Wettbewerb drückt weiter auf die Preise

Im Speichermarkt gewinnen vor allem die Anwender

19.11.1998
MÜNCHEN (CW) - Die Analysten der IDC prognostizieren dem europäischen Markt für Speichermedien und -systeme insgesamt gesunde Wachstumsraten. Selbst für die arg gebeutelte Festplattenindustrie sehen die Marktforscher wieder Licht am Ende des Tunnels. Anwender profitieren vom anhaltend harten Wettbewerb in der Branche.

Nicht nur für die Hersteller hatten die Storage-Spezialisten des US-Marktforschungsunternehmens International Data Corp. (IDC) Positives zu vermelden. So werde etwa der Markt für Speichersysteme gemessen an ausgelieferten Terabyte (TB) von 1997 bis zum Jahr 2002 um durchschnittlich 90 Prozent pro Jahr wachsen, prognostiziert Claus Egge, Senior Research Analyst bei IDC in Großbritannien. Der wertmäßige Zuwachs betrage dagegen lediglich zwölf Prozent (siehe Grafik). Diese Diskrepanz sei auf anhaltende Verbesserungen des Preis-Leistungs-Verhältnisses zurückzuführen, so der Marktforscher

Auf dem jährlich abgehaltenen European Storage Symposium der IDC in München unterstrich Egge die wachsende Bedeutung von Speichersystemen im Vergleich zu anderen IT-Investitionen. Bei der Erstbeschaffung von Servern betrage beispielsweise der Anteil der Festplattensysteme bislang etwa 20 Prozent des Gesamtwerts. "Im Jahr 2002 werden mehr als 45 Prozent der Umsätze im Server-Markt auf Festplattensysteme entfallen", so der Analyst.

Am stärksten zulegen werden nach IDC-Schätzungen Speichersysteme, die für Windows-NT-Umgebungen ausgelegt sind. Unix-basierte Produkte machten aber auch künftig einen bedeutenden Teil der gesamten Verkäufe aus. Storage-Lösungen für Legacy-Plattformen - IDC versteht darunter vor allem IBMs OS/400- und OS/390-Betriebssysteme - würden gemessen am Umsatz auf einem niedrigen Niveau verharren.

Auf der Herstellerseite hat sich Compaq nach der Übernahme von Digital Equipment zum weltweit größten Anbieter von Speichersystemen entwickelt. Die hohen Zuwachsraten ziehen laut Egge aber auch neue Markteilnehmer an, wie beispielsweise Auspex oder Network Appliance. Ferner entstünden für Storage-Systeme neue Anwendungsfelder, etwa im Zusammenhang mit Web-Caching. IBM liefert mit seinem "Web Cache Manager" ein Beispiel.

Neue Technologien wie Virtual Tape oder Tape Caching führen im Speichermarkt teilweise zu Hybridsystemen, die sowohl Platten- als auch Bandkomponenten integrieren.

Branchenschwergewichte wie IBM, Hitachi oder EMC bieten sogenannte Virtual Tape Server an. Aber auch kleinere Anbieter wie die US-amerikanische Sutmyn Storage Corp. versuchen, mit solchen Systemen Kunden zu gewinnen.

Virtuelle Tape-Systeme benutzen vorgeschaltete Festplatten-Arrays, um Daten zwischenzuspeichern (Caching) und die Vielzahl von Bandkassetten auf effiziente Weise mit Informationen zu füllen. Damit wird unter anderem knapper Standplatz in Rechenzentren eingespart. Der Platten-Cache hält die am meisten nachgefragten Daten vor. Anwender können somit rasch auf Informationen zugreifen, bevor diese in einer Bandbibliothek - mit entsprechend längerer Zugriffszeit - abgelegt werden.

Im Bereich der Interface-Architekturen bewegt sich der Markt seit diesem Jahr eindeutig in Richtung Fibre Channel, beobachtet Egge. Im Jahr 2001 sollen bereits mehr als 50 Prozent der externen Open-Systems-Speichersysteme mit Fibre-Channel-Anschlüssen ausgerüstet sein. Ähnliches gilt für den Festplattensektor. Der bisher aktuelle SCSI-2-Standard werde zwar mit Ultra 3 SCSI einen leistungsstärkeren Nachfolger finden. Der Siegeszug der Fibre-Channel-Technik werde dadurch aber kaum beeinflußt, glaubt der Analyst.

Hoffnungsschimmer für die Festplattenindustrie

Die Festplattenindustrie blickt im Gegensatz zu den Anbietern von Speichersystemen auf ein enttäuschendes Jahr 1998 zurück. Trotz wachsender Verkäufe in allen Segmenten fallen die Umsätze heuer insgesamt um 1,4 Prozent, berichtete Crawford Del Prete, Vice-President of Worldwide Storage Research bei IDC. Schuld daran sind die stark sinkenden Preise, die die Gewinne der Anbieter in den Keller rutschen ließen. Waren etwa im Desktop-Segment in guten Zeiten noch zwölf bis 15 Prozent Gewinnspanne zu erzielen, müssen sich Hersteller heute mit niedrigen einstelligen Margen zufriedengeben, sofern sie überhaupt Profit erwirtschaften. Insbesondere im Desktop-Markt spiegelt der Preisverfall auch den Trend zu Billig-PCs wider.

