IT-Branche zwischen Hoffen und Banken

19.02.2003
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Alexander Freimark wechselte 2009 von der Redaktion der Computerwoche in die Freiberuflichkeit. Er schreibt für Medien und Unternehmen, sein Auftragsschwerpunkt liegt im Corporate Publishing. Dabei stehen technologische Innovationen im Fokus, aber auch der Wandel von Organisationen, Märkten und Menschen.

Im Mittelpunkt der öffentlichen Kritik steht meist der Vorwurf an die Banken, sie würden den Mittelstand ruinieren. Ihre restriktive Vergabe von Krediten an bedürftige Firmen ist indes nicht nur böser Wille - viele der Institute stehen selbst mit dem Rücken zur Wand. Deutschland gilt als „overbanked“, das teuer erkaufte Investmentbanking und die Projektfinanzierung liegen am Boden, strategische Expansionen erwiesen sich als Flop, und 40 000 Unternehmensinsolvenzen haben 2002 die Verluste anschwellen lassen. Folglich müssen die Geldhäuser ihre Produkte „risikobewusster bepreisen“, wie es im Bankendeutsch heißt.

Die „Neuausrichtung“ im Kreditgeschäft entspringe dem eigenen Überlebensinteresse, verteidigt Jochen Sanio, Präsident der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin), die Scheu vor dem Risiko. Jüngste Pleiten wie die Schließung der Advance Bank nach sieben unprofitablen Jahren geben ihm Recht. Jedoch kann die Entwicklung in einer fatalen, weil prozyklischen Abwärtsspirale enden: In einer von der Konjunkturflaute betroffenen Branche erhalten die Firmen die nötigen Kredite nur gegen höhere Kosten. Statt gebremst, wird der Abschwung durch diesen Trend beschleunigt. Der Spott, dass Banken im Sommer Regenschirme verleihen, um sie bei Schlechtwetter zurückzufordern, kommt nicht von ungefähr.

IT-Mittelstand In Deutschland waren im Jahr 2000 nach Bitkom-Informationen knapp 50000 mittelständische Unternehmen im Wirtschaftszweig Datenverarbeitung und Datenbanken aktiv, zu dem unter anderem die Hard- und Softwareberatung sowie die Softwareentwicklung gerechnet werden. Rund 4300 Firmen erzielten einen Umsatz von jeweils mehr als einer Million Euro. Hiervon wiederum erreichten rund 400 Anbieter mehr als zehn Million Euro Umsatz. Heinz-Paul Bonn, mittelstandspolitischer Sprecher des Bitkom, fordert die IT-Unternehmen auf, sich dem Rating-Prozess im Rahmen der neuen Eigenkapitalvereinbarung („Basel II“) zu stellen: „Nur zu jammen, die deutschen Banken mögen mich nicht, ist keine Position.“ Ein Berichtswesen einzuführen, das auch die Kreditinstitute überzeugt, sei eine Bringschuld, sagt Bonn, der ein Softwareunternehmen in Köln leitet.

Der Hightech-Sektor, der sich seit dem Platzen der Dotcom-Blase im freien Fall befindet, ist von der Bankenkrise stark betroffen. Die Situation verschlimmert sich dadurch, dass sich Softwarehäuser und Dienstleister seit jeher schwer tun, die nötigen Sicherheiten für die Kreditvergabe beizubringen - Sourcecode und Projekterfahrung wirken nicht eben attraktiv auf potenzielle Gläubiger. „Die IT-Branche hat derzeit keinen allzu guten Ruf bei Banken“, bringt der Verband der Softwareindustrie Deutschlands (VSI) das Dilemma auf den Punkt. Der Bitkom seinerseits hat herausgefunden, dass zwei Drittel der IT-Unternehmen die Kreditknappheit gegenwärtig als größtes Problem ansehen.

Banken erhalten schlechte Noten

So fällt im Gegenzug das Zeugnis der IT-Branche für die Banken durchwachsen aus: Bei einer Online-Umfrage auf der Website des VSI (www.vsi.de) gaben 22 Prozent der Befragten an, von einer Akzeptanz als Geschäftspartner der Bank könne „keine Rede sein“. Ein Viertel fühlte sich immerhin „voll akzeptiert“, ein weiteres Viertel „kaum wahrgenommen“. Rund 30 Prozent der Befragten würden ihre Bank einem guten Geschäftspartner nicht weiterempfehlen, mehr als ein Drittel hatten den Eindruck, dass der Finanzdienstleister an ihnen als Kunden nicht interessiert sei.