Microsoft bekennt sich klar zu XML

Internet ist wichtiger als Windows

17.09.1999
MÜNCHEN (CW) - Suns Strategie, die vom Hamburger Softwarehaus Star Division übernommene Bürosuite "Star Office" gratis im Web anbieten zu wollen, beunruhigt den Konkurrenten Microsoft offenbar ernsthaft. Erstmals spricht der Redmonder Konzern über Pläne, die sich nicht mehr um einen Windows-zentrierten Desktop, sondern um einen umfangreichen Internet-Ansatz drehen.

Die Sun-Taktik mit der akquirierten Bürosammlung Star Office (siehe CW 35/99, Seite 1) entwickelt sich mehr und mehr zu einem wirksamen Schachzug im Kampf gegen den Erzrivalen Microsoft. Fast panikartig hat die Gates-Company nun angekündigt, über alternative Distributionsformen im Internet nachzudenken. So hat der Konzern kürzlich ein Programm ins Leben gerufen, mit dem er herausfinden will, ob Kunden und Partner daran interessiert wären, Software über das Web zu leihen. Microsoft untersucht derzeit, wie eine Preisgestaltung für ein solches Angebot aussehen könnte, ohne das eigene Geschäft zu gefährden.

Wesentlich spektakulärer für Microsoft-Verhältnisse muten allerdings die neuesten Aussagen von President Steve Ballmer an: Das primäre Engagement von Microsoft drehe sich künftig nicht mehr wie bislang um den Windows-PC, sondern um die Entwicklung von Software-Tools für eine rezentralisierte DV-Umgebung im Internet. Ziel sei konkret, Windows langfristig nicht mehr als Desktop-Basis, sondern als Web-Entwicklungsplattform zu positionieren.

Ballmer zufolge konzentriert sich der Hersteller im Rahmen von "Windows Distributed Internet Architecture (DNA) 2000" ab sofort auf die Umstrukturierung all seiner Produkte für das Web: "Das ist es, was unser Unternehmen künftig auszeichnen wird", schlägt auch Paul Maritz, Group Vice-President bei Microsoft, völlig neue Töne an. Konkret soll die DNA-Plattform Komponenten wie Windows NT Server, "SNA Server" oder "Site Server Commerce Edition" enthalten.

Dazu gehört auch eine neue Version der Microsoft-Datenbank "SQL Server", die mit Unterstützung für die Extensible Markup Language (XML) ausgestattet werden soll. Gleichzeitig ist eine neue Version 7.0 von Visual Studio für die umfassende Web-Seiten-Entwicklung vorgesehen. Zudem plant Microsoft mit "Biztalk Server" einen speziellen XML-Server sowie mit "Appcenter" ein Management-Tool für verteilte Web-Services und -Applikationen. Ballmer: "XML wird als die geheime Zutat für das Netz der 90er in die Geschichte eingehen."

Die scheinbar überhastet geschmiedeten Pläne kommen nicht von ungefähr: Immer häufiger betrachten Entwickler nicht Microsoft, sondern Konkurrenten wie Sun als naheliegende Technologielieferanten, wenn es um E-Commerce-Software geht.