Neben AIX und OS/2 wird NT zur strategischen Plattform

IBM tritt mit Softserver-Strategie gegen Microsofts Back Office an

15.03.1996

Eagle ist klar gegen die Back-Office-Pakete von Microsoft und Novell gerichtet. Wie bei diesen handelt es sich beim Eagle- Projekt nicht in erster Linie um Neuentwicklungen, sondern um eine Palette bereits bestehender Server-Software. Die IBM fasst dabei 57 Einzelprodukte zu sieben preisguenstigen Modulen zusammen. Sie umfassen System- und Transaktions-Management, Datenbank, Internet- und Host-Anbindung, Groupware sowie Directory- und Sicherheits- Services.

Bei IBM spricht man im Zusammenhang mit der Eagle-Palette vor allem von "Integration". Entsprechend verwahrte sich William Reedy vom IBM-Produkt-Marketing schon im Vorfeld gegen den Verdacht, die Softserver-Strategie sei reines Bundling. Auf IBMs "Business Partners Executive Conference" in San Diego bemaengelten Kritiker, dass von Integration noch keine Rede sein koenne, bloss weil mehrere Software-Server auf dem gleichen System ablaufen.

Bereits die loesungsorientierte Zusammenfassung von Einzelprodukten stellt jedoch einen Fortschritt dar. Die bis dato uebliche Suche in IBM-Produktkatalogen nach den passenden Angeboten, die sich meist hinter kryptischen Bezeichnungen verbergen, stellt selbst ausgesprochene True-Blue-Kaeufer vor Probleme. Durch den drohenden Einbruch von Microsoft in IBMs Grosskundendomaene sah sich Big Blue genoetigt, der Produktstrategie des Herausforderers zu folgen. Freilich zielt das Eagle-Projekt nicht nur auf Bestandssicherung. Nach einer IDC-Studie wird der Markt fuer Applikations-Server das traditionelle File- und Printserver-Geschaeft innerhalb der naechsten drei Jahre ueberfluegeln und einen Anteil von 59 Prozent des auf 3,75 Milliarden Dollar geschaetzten Server-Marktes erringen.

Bei IBM weist man darauf hin, dass die geplante Server-Suite mehr Produkte umfasst als jene aus Redmond. Der eigentliche Trumpf von Eagle besteht aber in der Multiplattform-Unterstuetzung. Darin unterscheidet es sich von den Mitbewerbern Microsoft und Novell, die ihre Produkte nur fuer Windows NT beziehungsweise Netware anbieten. Ueberraschend dabei ist, dass Big Blue neben den eigenen Plattformen AIX und OS/2 Windows NT gleichwertig unterstuetzen will.

Bei dieser Betriebssystem-Strategie ist die IBM ueber ihren eigenen Schatten gesprungen. Sie stand vor dem Dilemma, mit einer NT- Version die MS-Plattform zu staerken oder auf die immer zahlreicheren NT-Anwender zu verzichten. Gerade ihre traditionelle Kundschaft aus dem Banken- und Versichungswesen liebaeugelt zunehmend mit dem Einsatz des NT-Betriebssystems. Dort wuerde ein Erfolg von Eagle zumindest Schadensbegrenzung bedeuteten, weil damit die Konkurrenz aus Redmond auf den Verkauf des Betriebssystems eingeschraenkt waere. Die Aufwertung von Windows NT durch die Eagle-Server wird andererseits vor allem OS/2 zu spueren bekommen. Die Portierung der Anwendungs-Server auf NT ist im uebrigen kein isoliertes Phaenomen, IBM will sein ganzes Software- Portfolio inklusive der "Visual-Age"-Entwicklungs-Tools fuer die 32-Bit-Windows-Systeme anbieten.

Mit den Directory-Services koennte die IBM auf der Microsoft- Plattform einen Coup landen: NT selbst wird in absehbarer Zeit keine solchen Dienste besitzen, sie sind erst fuer den NT- Nachfolger "Cairo" vorgesehen. Directory-Services besitzen fuer die DV-Planung von Unternehmen einen strategischen Wert, der ueber jenen des "rohen" Betriebssystems hinausgeht. Dabei ist wichtig, dass Big Blue bei den Verzeichnis- und Sicherheitsdiensten auf offene Standards setzt und dem Konzept der Open Software Foundation folgt. Sollte eine beizeiten verfuegbare Microsoft- Loesung - wie die NDS von Novell - einem proprietaeren Ansatz folgen, dann koennte die IBM gerade in heterogenen Umgebungen die Rolle des Integrators uebernehmen.

Mittelfristig soll es Server fuer AS/400 und OS/390 geben

Die Multiplattform-Strategie, die mittelfristig auch die AS/400 und die OS/390-Grossrechner beruecksichtigen soll, beruht auf einer gemeinsamen Codebasis fuer alle Software-Server. Die Produkte sollen eine einheitliche Installationsroutine erhalten, so dass Anwender und IBM-Partner alle unterstuetzten Plattformen ohne zusaetzlichen Lernaufwand bedienen koennen. Big Blue hofft, dass sich durch den identischen Funktionsumfang der Server fuer alle Betriebssysteme nicht nur die Entwicklung, sondern auch das Marketing und der Support vereinfachen lassen.

Im Rahmen ihrer neuen Vertriebsstrategie (vgl. CW Nr. 7 vom 16. Februar 1996, Seite 1) verspricht IBM den zertifizierten Geschaeftspartnern, dass sie bei Anwendern aufgrund der vereinfachten Installation und Wartung einen professionelleren Eindruck hinterlassen werden. Der Nutzen fuer die Reseller ist indes zumindest zwiespaeltig: Gerade als Workgroup- und Abteilungs- Server muessen die Produkte gegen die Microsoft-Konkurrenz mit dem Anspruch auftreten, dass sie auch von geuebten Anwendern eingerichtet werden koennen.

Die IBM-Software-Server

Database-Server: relationaler Datenbank-Server, der auf DB2 basiert.

Groupware-Server: Lotus-Notes-Server inklusive Produkten zur Datenbankanbindung und zur Verbindung mit Host- Transaktionssystemen (CICS).

Directory- und Security-Services: Server zur Integration von lokalen Netzen und Arbeitsgruppen. Basiert auf dem Konzept der OSF.

WWW-Server: Internet-Connection-Server, integriert Firewall- Techniken.

System-Management-Server: basiert auf System View.

Transaktions-Server: Gateway zu transaktionsverarbeitenden Grossrechnern, basiert auf CICS.

Host-Anbindung: Communications-Server fuer Zugriff auf Grossrechner, basiert auf SNA.