannte Keimzellen. Sie fokusieren den Gesundheits- , Industrie-, Energie-, IuK- sowie den Transportsysteme-Markt. Um immer wieder frischen Wind in die Think Tanks zu blasen, sollte ein Mitglied nicht länger als drei Jahre verharren. "Kreativität und Eigenständigkeit, kein vorgefasstes Denken, kulturelle Offenheit, Leute mit Kundenverständnis", hält Lackner für die wichtigsten Eigenschaften, die ein Teamkollege mitbringen muss.

Daimler-Chrysler sucht für seinen Think Tank vor allem nach Kandidaten, die mehr als eine Ausbildung absolviert haben. Mitarbeiter, die sich auf ein einziges Themengebiet wie Rechnungswesen oder internationale Wirtschaftsbeziehungen versteifen würden, seien nach Vorstellungen von Minx fehl am Platz. Neben einer exzellenten Qualifikation sollte ein Anwärter pragmatisch denken können, terminlich und thematisch flexibel sein, sich schnell in komplexe Fragen eindenken können. Zudem müsse er Verständnis für interkulturelle Beziehungen haben, sehr gut präsentieren können, teamfähig und sozialkompetent sein sowie in bestimmten Konstellationen unter Anspannung arbeiten können. Einigen Bewerbern fehle es an sozialen Fähigkeiten, da diese in der Regel an den Hochschulen nicht gelehrt würden. "Die versuchen wir ihnen dann beizubringen", sagt Minx.

Zunehmend wird in der Industrie der Trend sichtbar, nur noch junge dynamische Leute anzuheuern. Vor einem Jugendlichkeitswahn möchte Minx jedoch warnen: "Jung sein allein hat keinen Wert an sich. Ideal ist eine Mischung." Eine bedeutende Rolle spiele die internationale Komponente, da Mitarbeiter aus zehn Nationen zusammentreffen. Projekte, die zum Beispiel die USA betreffen, sollten wegen der Mentalitätsunterschiede und dem andersartigen sprachlichen Verständnis nie ohne Amerikaner abgewickelt werden. Das gleiche gelte für andere Länder. "Wir können weder in anderen Kulturen noch in anderen Disziplinen mitreden, allenfalls zuhören", hat Minx erfahren. Bereits banale sprachliche Differenzen können zu Missverständnissen führen. Der Berliner Professor erinnert sich: "Bei der ersten Sitzung mit meinen amerikanischen Kollegen vor vielen Jahren sagte ich am Abschluss des Gesprächs, ich finde das sehr okay. Alle nickten. Am nächsten Morgen fragte mich ein Teammitglied, welches Okay ich gemeint hätte, das europäische - das sehr gut bedeutet - oder das amerikanische - was eher heißt: na mach es, wenn dir nichts Besseres einfällt. Heute lachen wir darüber."

Interdisziplinäre und internationale Gruppen zu führen, verlangt auch vom Leiter ein besonderes Charisma. Minx sieht die größte Herausforderung darin, die Balance zwischen einem Team zu halten, dem man seinen freien Lauf lässt (Selbstorganisation) und einem, das zu bestimmten Arbeitsprozessen angeleitet wird. Das zu erreichen setze Akzeptanz, gegenseitigen Respekt und die Bereitschaft voraus, seine eigenen Interessen manchmal hintenan zu stellen. "Der Leiter muss einfach Spaß daran finden, nicht alles bestimmen zu können. Er muss für Überraschungen offen sein", resümiert Minx.

Je nach Projekt werden unterschiedliche Leute zusammengewürfelt. Bei Daimler-Chrysler existiert jedoch ein Kernstamm von 35 Mitgliedern, die in Berlin, Palo Alto und Kyoto arbeiten. "Wenn wir darüber hinaus Spezialisten benötigen, greifen wir auf ein weltweites Netzwerk zu, eine Art Kartei mit 250 Leuten", ergänzt der Leiter. Think-Tank-Newcomer werden meist über Mund-zu-Mund-Propaganda gefunden. Mitterweile können sich die Vordenker vor dem Andrang kaum retten. Viele fangen erst einmal beim Automobilkonzern als Hilfskraft an, schreiben vielleicht ihre Diplom- oder Doktorarbeit. Bewähren sie sich, so dürfen sie in ersten Projekten mitarbeiten. Erst danach besteht die Chance eingestellt zu werden. Die Vorstellungsgespräche trotzen jeglicher Norm. "Nicht ich, sondern das Team trifft die Wahl", erklärt Minx, mit dem die eingeladenen Kandidaten in großer Runde diskutieren. Dabei gehe es weniger um die fachlichen Kompetenzen als um die Persönlichkeit des Bewerbers. "Wir versuchen zu verstehen, wie Sie so als Mensch sind." 70 Prozent der Personen, mit denen sie zusammenarbeiten sollen, müssen der Einstellung zustimmen.

Wer bisher glaubte, Think-Tank-Scouts dürfen nur rumspinnen und unnützen Ideen nachhängen, hat sich getäuscht. "Bei uns war das einmal ähnlich. Seit den neunziger Jahren müssen wir 50 Prozent unseres Geldes selbst verdienen", erzählt Minx. Darüber ist er sogar froh, denn früher hatten die Vordenker Probleme, Gehör zu finden und akzeptiert zu werden. Zwar stünden sie jetzt unter gewissem Erfolgszwang, weil es um Kundenaufträge geht, doch gerade deren Feedback bringe eine viel größere Befriedigung. "Wir haben nun ein Standbein und ein Spielbein", erklärt Minx. Projektaufträge laufen zwischen drei Monaten und eineinhalb Jahren. So habe beispielsweise eine Gruppe die Firma Altrans beraten, wie die Lokomotiven künftig aussehen sollten, die in möglichst viele Länder verkauft werden können, ohne dass eine große Vielfalt technischer Module notwendig wäre. "Wir konnten Einsparpotenziale in vielfacher Millionenhöhe nachweisen", so Minx. In anderen Projekten hingegen werde 15 Jahre voraus gedacht. Etwa bei der Frage: Welches sind die künftigen Dienstleistungen, für die die Bevölkerung bereit ist Geld auszugeben?

Die Keimzellen bei Siemens sind dagegen nicht verpflichtet, Geld zu erwirtschaften. "Die beste Idee hilft aber nichts, wenn sie nicht umgesetzt wird. Das ist meist der wunde Punkt am gesamten Innovations-Management", bedauert Lackner. Seine Mannschaft kann dennoch auf gute Erfolge zurückblicken. Nachdem im vergangenen Jahr in den Keimzellen über attraktive Zugangsmöglichkeiten für Informations- und Kommunikationstechnologie im Heimbereich nachgedacht worden war, habe sich im Januar der Geschäftsbereich Powerline-Communication gegründet, der dem Geschäftsgebiet ICN angegliedert ist. Um derartige Transformationen guter Ideen in die Praxis noch verlockender zu gestalten, denkt das Management bei Siemens gerade über eine Erfolgsbeteiligung der Mitarbeiter nach. "Hier stehen wir aber noch am Anfang", sagt Lackner. Seiner Meinung nach hänge der Erfolg eines Think Tank letztlich stark von der Geschäftsleitung ab: "Sie muss dahinter stehen und daran glauben, dass die Teams vernünftige Arbeit leisten und einen Mehrwert fürs Unternehmen schaffen."

*Hilde-Josephine Post ist freie Journalistin in München.