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Gosling: Gates-Company torpediert die Java-Philosophie

Im Microsoft-Prozeß tobt der Streit um Java

03.12.1998
Von Michael Hufelschulte
Gosling: Gates-Company torpediert die Java-Philosophie

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Nach Angaben von Java-Erfinder James Gosling, Zeuge im Kartellprozeß gegen Microsoft, ist der Softwaregigant für die Fragmentierung der Sprache verantwortlich. Etliche Anwender müßten ihre Programme zweimal schreiben: für Windows-abhängige Implementierungen und für andere Plattformen. In einer schriftlichen Aussage führte der Zeuge der Anklage aus, daß Microsoft den eigentlichen Vorteil von Java, die Plattformunabhängigkeit, zerstöre.

Microsoft habe zudem mit dem Verschenken des Browsers "Internet Explorer" (IE) den Rivalen Netscape demontiert. Der hatte als erster Lizenznehmer des Java-Codes von Sun Microsystems 1995 für eine rasche Verbreitung von Java Virtual Machines (JVMs) gesorgt. Microsofts JVM, die seit September 1997 mit dem IE 4.0 ausgeliefert wird, sei Windows-abhängig. Dies habe sich mit Windows 98 noch verschlimmert, weil hier Browser und Java-Laufzeitumgebung zu festen Bestandteilen des Betriebssystems geworden seien. Für diese Einbettung, die eine Verbreitung anderer kompatibler Virtual Machines von vornherein verhindere, sieht Gosling "keine signifikante technische Begründung". Darüber hinaus verteile die Gates-Company ihre Windows-gebundene Java-Umgebung mit den Entwicklungswerkzeugen der "Visual-Studio"-Familie an Hunderttausende Entwickler, die der immanenten Microsoft-Abhängigkeiten oftmals gar nicht gewahr würden. Wer für Microsofts JVM schreiben wolle, sei zudem an die Tools

aus Redmond gebunden.

Goslings Fazit: "Die Schlüsselelemente von Java - die Programmiersprache, die Klassenbibliotheken und APIs, der Compiler und die JVM - sind in Microsofts Variante so verändert worden, daß der Cross-Platform-Ansatz torpediert wird. Wenn es Microsoft auf diese Weise gelingt, Java zu zersplittern, ist die Plattformunabhängigkeit als Vorteil für Anbieter, Entwickler und Anwender dahin. Gleichzeitig wird die Gefahr neutralisiert, die Java für Microsofts dominierendes Betriebssystem Windows darstellt."

Microsoft behauptet, wie nicht anders zu erwarten, das Gegenteil. Mit der Plattformunabhängigkeit und dem "Mantra" (Beschwörungsformel) "Write once, run anywhere" sei es schließlich nicht weit her. Erstens funktioniere die Sache nicht wie angepriesen, zweitens gehe die universelle Lauffähigkeit von Java zu Lasten von Geschwindigkeit, Funktionen und Integration. "Die Entwickler sind keineswegs verwirrt und erkennen klar, wann sie nativen Code von Windows oder einer anderen Betriebssystemplattform benutzen, um ihre Anwendungen interessanter für Kunden zu machen", so Microsoft. Java-Anwendungen liefen unter der hauseigenen Umgebung einfach deutlich schneller. Die Ironie in Goslings Aussage wie auch in Suns Lizenz-Prozeß gegen die Gates-Company liege darin, daß "es eigentlich überhaupt nicht um Cross-Platform-Java geht, sondern um den besten Weg, auf nativen Windows-Code zuzugreifen". Und hier biete Microsoft seinen Entwicklern schon seit Jahren bessere

Möglichkeiten, via Java auf das Betriebssystem zuzugreifen.

Die Microsoft-Anwälte bemühten sich, Sun seinerseits als Bösewicht darzustellen. Mittels Java habe die Company von Scott McNealy nach der IT-Weltherrschaft greifen wollen. Vor allem das Vorhaben, Java auch in Silizium zu brennen (seinerzeit noch unter dem Codenamen "Cafe", im kommenden Jahr endlich Realität als "UltraJava"-Chip) und damit Prozessor und Betriebssystem zu umgehen, sollte durch E-Mails von Bill Joy (Sun), Eric Schmidt (heute CEO von Novell) und Gosling als entscheidender Schritt gegen Microsoft dargestellt werden. Joy hatte damals Cafe als eine "strategische Technologie, die uns wichtige Vorteile gegenüber Intels x86-Chips bietet" bezeichnet. Gosling erwiderte, Joy habe in jenen Tagen "ungefähr hundert Projekte mit allen möglichen Bezeichnungen am Tag" angeschleppt. Es sei technisch betrachtet eine ziemliche Schnapsidee, die Java Virtual Machine in einem Chip unterzubringen. "Sie glauben gar nicht, wie schlecht diese Idee ist", erklärte der

Java-Erfinder. Je mehr von der Virtual Machine in der Hardware stecke, desto langsamer werde sie. Das würde einzig und allein dann Sinn machen, wenn man den Code so klein wie möglich halten wolle und die Ausführungsgeschwindigkeit keine Rolle spiele.

Bill Gates durfte einmal mehr in Gestalt eine Videobandes auftreten und sorgte für Erheiterung im Gerichtssaal. In dem gezeigten Ausschnitt seiner Aussage wurde der Microsoft-Chef von Bundesanwalt David Boies zu einem E-Mail-Verkehr mit dem Microsoft-Entwickler Ben Slivka vom Mai 1997 ins Verhör genommen. Slivka hatte geschrieben: "Suns Java Development Kit (JDK) 1.2 enthält die Java Foundation Classes (JFC), die wir bei jeder sich bietenden Gelegenheit runtermachen [im Original "pissing on"] werden." Gates behauptete mehrfach, er wisse nicht, was mit "runtermachen" gemeint sei. Zum Schluß mußte er allerdings einräumen, das Slivka den Begriff wohl so gebraucht habe, wie er üblicherweise benutzt werde. Ein Microsoft-Sprecher bezeichnete den Gates'schen Auftritt anschließend als "schmerzlich amüsant, aber weitgehend irrelevant für das Verfahren".