Die Prioritäten der Entscheider

IT-Fahrplan 2004

01.03.2004
Von 
Uwe Küll ist freier Journalist in München.

Die Einführung eines neuen ERP-Systems hat die Weleda AG in Schwäbisch Gmünd noch vor sich. Der Hersteller von Heilmittel- und Kosmetikprodukten hat sich entschieden, das Altsystem „Top Case“ durch Microsoft Axapta zu ersetzen. „Ausschlaggebend für die Wahl von Axapta waren die Flexibilität und der günstigere Preis des Systems im Vergleich zu einer SAP-Lösung“, erklärt Günter Turré, DV-Leiter bei Weleda. Eine der zentralen Aufgaben ist für ihn die Validierung des Systems nach Standards wie GMP (Good Manufacturing Practice) und FDA (Food and Drug Association) „Das ist für uns besonders wichtig, weil wir unsere Heilmittel ja auch in die USA exportieren“, erklärt der IT-Experte. „Dort wird vorausgesetzt, dass Hersteller im Pharmabereich ihre Software bestimmten Tests unterziehen und die Ergebnisse detailliert dokumentieren, um nachzuweisen, dass die Systeme Fehler ausschließen.

Dieses Verfahren macht fast ein Drittel der Gesamtkosten des Projekts aus. Ein Vorteil dabei ist, dass das Validierungshandbuch, das die Firma Dr. Herterich & Consultants erstellt, in die Systembeschreibung integriert wird.“ Da versteht es sich fast von selbst, dass das ITBudget 2004 bei Weleda höher ausfällt als vergangenes Jahr.

Die Laufzeit des Projekts veranschlagt Turré auf zwei Jahre. In diesem Zeitraum soll die Umstellung schrittweise erfolgen. „Aber natürlich gibt es einen Kern, der zusammengehört, den wir gemeinsam einführen. Das sind Einkauf, Faktura und Lager.“ Zu den anderen Modulen wie PPS, Vertrieb und Finanzbuchhaltung werden zunächst Schnittstellen geschaffen, um diese dann sukzessive abzulösen. Als Erstes jedoch nimmt sich die Projektgruppe ERP mit Projektleiter Alfons Maier, den Bereichsleitern und den Key-Usern aus den Fachabteilungen Zeit für die Ist-Soll-Analyse, die Erstellung des Pflichtenhefts, das Kennenlernen des neuen Systems und für Schulungen. Mit der ersten Testinstallation rechnet Turré ab Mitte dieses Jahres - der Echtbetrieb mit Axapta soll dann Ende 2005 laufen.

Neben diesem ehrgeizigen Projekt hat Turré jedoch noch einige weitere Punkte auf seiner Aufgabenliste. Dazu gehört beispielsweise die Einführung des Atlas-Systems, das in diesem Jahr Pflichtvoraussetzung für die vereinfachte Zollabwicklung wird. „Außerdem führen wir derzeit eine neue Lösung für das Customer-Relationship- Management ein. Eingesetzt wird hierfür die Software „Regmed“ des Herstellers Regware. Sie läuft auf den Laptops der Außendienstler, die damit Adresspflege betreiben, Kontakte erfassen, Besuchsberichte erstellen und den Bedarf an Ärztemustern melden, die dann von der Zentrale geliefert werden.

Beim Thema Sicherheit hält sich die Weleda-IT den Rücken frei durch Outsourcing: „Firewall und Ähnliches haben wir an SBS ausgelagert, damit wir uns auf die anderen wichtigen Dinge konzentrieren können, die jetzt anstehen.“

ERP-System auswählen

Florian Reinisch von Kaut-Bullinger in Taufkirchen bei München befindet sich in einer ähnlichen Situation wie Turré. Anders als sein Kollege von Weleda hat der IT-Verantwortliche des Büroausstatters jedoch noch keine Entscheidung für ein bestimmtes System getroffen. „Wir werden in diesem Jahr hauptsächlich damit beschäftigt sein, diese Entscheidung vorzubereiten und zu treffen“, erklärt er. „Das Thema ist so heikel und für unseren Geschäftserfolg so wichtig, dass wir da bewusst viel Aufwand reinstecken, um uns vor unliebsamen Überraschungen zu schützen.“ Notwendig wurde das Projekt, weil die bislang eingesetzte ERP-Software des Herstellers IFS in absehbarer Zeit nicht mehr gewartet wird. Unabhängig von der ERP-Erneuerung sieht Reinisch keinen Investitionsbedarf. „Im Bereich Hardware und Betriebssysteme wird sich bei uns in diesem Jahr nichts tun.“ Schließlich habe man gerade alle Server auf Linux umgestellt.

Die ERP-System-Auswahl hingegen sieht Reinisch als eine große Herausforderung, auch wenn er bereits einen konkreten Plan im Kopf hat. Zunächst soll die Organisations- und DV-Gruppe die passenden Systeme am Markt ausfindig machen und diese dann auf eine Vorauswahl von drei Produkten reduzieren. „Die schauen wir uns dann genauer an - unter anderem in Workshops.“ Einer der drei Kandidaten steht schon beinahe fest: das Nachfolgesystem von IFS.

Zwei konkrete Gründe dafür nennt Reinisch: „Zum einen erhebliche Rabatte, weil der Anbieter den Wechsel zum Neuprodukt als Folgeauftrag behandelt, und zum anderen das Vorhandensein vorgefertigter Migrations-Tools“. Trotzdem werde man sich auf jeden Fall auch mit SAP beschäftigen, „aber alles andere ist völlig offen“, so Reinisch. Klar ist hingegen, dass nur Hersteller und Dienstleister in Frage kommen, die über Know-how im Handel verfügen. „Und das sind im Falle von SAP trotz der großen Zahl von Partnern am Schluss nur ganz wenige.“