Der Hauptgrund für die Probleme der Festplattenanbieter liegt nach Ansicht von Del Prete in den massiven Überkapazitäten. Mittlerweile sähen die Hersteller aber wieder Licht am Ende des Tunnels. In den kommenden Jahren würden sich Produktion und Absatz der Produkte wieder annähern. Lagerbestände reduzierten sich aufgrund steigender Nachfrage. Der Preisverfall verlangsame sich, und die Anbieter könnten wieder mit wachsenden Umsätzen rechnen. Für den Zeitraum von 1997 bis zum Jahr 2002 prognostiziert der IDC-Mann ein durchschnittliches Umsatzwachstum von 8,3 Prozent pro Jahr. Gemessen an ausgelieferten Produkten werde der Zuwachs 13,8 Prozent betragen. Der weltweite Absatz von Festplatten steigt dieser Prognose zufolge von 139 Millionen in 1997 auf 247 Millionen Einheiten im Jahr 2002. Die drei größten Anbieter - IBM, Seagate und Western Digital - haben seit 1996 rund 25 Prozent ihrer Marktanteile verloren. Sogenannte Second-Tier-Anbieter wie Fujitsu, Maxtor und Samsung konnten dagegen kräftig zulegen.

In technischer Hinsicht verbessert sich nicht nur die Speicherkapazität der Festplattenlaufwerke stetig. Auch die Geschwindigkeit, mit der Daten geschrieben und gelesen werden, steigt. Dies hängt vor allem mit der Umdrehungsgeschwindigkeit der Laufwerke zusammen. Die Mehrzahl der Disk Drives arbeitet nach IDC-Berechnungen gegenwärtig noch mit 7200 Umdrehungen in der Minute. Festplatten mit Umdrehungszahlen von 10 000 pro Minute waren 1997 mit zwei Prozent noch in der Minderheit. 1998 werden Anwender allmählich auf die schnellere Technik umsteigen. Im Jahr 2000 könnten bereits 45 Prozent aller Platten 10 000 Umdrehungen pro Minute erreichen. Erste Laufwerke mit einer Geschwindigkeit von 15 000 Umdrehungen seien ab dem Jahr 2001 zu erwarten.

Im Gegensatz zum Festplattenmarkt, der sich nur langsam zu erholen scheint, meldet IDC für das Segment der Bandspeicher rundum positive Ergebnisse. Allein in der Region Europa, Mittlerer Osten und Afrika (EMEA) steigen die Umsätze dieses Jahr von etwa 800 Millionen auf über eine Milliarde Dollar, so Robert Peyton, Director of European Storage Research bei IDC. Setze man eine 13prozentige jährliche Zunahme voraus, könnten die Hersteller im Jahr 2001 mit Einnahmen von insgesamt 1,4 Milliarden Dollar rechnen.

DLT dominiert bei den Bandtechniken

"Der Star unter den Bandtechniken heißt DLT", berichtet Peyton. Midrange-Bandbibliotheken auf Basis dieser Technik wüchsen pro Jahr überdurchschnittlich um 32 Prozent. Gemessen am Umsatz dominiere DLT den Midrange-Markt mit einem Anteil von 87 Prozent. Die Acht-Millimeter-Bandtechnik inklusive AIT könne dagegen keine Zunahmen verbuchen. Die MLR-Technik von Tandberg weise zwar ein gewisses Wachstum auf, sei aber nur wenig verbreitet. Im Segment der High-end-Bandbibliotheken, wie sie etwa in Rechenzentren eingesetzt werden, bleibt Storage Technology mit Abstand Marktführer vor Overland, Adic und Exabyte. Als Backup-Medium für Desktop-PCs kommen immer weniger DC-2000-Bänder zum Einsatz, so Peyton. Hier setzten sich andere Medien wie etwa Iomegas "Zip"-Drive durch. Allerdings würden die älteren DC-2000-Kasetten in kleineren PC-Servern als Backup-Medien einen zweiten Frühling erleben. Neuere Techniken wie der offene Standard "Linear Tape Open" (LTO), der von IBM, Hewlett-Packard und Seagate entwickelt wurde, wirken sich nach Ansicht des IDC-Analysten nicht vor dem Jahr 2000 im Markt aus.

CD-RW hat in Europa die besten Chancen

Eine heiße Schlacht um die Nachfolge der CD-ROM prophezeit Peyton für Ende 1998 und die folgenden Jahre. Er gibt dabei insbesondere den wiederbeschreibbaren CD-RWs gute Chancen. Im laufenden Jahr würden klassische CD-ROM-Laufwerke in der Region EMEA mit 26 Millionen verkauften Einheiten einen Höhepunkt erreichen, dann aber stark abfallen. Trotz niedriger Preise gewinne die DVD-ROM (nicht beschreibbare Digital Versatile Disc) in Europa nur sehr langsam an Akzeptanz.

Mit CD-RWs seien dagegen vor allem auf dem alten Kontinent hohe Zuwächse zu erwarten. Für die Silberscheiben spreche besonders das vergleichsweise günstige Preis-Leistungs-Verhältnis. Der Höhenflug der Zip-Wechselplatten und LS-120-Laufwerke sei gestoppt. "Eine Kapazität von 100 MB ist heute einfach zu wenig", meint Peyton. Demgegenüber hätten sich schon die nur einmal beschreibbaren CD-Rs erfolgreich am Markt etablieren können. Mit den Funktionen zur Wiederbeschreibbarkeit, die 1997 eingeführt wurden, konnten die CD-RWs den Vormarsch magnetischer Wechselfestplatten aufhalten. Wiederbeschreibbare DVDs (DVD-RWs = DVD Rewritables) spielen nach Ansicht des IDC-Mannes bis zum Jahr 2001 kaum eine Rolle. Peyton: "Die wahre Herausforderung für magneto-optische Laufwerke und Wechselplatten heißt CD-RW."