Return on Investment (RoI)/Weiche Faktoren begrenzen den Nutzen von RoI-Berechnungen

IT ist kein reiner Kostenfaktor

22.02.2002
In den vergangenen 20 Jahren sind die Investitionen für IT stetig gestiegen. Kein Wunder, dass angesichts der großen Summen die Frage nach dem tatsächlichen Wert laut wird. Mit der Berechnung des Return on Investment (RoI) glauben viele eine angemessene Entscheidungshilfe gefunden zu haben. Doch wer sich allein darauf verlässt, ist schlecht bedient.

"Bei einem CRM-System im Vorfeld zu fragen, was es bringt, ist nahezu unmöglich", sagt Lutz Peichert. Der Meta-Group-Analyst räumt mit der Illusion auf, mithilfe einer RoI-Berechnung ließe sich Sinn oder Unsinn jeder IT-Investition ermitteln. Um den Ertrag, der sich aus dem Einsatz bestimmter Techniken ergibt, zu messen, müssen Kosten wie Nutzen gleichermaßen bekannt sein, und das - was besonders heikel ist - noch bevor diese Technik überhaupt gekauft geschweige denn eingesetzt wurde.

Allein in diesem Anspruch liegen bereits zwei Unsicherheiten. Da ist zunächst der Nutzen, der im Gegensatz zu den Kosten oft nur schwer zu quantifizieren ist. "Der Nutzen lässt sich zwar beurteilen", so Rainer Janßen, Leiter Zentralbereich Informatik bei der Münchner Rück, "aber schwer messen." In seinem Unternehmen läuft beispielsweise derzeit die Einführung von Windows 2000. "Wie sollen wir nun beispielsweise den Nutzen, der darin liegt, dass es künftig eine global einheitliche Zugriffsberechtigung gibt, errechnen?", fragt er. Abgesehen von dem hohen Aufwand, der mit einer solchen Berechnung zusammenhängt, lassen sich Effekte wie Mitarbeiterzufriedenheit nur schlecht in Zahlen ausdrücken.

Hier zeigt sich auch die zweite Falle, die sich mit der RoI-Berechnung auftut. RoI an sich ist eine Vorabkalkulation. Beispiel UMTS: "Natürlich rechnet man nicht rein ins Blaue hinein, aber ein Stück weit versucht man schon, die Zukunft vorherzusagen", bestätigt T-Mobile-Sprecher Phillip Schindera.

Dass Kosten-Nutzen-Überlegungen Aufmerksamkeit gewinnen, hängt nicht nur mit der schlechten Wirtschaftslage zusammen. Auch der Umstand, dass die IT-Investitionen für Unternehmen ein stetig wachsender Kostenblock sind, lässt viele Vorstände danach fragen, ob sich dieser Aufwand auch tatsächlich rechnet. Das ist aber nicht so einfach. Mit der wachsenden Komplexität von IT und immer mehr Verflechtungen von Technik und Geschäftsstrategie wird das Konzept RoI daher zunehmend auch kritisch betrachtet.

Nutzen neuer Technologie ist kaum messbarDas dürfte auch damit zusammenhängen, dass sich trotz aller Bemühungen die Resultate bislang eher bescheiden ausnahmen. Die Kosten jeder Technologiewelle - von Mainframes, PCs, Client-Server, ERP bis zum Web - in Größen wie steigenden Umsatz oder höhere Sparquoten umzurechnen, das "endete in Unschlüssigkeit und beschränkten Aussagen wie: Wachsende Produktivität hängt irgendwie mit technischen Investitionen zusammen", wirft David Axson, Managing Director und Chief Intellectual Capital Officer bei Answerthink, einem US-amerikanischen IT-Beratungshaus, den eifrigen Rechnern vor. Seiner Meinung nach sind es zwei wesentliche Gründe, die zu diesem Dilemma beitragen:

Erstens kann IT nicht isoliert betrachtet werden. Immer enger wird die Verbindung zwischen der Geschäftsstrategie eines Unternehmens und den (daran angepassten) IT-Strategien. Seit dem PC und spätestens mit dem Internet sind die Grenzen zwischen Technik, Mitarbeitern und Prozessen verschwunden, was es nahezu unmöglich macht, sie getrennt voneinander zu untersuchen.

Zweitens: IT ist kein Allheilmittel. Bleibt der erwünschte Erfolg bei Einsatz bestimmter Techniken aus, ist dies nicht zwingend deren Fehler. Schlechtes Prozessdesign oder mangelhafte Schulungs- und Trainingsmaßnahmen müssen ebenfalls als Ursachen in Betracht gezogen werden.

Hoher BerechnungsaufwandDie RoI-Berechung ist deshalb aber nicht sinnlos - nur häufig sehr kompliziert. Sie erfordert einen erheblichen Aufwand und ob sich dieser lohnt, hängt wiederum von dem Projekt ab. "Gerade bei operativen Notwendigkeiten wie der Bereitstellung von Bandbreite für das Firmennetz ist die Ermittlung eher unnütz", sagt Janßen, "hier muss einfach investiert werden." Gleiches gilt für kleinere Projekte, bei denen die Bemühungen nicht mehr im Verhältnis zum Investitionsvolumen stehen. "Das ist wie mit Kanonen auf Spatzen zu schießen", erläutert Meta-Group-Analyst Peichert. "Bei der Umstellung von Windows 95 auf Windows 98 oder 2000 ist der Bedarf klar, in so einem Fall sollte man es sich gründlich überlegen ob man sich eine RoI-Berechnung antut." Dies gilt jedoch nicht für umfassendere Projekte, bei denen es um Millionensummen geht. "Da sollten einem die Kosten für die Berechnung schon wichtig sein", rät Peichert.

