Hamburg

"Im abgesicherten Modus fahren"

08.06.2001
Von 


Christoph Lixenfeld, seit 25 Jahren Journalist und Autor, vorher hat er Publizistik, Romanistik, Politikwissenschaft und Geschichte studiert.

1994 gründete er mit drei Kollegen das Journalistenbüro druckreif in Hamburg, schrieb seitdem für die Süddeutsche Zeitung, den Spiegel, Focus, den Tagesspiegel, das Handelsblatt, die Wirtschaftswoche und viele andere.

Außerdem macht er Hörfunk, vor allem für DeutschlandRadio, und produziert TV-Beiträge, zum Beispiel für die ARD-Magazine Panorama und PlusMinus.

Inhaltlich geht es in seiner Arbeit häufig um die Themen Wirtschaft und IT, aber nicht nur. So beschäftigt er sich seit mehr als 15 Jahren auch mit unseren Sozialsystemen. 2008 erschien im Econ-Verlag sein Buch "Niemand muss ins Heim".

Christoph Lixenfeld schreibt aber nicht nur, sondern er setzt auch journalistische Produkte ganzheitlich um. Im Rahmen einer Kooperation zwischen Süddeutscher Zeitung und Computerwoche produzierte er so komplette Zeitungsbeilagen zu den Themen Internet und Web Economy inklusive Konzept, Themenplan, Autorenbriefing und Redaktion.
Eine private Weiterbildungsinitiative in Hamburg will einen ungewöhnlichen Beitrag zum Fachkräftemangel leisten: Sie schult ehemalige Drogenabhängige für den IT-Arbeitsmarkt.

„Computer können auch eine Sucht sein, genau wie Heroin.“ Reinhard Wollner* ist 40 und weiß, wovon er spricht. Seit mehr als 15 Jahren beschäftigt er sich mit PCs: In den 80er Jahren hat er „mit einem Amiga rumgebastelt“, hat programmiert und Netzwerke gestrickt. „Einfach für mich selbst“ war vieles davon, anderes für normale Kunden.

Mehr als ein Taschengeld bekam er dafür nicht, weil er „nicht das Selbstbewusstsein hatte und nicht das Auftreten, um gute Preise zu verlangen,“ wie er sagt. Und an eine feste Anstellung war nicht zu denken, denn Wollner war jahrelang drogenabhängig. Heute ist er „substituiert“, das heißt, er bekommt unter behördlicher Aufsicht die Ersatzdroge Methadon, eine Voraussetzung, um irgendwann mal „mitmachen zu können“ in der Welt von normalen Jobs, bürgerlichen Wohnungen und Jahresurlaub.

Wollner ist einer von zwölf Kursteilnehmern der Initiative „Neustart-Hamburg“, die ehemaligen Drogenabhängigen eine Zukunft auf dem IT-Arbeitsmarkt ermöglichen soll. Wer teilnehmen will, muss von der Nadel weg sein und PC-Vorkenntnisse mitbringen. Während der sechs Monate beschäftigen sich die Kandidaten mit der Konzeption von Multimedia-Projekten, mit Web-Design, Programmierung, Produktgestaltung und Kommunikation, Projekt-Management sowie allgemeiner Berufsorientierung.

„Mit Leuten, die direkt von der Straße kommen und ein bisschen Spaß haben wollen, geht so was natürlich nicht“, versichert Matthias Kunze. Er lebt und arbeitet mit seiner Agentur Kunzedesign im Schanzenviertel, einem von zwei Brennpunkten der Hamburger Drogenszene. „Ich komme hier zwangsläufig mit diesen Menschen in Kontakt, und da waren einige, die sagten, wir können was“, beschreibt der Initiator die Anfänge des Projekts im vergangenen Jahr. „Warum sollen wir viele Fachkräfte importieren, wenn es noch fähige Leute gibt, die keinen Job haben?“

Der Widerspruch zwischen Expertenmangel auf der einen und arbeitslosen IT-Workern auf der anderen Seite wird sich zwar nicht mit halbjährigen Kursen aus der Welt schaffen lassen, aber Initiativen wie Neustart können trotzdem einen sinnvollen Beitrag leisten. Dieser Meinung ist offenbar auch die britische Regierung, die - im Falle eines Labour-Wahlsiegs - in einem Qualifizierungsprogramm 7500 Langzeitarbeitslose für Jobs im IT-Bereich trainieren will. Glaubt man den Pressemitteilungen, dann haben sich Firmen wie Microsoft, Siemens oder IBM bereit erklärt, 5000 Jobs für die Absolventen zur Verfügung zu stellen.