iSeries integriert Windows und Linux

10.02.2006
Von Berthold Weseler
Mit dem Betriebssystem-Release "i5/OS V5R4" öffnet IBM die Midrange-Server weiter für moderne Techniken wie Web-Services, Java und Microsofts .NET.

Am 31. Januar kündigte IBM neue Modelle der "i5"-Server mit der Prozessortechnik Power5+ an. Seit 14. Februar sollen die Maschinen lieferbar sein. Der Hersteller modernisiert damit die erst vor anderthalb Jahren generalüberholten Nachfolger des Klassikers AS/400. Zu den Neuerungen zählen Features wie Virtual Tape, Capacity on Demand auch für die Einstiegsmodelle, Optimierungen für Web-Services und Java sowie eine verbesserte Windows-Integration.

Die Highlights von i5/OS V5R4

• 32-Bit-Implementierung der Java Virtual Machine zusätzlich zur 64-Bit-Variante. Erleichtert die Portierung von Applikationen aus der Windows-Welt und schont die Hauptspeicher-Ressourcen bei kleineren Modellen.

• Verbesserte Integration in Web-Services und Windows-Umgebungen.

• Erweiterungen der Programmiersprache RPG in den Bereichen SQL, HTML und XML.

• Enterprise Extender ermöglichen den Betrieb von SNA-Applikationen über IP-Netze.

• Verbesserungen im Bereich Sicherheit und Compliance.

• Group Workload Management für große Systeme.

• Virtual Tape und Raid 6.

• Server vorbereitet für den iSCSI-Anschluß von Blade Centern.

• Support für IPv6 und VPNs über Firewalls mit Network Adress Translation (NAT).

• Patches und Firmware- Updates im laufenden Betrieb.

System i5 im Überblick

IBMs neue Rechnerfamilie System i5 besteht aus den vier Modellreihen 520, 550, 570 und 595. Wie bisherwerden die Maschinen in verschiedenen Konfigurationen ("Editions") geliefert, wobei die Value- und Express-Editions jeweils als kostengünstige Einstiegslösungen dienen.

Die Standard Edition ist für den Client-Server-Betrieb optimiert, während die kostspieligere Enterprise Edition auf die klassischen 5250- und RPG-Anwendungen der AS/400-Vergangenheit ausgerichtet ist. Sie bringt dazu viele Tools mit und insbesondere auch die nötige interaktive Leistung. Für spezielle Anwendungsfelder gibt es Solution Editions mit vorkonfigurierten Standardsoftware-Paketen von ERP-Partnern wie SAP, SSA oder Intentia. Hinzu kommen die speziellen Editions Dom-ino/Workplace, HA ("High Availability") sowie CBU ("Capacity Backup Unit").

Das neue Einstiegsmodell 520, das jetzt mit bis zu 36 MB Level-3-Cache für Java ausgestattet sein kann, schafft maximal 3800 CPW (Commercial Processing Workload), als Doppelprozessor 7100 CPW. Neu für die 520 ist das Software-Feature "IBM Accelerator for System i5", mit dem sich die Leistung der Value Edition auf die vollen 3100 CPW der Maximalkonfiguration aufstocken lässt. Insgesamt bietet die neue 520 wesentlich mehr Konfigurationsmöglichkeiten als ihr Vorgänger.

Größere Veränderungen gibt es bei der 570, bei der ein Zwei-Wege-System mit 8400 CPW den Einstieg bildet. Diese Modelle sind als bisher einzige Rechner mit 2,2 Gigahertz schnellen Power5+-Prozessoren ausgestattet, die auch in der hardwareseitig weitgehend baugleichen P5-Familie noch nicht zum Einsatz kommen. Möglich sind bis zu 16 Prozessoren, 512 GB Hauptspeicher, 193 TB Plattenplatz und 160 LPARs.

Das Topmodell 595 ist im Wesentlichen baugleich; hier kommen lediglich schnellere Prozessoren der älteren Power-5-Generation zum Einsatz. Es markiert die Leistungsobergrenze der i5-Familie.

