Intellektuelle Herausforderung fuer Anwendungsentwickler Mr. Uniface: Objekttechnik ist ein Werbegag der Tools-Anbieter

17.03.1995

Bodo Douque war als Gruender und Geschaeftsfuehrer der Uniface B.V., Amsterdam, "Mr. Uniface". Im Mai vergangenen Jahres wurde der Hersteller von Client-Server-Tools von Compuware uebernommen (siehe Kasten). Mit Vorstandsmitglied Douque sprach CW-Redakteurin Ulrike Litzba.

CW: Wie vertragen sich Tools fuer die Anwendungsentwicklung und Objekttechniken?

Douque: Applikationsentwicklung sollte mit einem Objektmodell anfangen - einem Modell, das das Unternehmen erfasst abbildet. Darauf aufbauend, entwickelt man eine Informationsstruktur. Deren Umsetzung ist das Einsatzgebiet von Entwicklungs-Tools.

CW: Welchen Stellenwert hat demnach die objektorientierte Programmierung?

Douque: Objektorientierung ist viel zu intellektuell und zu schwierig fuer die Applikationsentwickler: Sie sollten nicht objektorientiert programmieren, vielmehr modellieren. In fuenf Jahren wird es sich nur noch darum drehen. Das objektorientierte Entwickeln sollten Anwendungsentwickler den Tools-Herstellern ueberlassen.

Doch da muss man genauer hinschauen. Viele Werkzeuganbieter wie Gupta und Powersoft sagen zwar, sie haetten Tools, die den objektorientierten Paradigmen entsprechen - doch ein Icon ist noch laengst kein Objekt. Powersoft etwa behauptet, ein Menue oder Handbuch sei ein Objekt, doch das ist Bloedsinn und hat nichts mit Objektorientierung zu tun.

CW: Hardwarehersteller setzen die Anwender mit mindestens zwei neuen Releases pro Jahr unter Stress - Softwareproduzenten mit neu erfundenen Buzzwoertern.

Douque: Software-Entwicklung ist schwierig, hier geht es um Konzepte. Hardware-Entwicklung dagegen beschraenkt sich darauf, immer mehr Transistoren auf einem Chip unterzubringen; es geht um Technologie und nicht um Konzepte. Deshalb sind die Japaner so erfolgreich; sie sind nicht kreativ, aber gut darin, die Technik schneller, besser und billiger zu machen.

CW: Schlagwoerter sind nicht gleich neue Konzepte.

Douque: Alle Softwarekonzepte, die heute auf dem Markt sind, gehen auf 20 Jahre alte Ideen zurueck und sind eigentlich laengst veraltet. Ein Beispiel: 1970, als ich noch bei Philips war, konnte ich in einem Freisemester zwischen zwei amerikanischen Universitaeten waehlen. In Detroit, Iowa, beschaeftigte sich ein Professor mit Sprachen der vierten Generation, doch niemand ausser ihm traeumte schon davon, die Programmierung so weitgehend zu automatisieren. Die andere Gelegenheit fuer mich war in Kalifornien, wo Professor Alan Kay am Palo Alto Research Center mit der Maus experimentierte.

CW: Dann existiert die vielzitierte Softwarekrise also tatsaechlich?

Douque: Aber ja. Es gibt eine konstante Softwarekrise. Die Leute glauben immer, kaum ist die Rede von einem neuen Konzept, wird es auch schon angewandt. Das ist ein Fehler, den zum Beispiel Seminar-Veranstalter staendig wiederholen. Der zweite Irrtum besteht darin, dass sich die Softwareproduktion viel zu sehr nach technologischen Bedingungen richtet. Die Diskussion um die richtige Plattform Windows NT, OS/2 oder Unix fuehrt nur zu Irritationen. Software-Entwicklung sollte nicht technologischen Restriktionen folgen, sondern Konzepte entwickeln. Wenn man ein Programm in Cobol und fuer eine IBM-Maschine schreibt, dann hat man allerdings eine Softwarekrise.

CW: Ein gut florierender Tools-Markt setzt voraus, dass Anwender gezwungen sind, auch weiterhin Individualprogramme zu schreiben. Im Idealfall machen Componentware oder passable Objektbibliotheken die Entwicklungswerkzeuge obsolet.

Douque: Eine Schwarzweiss-Frage verdient eine ebensolche Antwort: Bullshit!

CW: Bitte?

Douque: Das Zusammensetzen von Applikationen aus vorgefertigten Modulen ist nur eine von vielen Ideen, die in der Praxis nicht funktionieren. Als vor drei Jahren Adele Goldberg aus Anlass einer Erdoelkonferenz in Suedafrika versprach, durch objektorientierte Module werde alles anders, stand einer ihrer Anhaenger auf und verkuendete: Bullshit.

CW: Was verurteilt die Componentware zum Scheitern?

Douque: Die Welt ist nicht zu standardisieren, genausowenig sind es die Softwaremodule.