Jeremy Grigg, Research Director bei Gartner, schlägt beispielsweise für den Bereich IT-Services die Unterscheidung dreier Ebenen vor. Die ersten sind die IT-Utility-Services, wie Helpdesk und Wartung: Ihr Anteil am Gesamtvolumen der Serviceausgaben beläuft sich auf 60 bis 70 Prozent. Die Dienstleistungen basieren auf bekannten Techniken, der Anspruch an die Kompetenz der Mitarbeiter ist relativ niedrig. Für diese Form der Investition lässt sich Griggs Ansicht nach RoI problemlos ermitteln.

Komplizierter wird es bereits auf der zweiten Ebene, den Enhancement-Services, die nach Gartner-Hochrechnung rund 20 bis 25 Prozent des Servicebudgets großer Unternehmen ausmachen. Diese Dienstleistungen sollen helfen, entweder den Umsatz zu steigern oder Kosten zu reduzieren. Dazu gehören laut Grigg Customer-Relationship-Management (CRM), Enter-prise Resource Planning (ERP) und Supply-Chain-Management (SCM). Sie sind typischerweise bereits mehr an den Bedürfnissen einzelner Geschäftsbereiche ausgerichtet, was deren Einbeziehung in die Kalkulation voraussetzt. Auch wenn Grigg es in diesem Bereich bereits als problematisch empfindet, RoI zu ermitteln, notwendig ist es allemal.

Für nahezu unnötig hält Grigg jedoch die Ermittlung von RoI für die dritte Ebene, das sind die Produkt- oder Serviceinvestitionen, die auf rein strategische Überlegungen abzielen - etwa wenn ein Händler seinen Verkauf über das Internet plant. Die Veränderungen, die sich daraus für die Beziehungen zu Kunden und Zulieferern ergeben, lassen sich nur schwer in konkreten Zahlen beispielsweise für das Umsatzwachstum darstellen. "Für langfristige Projekte, deren Nutzen außerdem in immateriellen Werten besteht, ist RoI keine hilfreiche Methode", so Grigg.

Andere IT-Systeme, bei denen sich RoI eher als ein Stolperstein denn als Hilfe erweist, sind vor allem bereichsübergreifende Investitionen wie der Aufbau beziehungsweise die Pflege der Infrastruktur, beispielsweise die Standardisierung von Hardware oder Netzschnittstellen. Je mehr Ebenen eine Investition beeinflussen, desto schwieriger ist es, RoI überhaupt zu ermitteln oder verlässliche Ergebnisse zu erhalten. In solchen Fällen erweist sich RoI lediglich als ein Ansatz unter vielen.

Daher muss die Berechnung des RoI wesentlich differenzierter erfolgen, als dies meist geschieht. Das bedeutet in erster Linie, dass RoI nicht nur Aufgabe der IT-Chefs ist, sondern auch die Verantwortlichen der betroffenen Geschäftsbereiche herangezogen werden müssen. "Die Transparenz der internen Kostenrechnung halte ich für wesentlich wichtiger als zum Teil künstliche RoI-Berechnungen", bestätigt Münchner-Rück-Mann Janßen.

Künstlich ist es seiner Ansicht nach, wenn am Schluss einer solchen Betrachtung Einsparpotenziale wie zwei Stunden pro Mitarbeiter formuliert werden. Damit fallen die weichen Kriterien weg, die ebenfalls etwas über den Erfolg einer Investition aussagen. Zum Beispiel bleibt die Verbesserung der Kundenbeziehung bei einem CRM-Projekt immer eine Unbekannte. Gleiches gilt auch für Mitarbeiterzufriedenheit, verbesserte Geschäftsprozesse und optimierte Marketing-Aktivitäten. Oder wie will man langfristige Erfolge in puncto Wettbewerbsfähigkeit, Expansion in neue Märkte oder Erhöhung des Marktanteils bereits mit konkreten Zahlen in die Vorüberlegungen zur Investition mit einfließen lassen?

Bei auf gößere Zeiträume angelegte Projekte stößt eine RoI-Berechnung außerdem an praktische Grenzen. Überlegungen zu langfristigen Projekten können immer auch von unvorhersehbaren Entwicklungen umgeworfen werden. Und nicht nur der Blick in die Zukunft erweist sich als Problem. "Unternehmen begeben sich regelrecht auf einen Blindflug, wenn sie Investitionen im Bereich New Economy tätigen", berichtet Jack Ross, President des US-amerikanischen IT-Beratungsunternehmens Northbrook. Da die Techniken neu sind, halten die Verantwortlichen keine Erfahrungswerte aus der Vergangenheit in der Hand, an denen sie sich orientieren könnten.

Statt jedoch an der Ermittlung von RoI zu verzweifeln, geht es vor allem darum, sich diese Stolpersteine bewusst zu machen und sie in die Überlegungen mit einzubeziehen. "IT ist eben nicht nur ein reiner Kostenfaktor, sondern trägt auch zum langfristigen Wertzuwachs eines Unternehmens bei", sagt Meta-Group-Analyst Axel Jakobs, "Man muss also dahin kommen, RoI als Wertzuwachs von Prozessen zu betrachten."(rs)