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V5R4 vereinfacht IT-Betrieb

Die eigentliche Bedeutung der Ankündigung liegt in der neuen Betriebssystem-Version 5, Release 4 des i5/OS. In Verbindung mit einem günstigeren Preis-Leistungs-Verhältnis im Einstiegsbereich will IBM damit den IT-Betrieb weiter vereinfachen und so die Marktstellung der i5 als Mittelstandsrechner ausbauen. Der IT-Konzern wirbt mit einer verbesserten Einbindung vorhandener iSeries-Applikationen in Web-Services und in Microsofts .NET-Universum. Hinzu kommen neue Möglichkeiten der Konsolidierung und Zentralisierung des IT-Betriebs, die auch Unix-, Linux- und Windows-Anwendungen einschließen. Insbesondere soll damit deren Zugriff auf i5-Daten und -Anwendungen optimiert werden, aber auch die Portierung solcher Programme auf die i5-Plattform.

Der Verzicht auf revolutionäre Hardware-Innovationen hat den Vorteil, dass die neuen Rechner auch mit dem bereits im Mai 2004 vorgestellten i5/OS V5R3 einsetzbar sind. Kunden können ohne größeren Umstellungsaufwand die Performance-Vorteile der neuen Hardware nutzen. Umgekehrt läuft das neue Re- lease 4 auch auf den bisherigen 5xx- und 8xx-Servern und sogar auf den Modellen 270, SB2, SB3 - vorausgesetzt, sie verfügen über eine 17-GB-Platte für die Load Source. Es wird aber gleichzeitig auch das letzte Release für diese älteren Rechnermodelle sein.

RPG und Web-Services

Der Umstieg auf die neue Betriebssystem-Plattform dürfte für Kunden attraktiv sein, denn sie bringt tief greifende Neuerungen, darunter die bidirektionale Einbindung von RPG-Programmen in Web-Services. IBMs Ziel ist es, im Einstiegsbereich den Windows- und Linux-Servern besser Paroli bieten zu können. So gibt es beispielsweise eine 32-Bit-Implementierung der Java Virtual Machine (JVM) auf dem Modell 520. Was sich wie ein Rückschritt auf dem 64-Bit-Rechner anhört, spart erhebliche Ressourcen für den Java-Betrieb ein, was sich bei kleineren System-konfigurationen leistungssteigernd auswirken kann.

Wesentliche Verbesserungen beim Einsatz der i5 dürfte die Kombination der beiden Tools Hats und Web-Facing zu einem Werkzeug bringen. War mit den Host Access Transformations Services (Hats) bisher eine dynamische Umwandlung von 5250-Anwendungen für die Nutzung über das Internet via Web-Browser möglich, wurde dafür im Betrieb teure interaktive Rechnerleistung verbraucht.

Online- und Batch-Betrieb

Mit dem Web-Facing-Tool dagegen konnten die 5250-Anwendungen in Batch-Programme umgewandelt werden, die dann ebenfalls per Web-Browser nutzbar waren. Mit Hilfe des kombinierten Werkzeugs ist nun keine kosten-pflichtige interaktive Leistung mehr für den Betrieb von Web-fähigen Terminalanwendungen erforderlich. Ein Wechsel zwischen Online- und Batch-Betrieb findet automatisch statt.

Obwohl IBM neue Technolo- gien wie Java und Websphere forciert, hat sie auch die im Midrange-Markt bewährte Programmiersprache RPG neu entdeckt und investiert in deren Weiterentwicklung. V5R4 bringt folglich eine ganze Reihe von Erweiterungen, um insbesondere E-Commerce- und Internet-Anwendungen mit RPG zu vereinfachen. Neu ist unter anderem, SQL-Befehle in RPG-Anwendungen einbinden zu können. So ist es beispielsweise möglich, aus einer Kundenanfrage im Online-Shop ein SQL-Statement zu generieren und diese Datenbankabfrage in RPG-Programme, etwa für die Warenwirtschaft, einzubinden.

Erheblich sind die RPG-Verbesserungen in der XML-Verarbeitung. So können RPG-Programme nun beispielsweise direkt Daten aus XML-Dokumenten parsen und verarbeiten. Noch wichtiger ist die Möglichkeit, mit dem Integrated Language Environment (ILE) entwi-ckelte RPG-basierende Batch-Programme auch in Web-Services einbinden zu können. Dahinter steht die Idee, die vorhandenen AS/400-Programme zum integralen Bestandteil künftiger Service-orientierter Architekturen (SOA) zu machen.

Websphere erweitert

Das funktioniert in beide Richtungen: Ein RPG-Programm kann dabei sowohl als Provider bestimmte Services bereitstellen als auch als Requester von Web-Services fungieren, die in anderen Programmiersprachen auf anderen Plattformen realisiert sind. Um diese Funktionen bieten zu können, hat IBM das Entwicklungswerkzeug Websphere Development Studio Client um neue Wizards erweitert. Sie ermöglichen es, für RPG-Programme den Java-Code zu generieren, der sie in Web-Services transformiert oder andere Web-Services aufruft.

Im sensiblen Bereich Security gibt es eine ganze Reihe von Verbesserungen, insbesondere für die Definition einer firmenspezifischen Ereignisüberwachung. Neu ist auch die "Hardware Storage Protection": Bisher war es für RPG-Programme möglich, auch unterhalb des Maschinen-Interface (MI) durch spezielle Systemaufrufe direkt auf wichtige Systemobjekte zuzugreifen. Das brachte den Programmen Leistungsvorteile und machte bestimmte Funktionen erst möglich, zum Beispiel im Datenbankbereich. Andererseits schafft diese Lücke Sicherheitsrisiken.

Deshalb besteht diese Möglichkeit ab V5R4 nicht mehr, was insbesondere Tool-Anbieter betreffen dürfte. Die Systemprogramme unterhalb des Maschinen-Interface - der System Internal License Code - stammen ab V5R4 mit Sicherheit ausschließlich von IBM. Weil damit eine Hintertür geschlossen wurde, erhöht sich die Zuverlässigkeit der Plattform.

Um eine Verfügbarkeit der Systeme an 365 Tagen im Jahr rund um die Uhr zu gestatten, hat IBM die Notwendigkeit eines Neustarts des Betriebssystems (IPL = Initial Program Load) weiter reduziert. So lassen sich künftig Patches - in der Midrange-Welt meistens "Program Temporary Fixes" (PTFs) genannt - in der Regel ohne IPL einspielen. Gleiches gilt für Firmware-Updates.

Zu den Highlights der Version V5R4 gehört die Funktion Back-up/Recovery über Virtual Tape. Damit kann die Datensicherung schnell in einen Zwischenspeicher auf einer Festplatte erfolgen, der dann zu einem späteren Zeitpunkt auf kostengünstige Magnetbänder ausgelagert wird.

Mit diesen Verbesserungen stößt die i5 in Mainframe-Dimensionen vor. Deshalb hat der Hersteller für sehr große Installationen ein "Group Workload Management" hinzugefügt. Damit lassen sich Klassen von Usern, Anwendungen oder Batch-Jobs definieren, die dann vom Betriebssystem nach einem gemeinsamen Verfahren verwaltet werden. Das ist für solche Kunden von Vorteil, die viele kleine Server auf eine große i5-Maschine konsolidiert haben. Wenn beispielsweise 10 000 User auf dem Server arbeiten, die alle um 17 Uhr Feierabend machen, kann es bei den heutigen Modellen bis zum Log-off länger dauern: Bei Beendigung all dieer Jobs und bei der Fertigstellung der Log-Dateien durch das Betriebs-system entstehen Engpässe. Diese Operationen laufen in i5OS V5R4 wesentlich schneller ab. Nach IBM-Angaben können sich jetzt auch mehrere zehntausend Benutzer gleichzeitig abmelden, ohne dass es zu Wartezeiten kommt.

Evolutionäre Entwicklung

Trotz all dieser Neuerungen ist auch das jüngste i5-Announcement typisch für die evolutionäre Weiterentwicklung der IBM-Plattform, deren Wurzeln bis in die 70er Jahre zurückreichen. Der Schwerpunkt liegt diesmal auf der weiteren Vereinfachung heterogener IT-Infrastrukturen, denn unterschiedlichste Workloads auf verschiedenen Betriebssystemen lassen sich mit der i5 auf einer integrierten Plattform betreiben.